Wendehals (Vogel)
Wendehals | ||||||||||||||
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Wendehals (Jynx torquilla) | ||||||||||||||
Systematik | ||||||||||||||
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Die Nominatform (J. t. torquilla) ist insgesamt sehr gut bestimmbar, obwohl der Vogel eher an eine kleine Drossel erinnert als an einen Specht. Die Größe liegt mit etwa 17 Zentimetern deutlich unter der einer Singdrossel, das Gewicht beträgt bis zu 50 Gramm. Der Vogel hat ein rindenfarbenes, graubraunes Erscheinungsbild ohne deutliche Feldkennzeichen, kurze Beine und einen grauen, ebenfalls recht kurzen, spitzen Schnabel sowie einen auffallend langen, graubraunen Schwanz mit drei undeutlich schwarzen Querbinden. Bei gutem Licht sind die pfeilspitzförmige Zeichnung der Unterseite sowie die beige- bzw. im ornithologischen Sprachgebrauch isabellfarbene Kehle erkennbar. Die Geschlechter unterscheiden sich kaum voneinander; auch die Jungvögel sind den Altvögel sehr ähnlich, insgesamt überwiegen bei ihnen allerdings die Brauntöne, die Kehle kann fast weiß sein.
Während der Balz-Brut und Fütterungszeit können Wendehälse sehr auffällig sein. Außerhalb dieser Periode bemerkt man ihre Anwesenheit kaum. Der Gesang ist sehr deutlich und unverwechselbar und besteht aus in der Tonhöhe ansteigenden 'gäh' Elementen, die schnell gereiht zuerst nasal und später gellend 'kje' klingen. Oft singen die Partner, auf einem Pfahl sitzend, im Duett, daneben geben sie bei Brutablösung ein leises Trommeln und Klopfen von sich.
Vor allem Jungvögel, zuweilen aber auch Altvögel setzen einen Zischlaut in Bedrohungssituationen ein, auch schlangenähnliche Bewegungen werden in solchen Situationen simuliert, ein Verhalten, das als Schlangenmimikry bekannt ist.
Der Wendehals ist ein Zugvogel, der jedes Jahr zwischen seinen Brut- und Überwinterungsgebieten wechselt.
Das Brutgebiet der Nominatform umfasst ganz Europa, vom Atlantik bis zum Ural. Im Norden erreicht es den Polarkreis, im Südwesten Mittelspanien; in Großbritannien finden sich die Vögel vor allem in Schottland. Im Süden und Osten kommt es zur Intergradation, das heißt dem gemeinsamen Auftreten der Nominatform mit den dort heimischen Unterarten: J. t. tschusii (kleiner und mehr rötlichbraun ), die von Korsika, Italien über Dalmatien und Teile des Balkans verbreitet ist; J. t. mauretanica (ebenfalls kleiner als Nominatform, heller, mit weißlicher Kehle und Vorderbrust), die in Sardinien, Sizilien, Teilen Nordafrikas und möglicherweise auf den Balearen lebt, sowie J. t. sarudnyi (deutlich blasser als die Nominatform, noch undeutlichere Federzeichnung ), welche im Uralgebiet und dann in einem breiten Streifen durch Südsibirien, Zentralasien inklusive des nordwestlichen Himalajas bis zur Pazifikküste vorkommt. Sie besiedelt außerdem die Insel Sachalin, Japan und die Küstengebiete Südchinas.
Das Überwinterungsgebiet der europäischen Arten liegt südlich der Sahara und zwar in einem breiten Streifen von Senegal, Gambia und Sierra Leone im Westen bis nach Äthiopien im Osten; nach Süden reicht es bis zum Staatsgebiet der Demokratischen Republik Kongo und Kameruns.
Wendehälse besiedeln offene und halboffene klimatisch begünstigte Landschaften mit zumindest einzelnen Bäumen. Geschlossene Wälder werden ebenso gemieden wie baumlose Steppen, Wüsten und Hochgebirge. Vor allem Parklandschaften, Streuobstwiesen, große Gärten sowie Weinbaugebiete, gerne mit Bruchmauerwerk, sind dagegen ideale Habitate dieser Art. Auch lichte Birken-, Kiefern- und Lärchenwälder, seltener sogar Auwälder werden besiedelt. Das Nahrungsangebot sowie Brutmöglichkeiten in Spechthöhlen oder natürlichen Baumhöhlen begrenzen ihr Vorkommen. Allgemein bevorzugen die Vögel Gegenden mit kontinentalem Klima.
Im Überwinterungsgebiet leben Wendehälse u. a. in der südlich der Sahara gelegenen Akaziensavanne, nicht jedoch im tropischen Regenwald.
Im Brutgebiet ist der Wendehals sehr stark auf das Vorkommen bestimmter Ameisenarten angewiesen, Rasen-, Wiesen- und Wegameisen werden bevorzugt, Formica-Arten, wie etwa die Rote Waldameise meist gemieden. Larven und Puppen überwiegen, doch gehören voll ausgebildete Ameisen und auch Geschlechtstiere ebenso zum Nahrungsschema der Art. In sehr geringem Umfang werden noch andere Insekten wie Blattläuse, Schmetterlingsraupen oder Käfer sowie Früchte und Beeren verzehrt.
Die Nahrung wird fast ausschließlich am Boden mit Hilfe der langen, klebrigen Zunge aufgelesen. Zuweilen werden Ameisenbauten mit Schnabelhieben geöffnet. Unverdauliche Nahrungsbestandteile werden in Speiballen abgesetzt.
Der Wendehals ist tagaktiv und oft im Eingang seiner Bruthöhle zu sehen. Der Vogel gehört zu den mäßig schnellen Fliegern, wobei er im Wellental die Flügel anlegt. Er klettert kaum und kann sich nur schlecht mit den nicht steifen Schwanzfedern abstützen. Sehr häufig befindet er sich am Boden, meist hüpfend; dort ist er am ehesten verwechselbar. Die namensgebenden ruckartigen Kopfdrehungen sind nur in Bedrohungssituationen sehr auffällig. In dieser Situation werden bei meist aufrechter Körperhaltung die Kopffedern aufgestellt und der Schwanz gespreizt. Der Kopf wird gedreht und gewendet, auch die Zunge kann vorgeschleudert werden. Der Vogel ist nicht sehr scheu. Während der Brutzeit lebt er paarweise und territorial, sonst, insbesondere im Überwinterungsraum, einzelgängerisch und umherstreifend. Jungvögel sind während der Führungszeit akustisch recht auffällig.
Die Wendehals ist der einzige Langstreckenzieher unter den Spechten. Nur die Inselpopulationen (Korsika, Sardinien, Sizilien) sind zum Teil Standvögel. Der Wegzug in breiter Front erfolgt ab Mitte August. Die Alpen werden meist überflogen, das Mittelmeer wird hingegen bei den so genannten Westziehern eher über Spanien bzw. bei den Ostziehern über den Balkan und die Ägäisinselbrücke umgangen. Zunehmend werden Überwinterungsversuche in Südspanien, dem südgriechischen Festland sowie einigen Inseln festgestellt, die allerdings nicht die Nominatform betreffen. Die regelmäßigen Überwinterungsversuche nordskandinavischer Vögel in Großbritannien dürften mit Windverfrachtungen zusammenhängen. Die Ankunft im Brutgebiet erfolgt meist nicht vor der zweiten März-, häufiger erst in der ersten Aprilwoche.
Als Höhlenbrüter, der sich selbst keine Höhlen schaffen kann, ist der Wendehals auf das Vorhandensein von natürlichen Baumhöhlen oder Spechthöhlen angewiesen. Auch Nistkästen nimmt er an. Oft werden schon besetzte Bruthöhlen okkupiert und die Vorbesitzer samt Eiern oder Jungen entfernt. Unter solchen Überfällen leidet die Art selbst aber auch, vor allem Buntspechte räumen zuweilen Wendehalsbruten radikal aus. Daneben kommen in sehr geringer Zahl auch Niststandorte in Gemäuern oder Höhlen von Uferschwalben oder Eisvögeln vor. Nistmaterial wird meist nicht eingetragen. Wendehälse führen eine Saisonehe, die Bindung erlischt mit dem Flüggewerden der Jungen. Die Gelegegröße ist sehr variabel, liegt meist aber zwischen 6 und 10, in Ausnahmefällen bei bis zu 14 Eiern, aber auch Gelege mit nur einem oder zwei Eiern kommen vor. Bei Verlust des Erstgeleges, oft aber auch bei erfolgreicher Erstbrut, kommen auch Zweitgelege mit meist geringerer Eianzahl vor. Zweitbruten gehören bei weiter südlich lebenden Populationen eher zur Regel. Das Gelege wird von beiden Eltern etwa 14 Tage bebrütet, die Nestlingszeit beträgt im Durchschnitt 18 bis 22 Tage ( in Ausnahmefällen bis zu 27 Tage ), danach werden die Jungen noch an die 14 Tage geführt, bevor sie das Elternrevier verlassen.
Die mitteleuropäischen Wendehalsbestände begannen schon Ende des 19. Jahrhunderts einzubrechen. Dieser negative Trend verstärkte sich ab den 1950er Jahren. In den 1980er Jahren gab es eine kurzfristige Erholung, der aber ein neuerlicher Abschwung folgte, der noch immer anhält. Der mitteleuropäische Gesamtbestand wird auf etwa 50.000 Brutpaare geschätzt. In Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Tschechien und der Schweiz steht der Wendehals auf den Roten Listen; die europaweite Gefährdungsstufe ist mit D (declining, abnehmend) angegeben.
Hauptursachen dieser Entwicklung liegen in landschaftlichen Veränderungen wie Ausräumen der Landschaft, Vernichtung der Streuobstwiesen, Verlust von Trockenrasengebieten u.a., in geänderten landwirtschaftlichen Kulturmethoden wie Vorverlegung von Mähterminen, häufige, oder auch fehlende Mahd, sowie im verstärkten Einsatz von Bioziden. Auch scheinen sich die bevorzugten Beutetiere des Wendehalses als Folge der Überdüngung immer stärker in tiefer liegende Bauten zurückzuziehen, so dass sie für ihn nicht mehr nutzbar sind. Das zunehmend atlantisch werdendere Klima ist für die Art ebenfalls ungünstig, doch gehen die von dieser Klimaentwicklung kaum betroffenen Bestände in Süd- und Südosteuropa ebenfalls drastisch zurück. Unfälle im Straßenverkehr und zunehmend an Glasflächen von Gebäuden tragen ebenfalls zum anhaltenden Rückgang dieser Art bei.
Der Wendehals mit seinen arttypischen Kopfbewegungen stand bei der Bezeichnung ehemaliger Bürger der DDR Pate, die ihre politische Ausrichtung von den jeweils vorherrschenden Machtverhältnissen abhängig gemacht hatten. Heute wird der Begriff Wendehals daher auch auf Opportunisten angewandt.
In der griechischen Mythologie ist der Wendehals der rituelle Vogel der Mondgöttin.
Aussehen
Stimme
Verbreitung
Lebensraum
Nahrung und Nahrungserwerb
Verhalten und Zugverhalten
Fortpflanzung und Brut
Bestandstrends in Mitteleuropa und Bedrohung
Sonstiges
Literatur
Beurteilung:
Exzellenter Artikel