Wilhelm Kreis
Wilhelm Kreis (* 17. März 1873; † 13. August 1955) gehört zu den bedeutendsten deutschen Architekten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Biografie
Der Vater war Landvermesser, die Vorfahren Winzer. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Wiesbaden studierte er von 1892 bis 1897 an den Technischen Hochschulen in München, Karlsruhe, Berlin-Charlottenburg und Braunschweig Architektur. Als 23jähriger Student siegte er 1896 vor der gesamten deutschen Architektenprominenz beim Wettbewerb um das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, den Auftrag zur Ausführung erhielt aber Bruno Schmitz. Anschließend wurde Kreis Mitarbeiter von Hugo Licht beim Wettbewerb für das neue Rathaus in Leipzig.
Nach dem Staatsexamen 1897 in Braunschweig war er ab 1898 Assistent von Paul Wallot an der Kunstakademie in Dresden und unterstützte ihn beim Bau des Ständehauses in Dresden, dessen Sitzungssaal er entwarf. 1899 gewann er beim Wettbewerb für die Bismarcktürme, den die Deutsche Studentenschaft ausgeschrieben hatte, unter 320 eingereichten Entwürfe die drei ersten Preise und führte in der Folge rund 50 dieser Denkmäler aus.
Als Schüler von Paul Wallot stand Kreis in Dresden zunächst unter dem Einfluss der lokalen Barocktradition. Sein erstes Großwerk in Dresden war die Augustusbrücke (1908-10). Der Vorgängerbau war ein Werk des Dresdener Baumeisters Daniel Pöppelmann (1728-30) und musste einer neuen Konstruktion weichen, weil er den wachsenden Verkehrsansprüchen nicht mehr genügte. Kreis entwickelte in enger Anlehnung an das historische Vorbild einen Neubau in moderner Technik. Der Baustoff Eisenbeton, der mit Naturstein verkleidet wurde, ermöglichte anstelle der 18 engen Bögen nun lediglich neun weitgespannte. Weitere bedeutende Bauten Kreis´ in der Kaiserzeit sind die Warenhäuser Leonhard Tietz in Köln (1912-14) und Geschwister Knopf in Karlsruhe (1912-14).
1902 wurde Kreis zum Professor für Raumkunst an der Kunstgewerbeschule in Dresden ernannt, 1908 wechselte er als Nachfolger von Peter Behrens als Direktor an die Kunstgewerbeschule Düsseldorf, die 1920 in der Kunstakademie aufging. In Kreis´ Düsseldorfer Zeit trat die neobarocke Zierform zugunsten einer mehr zweckbestimmten Nutzform zurück, dennoch wirkten barocke Reminiszenzen nach, beispielsweise im Verwaltungsgebäude für die Emscher Genossenschaft in Essen (1908/09) und im Wohn- und Atelierhaus Reusing in Düsseldorf (1909). In seinen Entwürfen für das Offiziersgenesungsheim (heute Schlosshotel) Bühlerhöhe kehrte Kreis 1911/12 letztmalig zu seinen neubarocken Dresdener Wurzeln zurück.
1926 wechselte Kreis als Nachfolger von Heinrich Tessenow an die Technische Hochschule Dresden. Während die Avantgarde in der Weimarer Republik die Formen- und Ausdruckssprache des Neuen Bauens entwickelte, ging auf Seiten der konservativen Architekten, zu denen Wilhelm Kreis zählte, die Bemühung aus der Vorkriegszeit um monumentalen, repräsentativen und "deutschen" Ausdruck in der Architektur weiter. Die in der Kunstwissenschaft immer noch gängige Konzentration der Weimarer Baukunst auf das Bauhaus verengt den Blick für die tatsächlichen Entwicklungen. Kreis, 1929 mit der Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Dresden ausgezeichnet, ist neben Paul Bonatz der wohl renommierteste Architekt dieser Zeit. Zu den wichtigsten Werken Kreis' zählen das Wilhelm-Marx-Hochhaus (1922-24) und das Rheinufer in Düsseldorf (1924-26) sowie das Hygiene-Museum in Dresden (1930). Bereits 1927 erschien eine erste Biografie über Wilhelm Kreis, 1953 folgte eine zweite.
Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, verlor Kreis seine Ämter als Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und als Rektor der Technischen Hochschule Dresden, er arrangierte sich aber später mit dem faschistischen System. Seine Rolle im Dritten Reich ist umstritten. Nach Kriegsende zog Kreis 1949 nach Bad Honnef, erhielt trotz seines fortgeschrittenen Alters weitere Aufträge.