Bellsche Ungleichung
Die Bell'sche Ungleichung oder das Bell'sche Theorem zeigt einen Weg zur Beantwortung der durch das EPR-Paradoxon aufgeworfenen Fragen nach der Gültigkeit der Theorie der Quantenmechanik als Ganzes und im speziellen der Rolle der Lokalität bei quantenmechanischen Phänomenen. Sie wurde 1964 von John Stewart Bell entwickelt.
Gestützt auf bestimmte Annahmen bezüglich der mikroskopischen Welt, insbesondere
kann eine mathematische Beziehung (genauer eine Ungleichung) aufgestellt werden, die die Ergebnisse von Messungen auf mikroskopischer Ebene beschreibt.
Weil verschiedene Experimente diese Beziehung verletzen wird oft gefolgert, dass diese Annahmen, im besonderen Lokalität und Realismus, unvereinbar sind und in einer konsistenten Theorie nicht beide erfüllt sein können.
Im Folgenden soll das von David Bohm und Eugene Wigner entwickelte
EPR-Szenario vereinfacht dargestellt werden.
Gegeben seien drei beliebige Richtungen a, b, und c in denen Alice und Bob den Spin der Elektronen messen, die sie empfangen.
Man setze drei verborgene Variablen, für die drei Spinrichtungen, pro Elektron voraus. Zudem sollen diese verborgenen Variablen jedem Elektronenpaar auf konsistente Weise zugeteilt werden und nach der Emittierung sich nicht ändern. Für die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Variablen sei nichts vorausgesetzt.
Alice und Bob sind zwei räumlich getrennte Beobachter. Zwischen ihnen produziert ein Apparat kontinuierlich Elektronenpaare. Eines dieser Elektronen wird in Richtung von Alice geschossen, das andere in Richtung von Bob.
Die Elektronenpaare sind so vorbereitet, dass die Beobachter bei der Messung des Spins ihres Elektrons an derselben Achse stets entgegengesetzte Ergebnisse erhalten.
Wenn sie zum Beispiel beide die z-Komponente der Spins messen, wird Alice nach den Regeln der Quantenmechanik mit gleicher Wahrscheinlichkeit +1/2 oder -1/2 messen. Wenn Alice +1/2 misst, wird Bob zwangsläufig -1/2 messen, und umgekehrt.
Mathematisch kann der Zustand des zusammengesetzten Systems je zweier Elektronen durch folgenden Zustandsvektor beschrieben werden:
Für dieses Phänomen gibt es eine Erklärung ohne Zuhilfenahme der Quantenmechanik.
Man nehme an, der die Elektronen produzierende Apparat würde jedem Elektron einen Parameter, eine verborgene Variable, zuteilen, je einem die Bezeichnug "Spin +1/2", dem anderen "Spin -1/2". Ein klassischer Wahrscheinlichkeitsprozess entscheide, welches Elektron zu Alice entsendet werden soll. Wenn Alice jetzt die z-Komponente des Spins als +1/2 misst, wird Bob -1/2 erhalten, schließlich trägt sein Elektron diese Bezeichnung.
Hierdurch werden die quantenmechanischen Effekte reproduziert, ohne das Prinzip der Lokalität zu verletzen.
Der Charme dieses Erklärungsmusters verblasst mit der Erkenntnis, dass Alice und Bob nicht nur die z-Komponente des Spins messen können. Tatsächlich können sie die Komponente in einer beliebigen Richtung messen und erhalten immer +1/2 oder -1/2. Es müsste also jedes Elektron eine unendliche Anzahl verborgener Variablen besitzen, je eine für jede mögliche Messung .
Das wäre zwar nicht schön, aber an sich nicht fatal. Bell zeigte jedoch, dass Alice und Bob durch die Auswahl von nur drei Messungsrichtungen zwischen verborgenen Variablen und Quantenmechanik unterscheiden können.
Jetzt soll gezeigt werden, dass die Quantenmechanik die Ungleichung verletzt.
Es sollen a, b, und c auf der x-z Ebene liegen, wobei c der Bisektor von a und b im Winkel θ ist.
Mit dem Rotationsoperator können die Wahrscheinlichkeiten berechnet werden.
Man betrachte P(c+,b+), wobei Alice in c-Richtung misst und mit der Wahrscheinlichkeit 1/2 den Wert +1/2 erhält. Dadurch kollabiert Bobs Elektron zu |c-〉B.
Im Zustandsraum von Bobs Elektron kann die bedingte Wahrscheinlichkeit berechnet werden, dass Bob bei der Messung in Richtung b +1/2 erhält (die Indizes für b sind weggelassen):
Working in the state space of Bob's
electron and dropping the B subscripts, we can calculate the conditional probability that Bob then obtains +1/2 when
measuring the spin in the b direction:
Es gibt mehrere populäre Reaktionen auf diese Situation:
Zunächst könnte man einfach annehmen, dass die Quantenmechanik falsch ist. Sie wird jedoch experimentell gestützt: Alice und Bob haben tatsächlich Ergebnisse erhalten wie quantenmechanisch vorhergesagt.
Zweitens kann man die Vorstellung verborgener Variablen aufgeben und argumentieren, dass die Wellenfunktion keine Informationen über die Werte von Messungen an Teilchen enthält. Das entspricht der Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik.
Man könnte auch das Prinzip der Lokalität aufgeben: Die Verletzung der Ungleichung kann durch eine auf nicht-lokale verborgene Variablen bauende Theorie erklärt werden, nach der Teilchen Informationen über ihre Zustände austauschen. Darauf basiert die Bohm-Interpretation. Eine solche Interpretation wird jedoch als unelegant angesehen, da alle Teilchen des Universums instantan mit allen anderen Teilchen die Informationen austauschen können müssten.
Letztlich ist die unvollständige Bestimmtheit (Counterfactual Definiteness, CFD) eine Voraussetzung für die Ungleichung. In der Realität kann man an einem Teilchen nur eine Messung durchführen (dann ist die Wellenfunktion kollabiert), aber die Bell'sche Ungleichung bezieht alternative, nicht durchführbare Messungen ein, die wohldefinierte Ergebnisse liefern.
Die Aufhebung dieser Annahme kann auch die Ungleichung auflösen. In der Viele-Welten-Interpretation passiert genau das, die "Counterfactual Definiteness" wird aufgegeben, denn nach dieser Interpretation verzweigt sich das Universum in viele verschieden Betrachter, die jeweils ein anderes Ergebnis erhalten.
Es wird aktiv daran geforscht (Stand 2004), andere versteckte Voraussetzungen in der Bell'schen Ungleichung zu finden.
Die CHSH-Ungleichung (1969 von Clauser, Horne, Shimony, und Holt entwickelt) verallgemeinert die Bell'sche Ungleichung auf beliebige Observablen. Sie lässt sich wegen ihrer Formulierung besser experimentell überprüfen.
Bells Gedankenexperiment ist statistisch: Alice und Bob müssen mehrere Experimente durchführen, um P(a+,b+) und die anderen Wahrscheinlichkeiten zu erhalten. 1989 entwarfen Greenberger, Horne, und Zeilinger eine Alternative zu Bells Versuchsaufbau, das GHZ-Experiment. Es braucht drei Beobachter und drei Elektronen, um mit einer einzigen Gruppe von Messungen die Quantenmechanik von verborgenen Variablen zu unterscheiden.
1993 erarbeitete Hardy eine Situation, mit der Nicht-Lokalität ohne Ungleichungen gezeigt werden kann.
Seit dem Experiment von Kocher und Commins 1967 wurden zahlreiche Experimente durchgeführt, um die oben genannten Resultate zu bestätigen.
Tatsächlich wurde die Verletzung der Bell'schen Ungleichung gezeigt, in einem Fall sogar mit einer Standardabweichung von 30 und mehr.
Experimente überprüfen meistens die CHSH-Verallgemeinerung und nutzen andere Observablen als den Spin, der in der Praxis nicht leicht gemessen werden kann, meistens die Polarisation von Photonenpaaren aus radioaktivem Zerfall.
Das Prinzip ist aber dem geschilderten vereinfachten Modell sehr ähnlich.
1998 zeigten Weihs, Jennewein, et al. von der Universität Innsbruck als erste die Verletzung der Ungleichung durch räumlich derart getrennte (400m) Messpunkte, dass - auch bedingt durch den Versuchsaufbau - Informationsaustausch über das Messergebnis zwischen den Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit nicht möglich ist.
1999 konnte erstmals ein GHZ-Zustand realisiert und durch Messungen an diesem die Verletzung der Ungleichung bewiesen werden.
Bell'sche Ungleichung
Übersicht
und andere, weniger offensichtliche Annahmen,Herleitung der Ungleichung
Jedes Ket ist mit der Richtung des Elektronenspins bezeichnet.
Der oben angeführte Zustand wird als Spin-Singlet bezeichnet.
Die z-Komponente des Spins entspricht dem Operator (1/2)σz, wobei σz die dritte Pauli-Matrix ist.Verborgene Variablen
a b c a b c freq
+ + + - - - N1
+ + - - - + N2
+ - + - + - N3
+ - - - + + N4
- + + + - - N5
- + - + - + N6
- - + + + - N7
- - - + + + N8
Jede Reihe beschreibt eine mögliche Form eines Elektronenpaars mit den Werten der verborgenen Variablen und der Wahrscheinlichkeit N.
Alice messe den Spin in Richtung a und Bob in Richtung b.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Alice +1/2 und Bob -1/2 erhält, ist gegeben durch
Entsprechend ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide +1/2 messen, wenn Alice in Richtung a und Bob in Richtung c misst, gegeben durch
Wenn Alice in Richtung c und Bob in Richtung b misst, ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide +1/2 messen,
Weil die Wahrscheinlichkeiten N nie negativ sind, gilt:
Daraus folgt
die Bell'sche Ungleichung. Sie muss bei jeder auf verborgenen Variablen beruhenden Theorie erfüllt werden, die unsere Annahmen bezüglich der Lokalität befriedigt.Vergleich mit der Quantenmechanik
wobei σy die zweite Pauli-Matrix ist, die den Rotationsoperator D(y,θ) liefert. Auf ähnlichem Weg errechnet man die anderen Wahrscheinlichkeiten, so dass nach Bells Ungleichung gelten würde:
Aber diese Gleichung ist für θ = π/8 nicht erfüllt:
Wenn Alice und Bob das Experiment genau wie oben beschrieben mit im Winkel von π/8 zueinander stehenden Achsen ausführen und dann die quantenmechanisch vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten erhalten, werden diese Ergebnisse die Bell'sche Ungleichung nicht erfüllen und damit alle vorgeschlagenen auf verborgenen Variablen basierenden Theorien widerlegen.Konsequenzen aus der Verletzung der Bell'schen Ungleichung
Gedankenexperimente
Experimentelle Bestätigung
Literatur