Zeit der Streitenden Reiche
Die Zeit zwischen 475 v. Chr und 221 v. Chr wird in der chinesischen Geschichte als die Zeit der streitenden Reiche bezeichnet. Die Aufteilung der Zeit von 770 v. Chr bis zur Einigung Chinas durch die Qin-Dynastie im Jahre 221 v. Chr. in den beiden Perioden Zeit der Frühlings- und Herbstannalen sowie Zeit der kämpfenden Staaten kann bis auf die Han-Dynastie zurückgeführt werden. Diese Aufteilung ist jedoch eher traditioneller Natur, da ein einschneidendes Ereignis dafür nicht gefunden werden kann. Deswegen hat es in der Geschichte auch Streit darüber gegeben, wann diese Teilung tatsächlich zu setzen sei. Ein bedeutendes Geschichtsbuch aus der Song-Dynastie (资治通鉴, Zī Zhì Tōng Jìan) setzte die Teilung zum Beispiel auf das Jahr 403 v. Chr und damit über 70 Jahre später.Die Zeit der kämpfenden Staaten war eine wirre Zeit. Die Autorität des Königs der östlichen Zhou-Dynastie war völlig verloren gegangen. Später nannten sich die Fürsten selbst Könige und setzten sich somit mit den Zhou-Königen gleich. Zu Anfang der Periode gab es in den heutigen chinesischen Gebieten etwa 16 dieser Fürststaaten, dazu kamen noch die Nomadenvölker im Norden und Stämme im Westen, die ebenfalls eine Rolle in der Politik jener Zeit spielten. Etwa in der Mitte der Periode blieben sieben stärkeren Fürstenstaaten übrig, die um die Beherrschung des gesamten Landes kämpften. Schließlich ging aus diesem Kampf Qin als der stärkste hervor und konnte die anderen sechs vernichten. Qins Vereinigung Chinas gilt bei den Historikern als das Ende der Antike in China und als Beginn der Zeitalter der Kaiserdynastien.
Die Periode der kämpfenden Staaten, wie auch die Periode davor, die Zeit der Frühlings- und Herbstannalen, war eine Zeit der Umwälzung und der Veränderung. Traditionen wurden umgeworfen, neue Ideen entstanden. Die Konkurrenz zwischen den Staaten um bessere Technologien, Verwaltung und Ideen ließ Philosophie, Literatur und Wissenschaft aufblühen. Handel und Städte entwickelten sich zu bis dahin ungesehener Größe. Viele heutige chinesische Städte entstanden zu jener Zeit.
Table of contents |
2 Wirtschaft 3 Wissenschaft und Technik 4 Kultur |
Wei war der erste Staat, der gesellschaftliche Reformen einleitete. Allen voran wird das Beamtensystem reformiert. So soll ein Amt nicht mehr von Vater auf den Sohn weitergegeben werden, statt dessen sollen nur die fähigen Menschen ein Amt übernehmen, dabei wird nicht mehr auf Herkunft geachtet, so dass selbst Nichtadlige ein hohes Amt bekleiden konnten. Auch im Militär wird die Tradition unterbrochen, derzufolge nur Adlige als Offizier dienen dürfen. Der Rang eines Offiziers wird nach seinem Erfolg gehoben oder gesenkt. Selbst normale Soldaten können so aufsteigen. Dazu werden die Bauern ermutigt, mehr Getreide anzubauen. Schließlich wird das Justizwesen reformiert. Ein Gesetzesbuch wurde ausgegeben. Dadurch soll die Rechtsprechung vereinheitlicht werden.
Die Reformen in Wei bewirkten eine Stärkung des Staates, so dass Wei bald zum stärksten Staat wurde. Das Beispiel wurde sofort von den anderen Staaten nachgeahmt, allen voran Chu und Qin. Chu und Qin waren zwei Staaten am Rand des damaligen chinesischen Gebietes. Chus Zentrum befand sich südlich des Jangtsekiang. Es gehörte ursprünglich gar nicht ins Territorium von Zhou. Qin wurde erst zu Beginn der östlichen Zhou-Dynastie zu einem Fürstenstaat erhoben. Er befand sich an der nordwestlichen Grenze des Landes. Beide Staaten wurden damals als Halbbarbaren betrachtet und sogar belächelt. Qins Reform war am radikalsten. So wurde die Bindung der Bauern an das Land aufgehoben, und das Belehnungssystem völlig aufgehoben. Statt dessen wird das Land direkt an die Bauern verteilt. Damit wurden die Bauern de facto befreit und erlangten persönliche Freiheit. Beamte werden nicht mehr mit Land belehnt, statt dessen wird ihnen ein Sold gegeben. Dieses System stärkte zugleich auch die Loyalität der Beamten, da sie ohne ihr Amt keine Lebensgrundlage mehr haben. Das Militärdienst wird besonders betont. Adlige, die keine militärische Erfolge aufweisen können, verlieren automatisch ihren Stand. Im Militärdienst wird die Belohnung durch getötete Feinde bestimmt. Wer mehr Feinde tötet, bekommt mehr Belohnung, die auch als Erhebung in den Adelsstand ausgedrückt werden kann. Auch hier wird das Justizwesen reformiert. So gelten die Gesetze für alle Menschen. Zwar genießen Adlige, und das heißt bei Qin jene, die besonders im Militärdienst ausgezeichnet waren, eine Milderung der Strafe, dennoch werden auch sie mit gleichem Recht gemessen. Durch die Abschaffung des Lehnsystems muss die Verwaltung des Landes ebenfalls geändert werden. Dafür werden die Verwaltungseinheiten Landkreis (县) eingeführt. Die Reformen hatten den Grundstein für die spätere Einigung Chinas durch Qin gelegt.
Zur Mitte der Zeitperiode wurden alle restlichen kleineren Staaten von den Großen annektiert, so dass die Pufferzone zwischen diesen Staaten wegfielen. Der Kampf zwischen ihnen wurde erbitteter geführt. Besonders die militärische Stärke von Qin wurde immer deutlicher, so dass zeitweise die anderen sechs Staaten Bündnisse gegen Qin schlossen. Durch geschickte Diplomatie, Einschüchterung, Bestechung und auf Grund von Opportunismus, Rivalitäten unter einander und Kurzsichtigkeit vieler Herrscher konnte Qin jedoch immer wieder diese Bündnisse sprengen.
247 v. Chr kam der 13-jährige Zheng auf den Thron des Qin-Königs. Mit 22 erlangte er die volle Regierungsmacht und begann seinen Eroberungskrieg. 230 v. Chr wurde Han als der schwächste Staat zuerst Opfer der Qin-Armee. 228 v. Chr wurde die Hauptstadt von Zhao eingenommen und der König gefangengenommen. Ein Prinz konnte zwar flüchten und weiter Widerstand leisten, doch auch er wurde 222 v. Chr gefangen. Ein Attentatsversuch auf den Qin-König, initiiert von dem Kronprinz von Yan, nahm der Qin-König als willkommenen Anlass für den Angriff auf Yan. Yans Hauptstadt fiel 227 v. Chr. 225 v. Chr griff Qin Wei an, nach einer dreimonatigen Belagerung der Hauptstadt gab der König von Wei auf. 224 v. Chr kam das im Süden liegende Chu an der Reihe. Als schließlich 221 v. Chr. Qins Armee in Qi einfiel, begegnete sie kaum noch Widerstand.
Nach der Einigung des Landes ließ Zheng sich zum ersten Kaiser der Qin ausrufen und gründete die erste Kaiserdynastie.
Eine besondere Blüte erlebte der Handel. Der Reichtum mancher Händler konnte mit dem der Könige verglichen werden. Sie unterhielten Handelsstationen und Informationsnetze in mehreren Staaten. Dem Händler Lü Buwei wurde sogar die Stellung eines Großwesirs von Qin angeboten.
Im Handwerk erlangten besonders Salz- und Erzgewinnung große Bedeutung.
Aus der Zeit der kämpfenden Staaten waren einige sehr bedeutende Bewässerungsanlagen überliefert worden, unter anderen die Dujiangyan-Anlage (都江堰, Dū Jiāng Yàn), die bis heute das Frühlingshochwasser und die Sommertrockenheit von der Kesselebene von Sichuan abwendet. Bruchstücke des großen chinesischen Kanals werden bereits in dieser Zeit angelegt.
Zur Verteidigung gegen die Nomaden aus dem Norden haben die drei nördlichen Staaten Qin, Zhao und Yan eine Mauer errichtet. Sie bildet die Grundlage der späteren großen Mauer.
Zur Zeit der kämpfenden Staaten entdeckten die Chinese die Benutzung eines Magnets für die Anzeige der Richtung. Sie fertigten aus Magnet einen Löffel und platzierten ihn auf eine glatte Kupferplatte. Der Löffel wurde so geformt, dass sein Griff stets Richtung Süden zeigte.
In der Medizin wurde die Anwendung der Akupunktur zum ersten Mal festgehalten.
Kriegsführung war zur Zeiten der kämpfenden Staaten für die damaligen Staaten lebenswichtig. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass zu dieser Zeit viele Neuerungen in der Kriegsführung eingeführt worden waren. Durch die Befreiung der Bauern aus ihrer Gebundenheit an das Land sowie die Öffnung des Militärdienstes auch für sie steigt die Zahl der Fußsoldaten. Die Armee zu Fuß wird die vorherrschende Truppengattung. Yan war der erste Staat, der die Kavallerie einführte, die Technik wird von den Nomaden adaptiert. Schnell lösten die schnellbeweglichen Reiter die Streitwagen ab. Während der Zeit der kämpfenden Staaten wurde die Armbrust in China erfunden. Zudem gab es auch Verbesserungen in Belagerungs- und Verteidigungstechniken, die dazu führten, dass zum Beispiel Städte jahrelang belagert wurden.
Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle die Gedichte des Chu-Poeten Qu Yuan (屈原, 340 v. Chr bis 278 v. Chr), dessen Werk für jene Epoche einzigartig ist. Statt der damals gängigen Gedichte aus nur vier Schriftzeichen und relativer Kürze schrieb Qu Yuan sehr lange und relativ freie Gedichte, die voller Emotionen sind. Von den etwa 20 ihm zugeschriebenen Gedichte sind vor allem Der Kummer der Trennung (离骚, Lí Sāo) und Fragen an Himmel (天问, Tiān Wèn) besonders hervorzuheben. In Der Kummer der Trennung drückte er seinen Schmerz durch die Trennung von seinem geliebten König aus. In Fragen an Himmel werden die Verzweiflung des verfolgten Dichters mit Fragen an den Himmel dargestellt. Die emotionsvollen Zeilen sind für die damalige Verhältnisse einzigartig.
Aus der Zeit der kämpfenden Staaten stammen auch die ältesten Funde chinesischer Malerei.
Geschichtlicher Überblick
Zu Anfang der Periode existierten etwa 16 Fürstenstaaten. Das Königshaus der Zhou war zu dieser Zeit bereits in die Bedeutungslosigkeit versunken. Im Jahr 403 v. Chr. geschah ein großes Ereignis, und zwar die Teilung des Staates Jin (晋) in drei Staaten Wei (魏), Zhao (赵) und Han (韩). Obwohl diese Teilung erst im Jahre 403 v. Chr. geschah, wird sie meistens als ein Ereignis der späten Frühlings- und Herbstzeit behandelt. Jin war der stärkste Staat aus der Frühlings- und Herbstzeit. Durch innere Konflikte jedoch hatte sich das Fürstenhaus selbst vernichtet, so dass das herrenlose Land unter den drei Mächtigen des Staates aufgeteilt wurde. Traditionell verbanden diese drei Staaten gute Beziehung zu einander. Neben Wei, Zhao und Han zählten noch die Staaten Qi (齐), Yan (燕), Chu (楚) und Qin (秦) zu den mächtigsten Parteien dieser Periode. Um die Mitte der Periode haben sie dann die restlichen Staaten alle einverleibt. Der Name kämpfende Staaten meinte hauptsächlich diese sieben Staaten.Wirtschaft
Während der Periode der kämpfenden Staaten haben fast alle Staaten Reformen durchgeführt, die das Lehnssystem abschafften und die Bauern von ihrer Bindung an das Land befreiten. Die riesigen Farmbetriebe wurden zusehends durch Familienbetriebe in der Landwirtschaft ersetzt. Dementsprechend musste auch das Steuersystem reformiert werden. Fortan mussten die Bauern je nach Landbesitz Steuer an den Staat entrichten.Wissenschaft und Technik
Die größte technische Erneuerung während der kämpfenden Staaten war die verbreitete Einführung von Eisenwerkzeuge. Nicht nur im Handwerk, sondern auch in der Landwirtschaft und in der Militärtechnik wird Eisen der vorherrschende Werkstoff und löst Bronze ab.Kultur
Die Zeit der kämpfenden Staaten war eine Blütezeit der chinesischen Philosophie. In einer Atmosphäre, wo die Fürstenhäuser miteinander um Macht, Technologien und Ideen konkurrierten, zogen viele dieser Denker mit ihren Schülern und Gefolgschaften von Staat zu Staat, in der Hoffnung, einen Herrscher zu finden, der Gefallen an ihren Ideen fand. Viele dieser Philosophen waren auch begnadete Schriftsteller und haben zahlreiche Werke hinterlassen, die bis heute Unterrichtsstoff für das antike Chinesisch in den chinesischen Schulen sind.
Vorige Epoche
Zeittafel der chinesischen Geschichte
Nachfolgende Epoche
Zeit der Frühlings- und Herbstannalen
Qin-Dynastie