Wertungszahlen (Schach)
Wertungszahlen im Schach sollen die Spielstärke von Schachspielern bewerten oder aber bei Schachwettkämpfen die Rangfolge von Einzelspielern oder Mannschaften bei Punktgleichheit - analog der Tordifferenz beim Fussball - festlegen. Für jeden dieser Zwecke gibt es spezielle Wertungszahlen.
Die mathematischen Hintergründe der Bewertungsverfahren sind recht anspruchsvoll (siehe ELO-Zahl). Daher soll hier versucht werden, das Prinzip der Wertungszahlen vereinfacht zu erklären.
Ein Spieler mit einer niedrigen Ingo-Zahl ist besser als ein Spieler mit einer hohen Ingo-Zahl. Die theoretisch schlechteste Ingo-Zahl ist 300. Diese Zahl erhält ein Spieler, der alle Partien verliert. Die theoretisch beste Ingo-Zahl ist 1. Um diese zu erhalten darf man nie eine Partie verlieren.
Die Wertungsliste wurde jährlich von der "Arbeitsgruppe Klassifizierung der Technischen Kommission des Deutschen Schachverbandes der DDR" neu berechnet und veröffentlicht.
Im Gegensatz zum Ingo-System bedeutet eine höhere DWZ eine höhere Spielstärke.
Eine Elo-Zahl können nur starke Spieler (etwa mit DWZ > 1800) erhalten. Spieler mit Elo-Zahlen werden in einer internationalen Datenbank der FIDE geführt. Wie bei den DWZ-Zahlen bedeutet auch hier eine höhere Elo-Zahl eine größere Spielstärke.
Für Profi-Großmeister, die ihren Lebensunterhalt mit Schach bestreiten, ist eine hohe Elo-Zahl besonders wichtig. Denn oft werden zu lukrativen Schachturnieren, bei denen für die ersten Plätze hohe Geldbeträge ausgezahlt werden, Spieler mit einer Mindest-Elo-Zahl eingeladen.
Angenommen Spieler A habe eine höhere DWZ als Spieler B. Spieler A ist als stärker als Spieler B. Nun spielen A und B gegeneinander. Die Partie soll ausgewertet werden.
Im August 1873 hat der tschechischen Schachmeister Oskar Gelbfuhs (*9. November 1852 in Sternberg, CSSR; † 27. September 1877 in Tesin, CSSR) dieses System entwickelt. 1882 haben William Sonneborn (*1843, † 1906) und Johann Berger (*1845 in Graz, †1933, starker Schachspieler, Theoretiker und Problemkomponist) das System bei einem Turnier in Liverpool erstmals ausprobiert und 1886 in die Praxis eingeführt.
Um die SB-Zahl zu ermitteln erhält der Spieler die volle Punktzahl von allen Gegnern, gegen die er gewonnen hat sowie die halbe Punktzahl von allen Gegnern, gegen die er remisiert hat. Die Summe dieser Punktzahlen ist die SB-Zahl.
Beispiel: Am Ende eines Rundenturniers ergebe sich folgende Ergebnismatrix ("r" = Remis, "1" = Sieg, "0" = Niederlage):
Spieler A - r r 1 1 1 1 5
B r - r r 1 r 1 3,5
C r r - r r 1 1 3
D 0 r r - 1 1 1 3
E 0 0 r 0 - 1 1 2
F 0 r 0 0 0 - 1 1
G 0 0 0 0 0 0 - 0
Spieler C erhält folgende SB-Punkte:
Dieses Verfahren gewichtet einen Punktgewinn gegen einen Gegner, der hoch in der Tabelle steht, höher als einen Gegner, der weiter unten steht. Ein Sieg gegen einen starken Gegner zählt mehr als ein Sieg gegen einen schwachen. So sind im Beispiel die Siege gegen G im SB-Sinne wertlos, weil G nur 0 Punkte hat. Dagegen bringt das Remis von C gegen den Tabellenersten A einen hohen SB-Zuwachs.
Dabei "gewinnt" die Mannschaft, bei der ein Spieler an einem höheren Brett gewonnen hat.
Als Beispiel spiele Mannschaft M1 gegen Mannschaft M2. Die Einzelergebnisse sehen so aus:
Bewertung von Schachspielern
Um die Spielstärke von Schachspielern - im wesentlichen von Vereinsspielern - vergleichbar zu machen ordnet man den Spielern Wertungszahlen zu. Diese Wertungszahlen werden nach jedem Wettkampf oder Wertungsturnier neu ermittelt. In Deutschland gab es früher die Ingo-Wertung, die von der DWZ-Wertung abgelöst wurde. International wird starken Spielern eine Elo-Zahl zugeordnet.Ingo-Zahlen
Der Erfinder der Ingo-Zahlen ist Anton Hößlinger (* 11. Januar 1895, † 1959). Er entwickelte das Verfahren und gab ihm den Namen nach seinem Geburtsort Ingolstadt. Ab 1974 wurde dieses System in West-Deutschland angewendet bis es 1991/92 durch die DWZ-Wertung abgelöst wurde.NWZ-Zahlen in der DDR
Analog dem Ingo-System gab es in der DDR die Nationale Wertungs-Zahl NWZ. Diese wurde 1991/92 - zusammen mit der Ingo-Zahl - durch die DWZ abgelöst.DWZ-Zahlen
Im Spieljahr 1991/92 wurde die DWZ-Wertung (DWZ = Deutsche WertungsZahl) eingeführt, um auch die Spieler der ehemaligen DDR zu bewerten. Damit löste man das Ingo-System und das vorher in der DDR-gebräuchliche Wertungssystem NWZ ab. Die DWZ-Wertung wird noch heute in Deutschland angewandt.Elo-Zahlen
Der Erfinder dieses Systems ist Arpad Elo, wobei die mathematischen Hintergründe denen des Ingo-Systems ähneln.Sinn der Wertungszahlen
Häufig wird ein Fremder in einem Schachclub so begrüßt: "Spielen Sie im Verein? Wie lautet Ihre Wertungszahl?" Anhand der Wertungszahl kann man recht genau die Spielstärke dieses Schachspielers einschätzen ("Der könnte an Brett 4 in unserer 2.Mannschaft spielen.").Beispiel
Ein vereinfachendes Beispiel soll das Prinzip für die DWZ-Wertung erläutern (für andere Wertungen gilt dieses Beispiel im Prinzip genauso).
Um welchen Betrag sich eine DWZ ändert hängt stark von der DWZ-Differenz der Spieler A und B ab.negative Auswüchse
Es gibt - hoffentlich nur wenige - Spieler, deren vorrangiges Ziel es ist, eine möglichst hohe Wertungszahl zu erlangen. Verschlechterungen fürchten sie. Da kommt es vor, dass sich ein solcher Spieler weigert, gegen einen wesentlich schwächeren Gegner anzutreten, weil bei einem Remis oder gar einer Niederlage die Reduzierung sehr hoch ist.Beziehung zwischen den Wertungszahlen
Man kann Näherungsformeln für die Umrechnungen angeben.Wertung nach Sonneborn-Berger
Diese so genannte SB-Wertung wird bei Rundenturnieren "Jeder gegen jeden" benötigt, wenn am Ende 2 oder mehrere Spieler punktgleich sind. Dann wird für jeden dieser Spieler die SB-Zahl ermittelt. Der Spieler mit einer höheren SB-Zahl erhält den besseren Tabellenplatz. Somit entspricht die SB-Zahl in etwa der Tordifferenz beim Fussball. A B C D E F G Punkte
Spieler C und D sind punktgleich mit 3 Punkten. Hier muss die SB-Wertung entscheiden. Remis gegen A: 2,5 Punkte (Hälfte von 5 Punkten von A)
Remis gegen B: 1,75 Punkte
Remis gegen D: 1,5 Punkte
Sieg gegen F: 1 Punkt (alle Punkte von F)
Sieg gegen G: 0 Punkte Summe = SB-Zahl = 6,75
Spieler D erhält folgende SB-Punkte:
Verlust gegen A: 0 Punkte
Remis gegen B: 1,75 Punkte
Remis gegen C: 1,5 Punkte
Sieg gegen E: 2 Punkte
Sieg gegen F: 1 Punkt
Sieg gegen G: 0 Punkte Summe = SB-Zahl = 6,25
Somit hat C die höhere SB-Zahl und steht daher in der Tabelle vor D.Buchholz-Wertung
Die Buchholz-Wertung - erfunden 1932 von dem Magdeburger Bruno Buchholz - ähnelt der Wertung nach Sonneborn-Berger und wird bei Turnieren nach Schweizer System angewandt. Auch hier entscheidet die höhere Buchholz-Zahl über die bessere Platzierung.Berliner Wertung
Die Berliner Wertung wird bei Bedarf bei Mannschaftkämpfen angewandt. Endet ein Mannschaftskampf remis und soll aber gleichzeitig doch eine Entscheidung herbeigeführt werden, dann wendet man oft die Berliner Wertung an - wieder analog der Tordifferenz beim Fussball. Brett 1: remis
Brett 2: 1:0
Brett 3: 0:1
Brett 4: remis
Der Mannschaftskampf endet also 2:2. Nach der Berliner Wertung "gewinnt" die Mannschaft M1, weil der Mitspieler von M1 an Brett 2 gewonnen hat, der Spieler vom M2 hat dagegen nur an Brett 3 und damit an einem niedrigeren Brett gewonnen.Weblinks