Widerspruchstheorie
Zur Widerspruchstheorie von Mao ZedongIn jedem prozessierenden Ding wirkt ein Komplex von Widersprüchen (大小 矛盾), die in ihren jeweiligen Zusammenhängen und Wechselwirkungen, in ihren spezifischen Bewegungs- und Entwicklungstendenzen zu untersuchen sind.
Das Wirken der Widersprüche führt zur spezifischen Bewegungsform eines Prozesses 过程 , zu seiner Untergliederung in besondere (qualitativ unterschiedener) Phasen oder Etappen 阶段 .
Die Strukturierung eines Prozesses wird bestimmt durch die spezifischen Konstellationen der involvierten, sich ungleichmäßig entfaltenden Widersprüche.
Die Beziehung zwischen den Widersprüchen ist ein Herrschaftsverhältnis: ein Verhältnis, das auf Veränderung angelegt ist. Zu unterscheiden ist der Grundwiderspruch 根本矛盾, der das Wesen eines Gesamtprozesses bestimmt, und alle anderen Widersprüche, die in diesen Prozeß verwickelt sind; der Hauptwiderspruch 主要矛盾 (nicht näher definiert: die jeweilige Erscheinungsform des Grundwiderspruchs in den einzelnen Phasen eines Prozesses?), und die vom Hauptwiderspruch dominierten Nebenwidersprüchen 非主要矛盾; 次要矛盾).
Von hier aus ergibt sich die Notwendigkeit, die Besonderheit des Hauptwiderspruches zu analysieren (bestimmt durch das Herrschaft/Unterwerfungsverhältnis seiner beiden Seiten: der Haupt- bzw. Nebenseite 主要矛盾方面 ↔ 非主要矛盾方面; 次要矛盾方面), ebenso die Besonderheit der Dominanz des Hauptwiderspruches über die Nebenwidersprüche und die Rückwirkung der Nebenwidersprüche auf den herrschenden Hauptwiderspruch.
Auch die Nebenwidersprüche (deren Spezifik wiederum bestimmt wird durch die besondere Konstellation der Haupt- und Nebenseite des Widerspruchs) vollziehen jeweils spezifische Bewegungen, die nicht mit derjenigen des Hauptwiderspruches zusammenfallen. Allerdings stehen die auf diese Weise relativ unabhängigen Nebenwidersprüche in einer spezifischen Abhängigkeitsrelation zum dominanten Widerspruch.
Der Hauptwiderspruch wiederum kann sich unter bestimmten Bedingungen im Verlaufe des Prozesses in einen Nebenwiderspruch verwandeln.
Die Widerspruchsanalyse der politischen Lage zu Beginn des Widerstandskrieges gegen Japan (1937) kann deutlich machen, daß die logischen Kategorien materialistischer Dialektik als Derivate gesellschaftlicher Erfahrung (H.H. Holz) begreifbar sind.
Als den Grundwiderspruch, der das Wesen des 'halbkolonialen, halbfeudalen' China bestimmt, bezeichnet Mao den Widerspruch zwischen dem Imperialismus und China, dem Feudalsystem und den breiten Volksmassen .
Dieser doppelte Grundwiderspruch tritt in den verschiedenen Etappen des Revolutionsprozesses als besonderer zutage (Hauptwiderspruch), und zwar als innergesellschaftlicher oder als nationaler Widerspruch.
Die Wandlung des Hauptwiderspruches, wie sie zum Beispiel durch Japans Überfall auf China verursacht wird, führt zu einer Neukonstellation aller innergesellschaftlichen Widersprüche einerseits (z.B. den Widersprüchen zwischen Bourgeoisie und Proletariat, den Widersprüchen in den reaktionären herrschenden Klassen ) und der nationalen Widersprüche andererseits.
Der bisherige Hauptwiderspruch, der seinen Ausdruck im Bürgerkrieg zwischen KPCh und KMT gefunden hatte, nimmt nun eine untergeordnete Stelle ein (er verwandelt sich nicht nur in einen Nebenwiderspruch, sondern auch vorübergehend in einen nichtantagonistischen Widerspruch ).
Für alle vom Hauptwiderspruch dominierten Nebenwidersprüche gilt, daß sie nicht auslöschen, sondern in ihrer Fortexistenz auf den Hauptwiderspruch einwirken und die Entwicklung des historischen Prozesses beeinflussen.
Beispiel
Ein verkürztes Beispiel, das Mao für die Zusammenhänge von Grundwiderspruch, Hauptwiderspruch und Nebenwidersprüchen im Bereich der Politik anführt. Literatur