Pflichtethik
Die Pflichtethik bezeichnet einen allgemein verwendeten Begriff für ethische Konzeptionen, die als Kriterium der Moral und der moralischen Einstellung von Menschen nur die innere Befolgung eines von menschlichen Interessen und Neigungen unabhängigen, reinen moralischen Sollens anerkennen. Die Pflichtethik wird der Erfolgsethik entgegenstellt.Die Erkenntnis, dass dem Moment der Pflicht in der Moral große Bedeutung zukommt, ist so alt wie die Ethik selbst und spielt in vielen ethischen Systemen eine Rolle. Immanuel Kant unternahm den Versuch, eine Ethik der reinen Pflicht im oben genannten Sinne aufzubauen. Moralisch ist demnach nur die Befolgung der Pflicht um der Pflicht willen, unabhängig von jeder Neigung und ohne Rücksicht auf das konkrete Handlungsresultat.
Kants Ethik stellt den konsequentesten Versuch dieser Art dar. Dieser Versuch hat einerseits wichtige, bisher ungenügend beachtete ethische Probleme verdeutlicht (zum Beispiel das Wesen des moralischen Sollens oder die Rolle der inneren Verantwortung). Andererseits aber hat gerade er auch die Unmöglichkeit dieses ethischen Vorhabens erwiesen:
- Erstens laufen derartige Vorhaben stets auf die Formulierung von abstrakten Pflichtgeboten hinaus, die für alle Zeiten und alle Länder gelten sollen und die eben dadurch praktisch nutzlos und ohnmächtig sind. Auf die logischen Widersprüche, die sich aus der Idee einer moralischen Pflicht um ihrer selbst willen ergeben, hat bereits Georg Wilhelm Friedrich Hegel hingewiesen.
- Zweitens erweisen sich derartige Pflichten auch nur als abstrakt-idealistische Fassungen konkreter, aus dem gesellschaftlichen Leben selbst hervorgehender Interessen und ideologischen Anschauungen.
- Drittens ist das Bestreben, reine Pflichtvorstellungen zu schaffen, selbst nur Ausdruck bestimmter gesellschaftlicher und ideologischer Standpunkte.
- Viertens schließlich kann die Idee einer abstrakten, unhistorischen, reinen Pflicht überhaupt nur dort auftreten, wo der Mensch, seine Interessen und Zwecke (als Ziel) nicht in ihrer gesellschaftlichen Bedingtheit und Wirksamkeit begriffen werden, also auf der Grundlage idealistischer Geschichtsauffassung.