Schwerbehinderter Mensch
Schwerbehinderte Menschen sind Personen, die körperlich, geistig oder seelisch behindert und wegen der Behinderung in ihrer Erwerbsfähigkeit nicht nur vorübergehend um wenigstens 50% gemindert sind. Sie stehen unter einem besonderen rechtlichen Schutz.
Rechtsgrundlage
Seit dem 1.Juli 2001 gilt das "Sozialgesetzbuch - neuntes Buch - (SGB IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen". Mit diesem Gesetz wurde das bisher zersplitterte und unübersichtliche Recht der Rehabilitation zusammengefasst und weiterentwickelt.
Wo immer möglich, sollen Behinderungen vermieden werden oder Menschen trotz Behinderungen an der Gesellschaft und möglichst auch am Erwerbsleben teilhaben.
Teil 2 des SGB IX enthält besondere Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben; etwa 6,6 Mio. Menschen sind als schwerbehindert anerkannt.
Der Begriff Schwerbehinderte wird im Gesetz nicht verwendet.
Grad der Behinderung/Minderung der Erwerbsfähigkeit
Das Vorliegen der Behinderung und der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bzw. der Grad der Behinderung (GdB) werden auf Antrag durch die Versorgungsämter festgestellt. Der GdB wird - zwischen 20 und 100 - in Zehnerschritten bemessen.
MdE und GdB werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass die MdE nur auf Schädigungsfolgen und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache bezogen ist.Gleichstellung
Personen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30 können auf Antrag einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie wegen ihrer Funktionsbeeinträchtigung(en) ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können.
Die Gleichstellung wird durch das für den Wohnort zuständige Arbeitsamt ausgesprochen. Für gleichgestellte behinderte Menschen gelten die gleichen gesetzlichen Regelungen, wie für Schwerbehinderte mit Ausnahme des Anspruchs auf Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX) und dem Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr.Ausweis
Die Versorgungsämter stellen den Schwerbehindertenausweis aus, der in der Regel auf fünf Jahre befristet ist.Rechtsfolgen einer Schwerbehinderung
Schwerbehinderte genießen besonderen Schutz und Förderung im Arbeitsleben.
Sie werden u.a. durch folgende Regelungen geschützt und gefördertBesonderer Kündigungsschutz
Schwerbehinderte und Gleichgestellte haben einen besonderen Kündigungsschutz. Ihnen darf nur ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden, wenn das Integrationsamt vorher zugestimmt hat. Ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigungen sind unwirksam, wenn innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitgericht erhoben worden ist. Die Unwirksamkeitsfolge tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung oder Gleichstellung nichts wusste. Das Zustimmungserfordernis gilt bei Schwerbehinderten sogar dann, wenn die Schwerbehinderung erst nach der Kündigung (rückwirkend auf einen Zeitpunkt davor) festgestellt wird. (Anders bei Gleichgestellten: sie sind nur dann geschützt, wenn sie ihren Gleichstellungsantrag vor Zugang der Kündigung beim Arbeitsamt gestellt haben). Der Arbeitnehmer muss aber den Arbeitgeber unverzüglich nach der Kündigung auf seine Schwerbehinderung bzw. den von ihm gestellten Antrag hinweisen. Zusatzurlaub
Schwerbehinderte (nicht: ihnen Gleichgestellte) Menschen haben Anspruch auf bezahlten zusätzlichen Urlaub von fünf Tagen im Urlaubsjahr.Steuerliche Vorteile
Abhängig vom Grad der Behinderung können Steuervergünstigungen (z.B. Pauschbeträge, Haushaltsfreibetrag, Kfz-Steuer-Befreiung bei bestimmten Schwerbehinderungen) geltend gemacht werden.Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers
Private und öffentliche Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, auf mindestens 5 % der Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Dabei sind schwerbehinderte Frauen besonders zu berücksichtigen. Solange der Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigt, muss er für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe zahlen. Ein individueller Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrags, ein Einstellungsanspruch also, ist aber gesetzlich nicht vorgesehen, sondern ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB IX)Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung
Im Unterschied zur Einstellung haben schwerbehinderte Menschen (und Gleichgestellte) aber bei bestehendem Arbeitsverhältnis einen einklagbaren Anspruch auf eine Beschäftigung, „bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können“ und daneben Ansprüche auf bevorzugte Berücksichtigung bei innerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen und anderen Maßnahmen, die ihre berufliche Integration fördern. Dieser Anspruch gem. § 81 SGB IX entfällt nur wenn die Maßnahme für den Arbeitgeber unzumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist. Dieser gesetzliche Anspruch zwingt etwa einen Arbeitgeber, soweit dies vertraglich möglich ist, im Wege des Arbeitsplatztauschs einen nicht behinderten Arbeitnehmer auf den Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers zu versetzen und umgekehrt, wenn der Schwerbehinderte an dem anderen Arbeitsplatz beruflich besser integriert werden kann, seine Arbeitskraft erhalten oder wieder erlangen kann.Diskriminierungsverbot
Auf Grund der europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie
2000/78 EG (vgl. unten WEB-Link) wurde mit § 81 Abs. 2 SGB IX ein Diskriminierungsverbot für Behinderte geschaffen, das im Fall der Diskriminierung eines behinderten Menschen insbesondere bei Einstellung, beim beruflichen Aufstieg oder bei Kündigung einen Schadensersatzanspruch vorsieht und eine erhebliche Beweiserleichterung zugunsten der Schwerbehinderten (Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers wenn Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die eine Benachteilung des Behinderten vermuten lassen). Gleichzeitig ist aber danach ein Anspruch auf Einstellung ausgeschlossen und eine bloße Entschädigung in Geld vorgehen. Bei bloß formeller Diskriminierung, wenn also der Behinderte bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre ist der Schadensersatzanspruch auf drei Monatsverdienste beschränkt.
, Integrationsamt
Das Integrationsamt
WEB-Link
Antidiskrimierungsrichtlinie 2000/78 EG als pdf-Datei
Rechtshinweis