Wahrnehmung
In der (kognitiven) Psychologie und in der Physiologie bezeichnet Wahrnehmung die Summe der Schritte Aufnahme, Interpretation, Auswahl und Organisation von sensorischen Informationen – und zwar nur jener Informationen, die zum Zwecke der Adaption des Wahrnehmenden an die Umwelt oder ihrer Modifikation aufgenommen werden. Gemäß dieser Definition sind also nicht alle Sinnesreize Wahrnehmungen, sondern nur genau jene, welche geistig auch verarbeitet werden.Im engeren, biologischen Sinne ist die Wahrnehmung eine Funktion, die einem Organismus mit Hilfe seiner Sinnesorgane ermöglicht, Informationen (Reize) über die Sinne aufzunehmen und zu verarbeiten.
Die angewandten Methodiken zur Untersuchung der Wahrnehmung und die dabei gewonnenen Rückschlüsse variieren stark, je nach Aufgabe und Ausrichtung des Fachgebietes; so gibt es Ansätze zur Erklärung der Wahrnehmung vom biologischen, physiologischen und psychologischen Standpunkt bis hin zu den oftmals abstrakten „Gedankenexperimenten“ der Geistesphilosophie.
Auch in der Informatik wird versucht, die Fähigkeit der Wahrnehmung mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz und Mustererkennung zu schematisieren und auf automatische Systeme zu übertragen.
Die Untersuchung und Analyse des komplexen Prozesses der Wahrnehmung kann prinzipiell von zwei Seiten aus angegangen werden: Die Betrachtung von „unten nach oben“ (Bottom-up) untersucht den Weg eines Reizes von seiner Aufnahme durch die verschiedenen Sinnesrezeptoren über die Verarbeitung bis hin zu einer bewussten Wahrnehmung. Im Umkehrschluss versucht die Untersuchung „von oben nach unten“ (Top-down) aus einer bestimmten Wahrnehmung Rückschlüsse auf die erhaltenen Sinnesreize und ihre Verarbeitung zu erzielen.
Die so extrahierten Wahrnehmungsobjekte werden dann mit Erinnerungen und Erlerntem verglichen, so dass eine Identifikation des Wahrgenommenen möglich ist. Aufgrund der Kombination der verschiedenen Reize wird das Kaminfeuer erkannt und als solches eingestuft. Fehlt ein Erkennungsmerkmal für ein bestimmtes Objekt, ist das Kaminfeuer beispielsweise nicht warm oder knistert es nicht, kann die Wahrnehmung diesen Fehler feststellen und aufzeigen. Der Mensch hat durch seine Intelligenz eine sehr ausgeprägte Verifikation seiner Wahrnehmung, Tiere hingegen lassen sich leichter täuschen. Aber auch die menschliche Wahrnehmung kann in irregeführt werden, bekannte Beispiele dafür sind die optischen Täuschungen.
Die hier beschriebene "bottom-up"-Betrachtung der Reizverarbeitung ist dabei nicht frei von subjektiven Einflüssen, im Gegenteil, es lässt sich leicht nachweisen, dass vom Gehirn, als zentrale Verarbeitungsebene, starker Einfluss auf den Prozess der Wahrnehmung genommen wird. Unsere Erwartungen, Wünsche oder Erfahrungen beeinflussen, was wir wahrnehmen und wie wir etwas wahrnehmen. Die Veridikalität ist trotzdem gegeben, da diese Beeinflussungen von oben nach unten ("top-down") die Wahrnehmung zwar verändern, aber meist innerhalb eines nachvollziehbaren Spektrums. So kann ein Kaminfeuer als angenehm und wärmend oder auch als bedrohlich und zu heiß wahrgenommen werden. Hingegen wird es normalerweise, trotz der Beeinflussung des Wahrnehmungsprozesses, nicht als kalt oder dunkel empfunden werden.
Wenn ein eklatanter Widerspruch zwischen Reiz und Wahrnehmung existiert, spricht man in bestimmten Fällen von einer „gestörten Wahrnehmung“, deren Ursache von der Psychologie erforscht wird.
Das menschliche Gehirn verabeitet visuelle Eindrücke in drei Phasen: der Globalauswertung, der Detailauswertung und der elaborativen Auswertung.
Beim ersten Blick (Globalauswertung) auf ein Bild bzw. auf seine Umwelt nimmt der Betrachter in der Regel noch keine Details wahr, sondern gelangt zunächst einmal zu einem Gesamteindruck. Dabei kategorisiert er die visuelle Information sofort (zum Beispiel Landschaft, Mensch, Tier, etc.) und ordnet sie einem Schema aus seinem Erfahrungsschatz zu, das er zum weiteren Verständnis benutzen wird. So erfolgt beispielsweise die Auswertung von Zeichnungen oder Texten mit vollständigen anderen Mitteln als zum Beispiel die Auswertung von „normalen“ dreidimensionalen visuellen Informationen. Der Wahrnehmende sieht also sprichwörtlich zuerst einen Wald und noch nicht einzelne Bäume.
Nachdem der Betrachter sich einen Gesamteindruck verschafft hat, macht er Blicksprünge über das Bild, bei denen er jeweils bestimmte Bereiche fixiert – die Detailauswertung. Hierbei werden die visuellen Informationen kategorisiert und geistig geordnet. Diese Saccadensprünge folgen zunächst der konventionellen Leserichtung, also im westlichen Raum von links nach rechts und von oben nach unten. Nach dieser Grobabtastung springt das Auge automatisch auf Bildbereiche, die Interesse des Gehirns geweckt haben. Das sind vor allen Dingen solche Bildbereiche, die außergewöhnlich gestaltet sind und sich vom Gesamtbild optisch stark abheben. Der stärkste Kontrast, der somit auch höchste Aufmerksamkeit in der Wahrnehmung erhält, ist der Hell-Dunkel Kontrast, direkt gefolgt vom Figurengrundgesetz (siehe auch Kontraste).
Erst jetzt folgt der Schritt der eloborativen Auswertung, in welchem der Betrachter sich innerlich fragt, warum er die vorhandene visuelle Information konkret auswertet, also die Zielorientierung. Der Wahrnehmende aktiviert jetzt ein Modell zur Übersetzung der visuellen Information in ein mentales Modell, welches für seine reale Problematik und die zu lösende Aufgabe geeignet scheint, und betrachtet dann nur noch jene Details, die zur Bildung des mentalen Modells benötigt werden. Unwichtige Details werden in diesem Vorgang vom Gehirn ausgeblendet und im mentalen Modell nicht berücksichtig und nicht wirklich vom Bewusstsein wahrgenommen. Fehler bei der Entscheidung, welche Details zu berücksichtigen sind und welche nicht, sind bei diesem Prozess üblich und können nur durch Erfahrung minimiert werden. Eine Beschreibung des mentalen Modells findet sich im pyscholoigischen Ansatz.
Folgendes zeigt einen möglichen, sehr verkürzt dargestellten, Ansatz, wie der letzte Schritt der Wahrnehmung, also die Umsetzung des Reizes in einen Zusammenhang, psychologisch erklärt werden kann:
Zum Wahrnehmen und Verstehen von komplexen Vorgängen werden so genannte mentale Modelle vom Wahrnehmenden geschaffen. Darunter versteht man unter Anderem logische Verknüpfungen, kurze Bilder und Filme aus Erinnerungen und Erfahrungen, die vor dem geistigen Auge des Wahrnehmenden aufgebaut werden, um so eine Repräsentation der für die Realität relevanten Aspekte und ihrer dynamischen Wechselwirkungen im Gehirn zu schaffen. Die Wahrnehmung variiert dabei durch die individuellen Gedächtnisinhalte, Stimmungen und Denkprozesse des Wahrnehmenden, die zum Aufbau des mentalen Modells benutzt werden – daraus resultiert, dass jedes Wesen eine eigene Wahrnehmung hat. Diese Modelle werden benötigt um Informationen, die neu aufgenommen werden sollen, überhaupt erst in einen Kontext einzuordnen zu können und somit verstehen und bewerten zu können. Mit der Neuaufnahme von Informationen und Eindrücken werden dann die Möglichkeiten zur Abbildung der Realität in ein mentales Modell für zukünftige Wahrnehmungen konstant erweitert, es tritt also ein Lerneffekt ein.
Dabei sind nicht nur die Komponenten des mentalen Modells bei jedem Menschen unterschiedlich, sondern auch ihre Gewichtung zueinander. Während einige Menschen eher bildhaft denken, orientieren sich andere eher an anderen Sinneseindrücken und Erfahrungen, wie beispielsweise Schmerz oder Glück. Daher ist es schwierig den Wahrnehmungsprozess allgemeingültig zu beschreiben, da er von Mensch zu Mensch grundlegend verschieden sein kann; so haben auch zum Beispiel viele psychische Krankheiten ihre Ursachen in einer krankhaft gestörten Wahrnehmung.
Unter den Organisationsprinzipien der Wahrnehmung versteht man bestimmte Gesetzmäßigkeiten und Erfahrungswerte, nach denen der Strukturierungsprozess der Wahrnehmung die aufgenommen Reize klassifiziert. Die Organisationsprinzipien lassen sich besonders einfach dort nachweisen, wo der physikalische (objektiv gegebene) und der phänomenale (empfundene, wahrgenommene) Sachverhalt nicht übereinstimmen.
Durch diese Prinzipien wird deutlich, dass sowohl die Wahrnehmung als auch ihre stete Adaption an sich ändernde Reizverhältnisse beim Menschen nicht durch Abbildung, sondern durch einen konstruktiven, kognitiven Verarbeitungsprozess stattfindet.
Objekte werden immer im Kontext mit ihrer Umgebung wahrgenommen. So erscheint in der Beispielgrafik der rechte blaue Ball größer als der linke, obwohl ihre Größe identisch ist.
Der Kontext kann dabei nicht nur die Größenwahrnehmung, sondern auch die Bedeutung oder Funktion des Wahrgenommen verändern. Die Kontextabhängigkeit wird deutlich, wenn ein Objekt aus seinem gewohnten Kontext herausgelöst wird und in einen atypischen Kontext gesetzt wird. Ein Schiff im Wasser ist etwas Alltägliches, ein Schiff auf einer Wiese hingegen würde sofort unsere Wahrnehmung auf sich ziehen – ein Effekt, den die Werbung gerne für sich nutzt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Dabei gilt die Kontextabhängigkeit nicht nur für die optische Wahrnehmung. Studien haben gezeigt, dass auch bei der Wahrnehmung von Konsonanz bzw. Dissonanzen in der Musik eine Abhängigkeit zum Musikstück, dem Ort, dem Interpreten, usw. besteht.
Eine ganzheitlich-phänomenologische Auffassung der Wahrnehmung, die zu den hier dargestellten Thesen teilweise eine kritische Gegenposition einnimmt, hat die Gestaltpsychologie bzw. Gestalttheorie entwickelt, die in letzter Zeit in der Wahrnehmungsforschung und Gehirnforschung wieder verstärkt aufgegriffen wird. Viele Gesetzmäßigkeiten, die in der Gestalttheorie beschrieben werden, sind allerdings auch in der allgemeinen, klassischen Psychologie akzeptiert, nur ihre Deutung unterscheidet sich partiell.
Der Wahrnehmungsprozess
Wie Wahrnehmungen verarbeitet werden (Allgemein)
einen beliebigen Gegenstand in seiner Umwelt wahrnehmen können, müssen von diesem zunächst Reize ausgehen, die mit den Sinnesorganen erfasst werden können. So gehen beispielsweise von einem Kaminfeuer "distale Reize wie Licht und Wärme, das Knistern des Holzes und der Geruch nach Rauch aus. Diese distalen Reize regen nun eine physikalische Wirkung in unseren Sinnesrezeptoren an, zum Beispiel das Licht bei den Stäbchen und Zapfen im Auge. Dieser so genannte proximale Reiz wird nun über mehrere Stufen analysiert, strukturiert und in einen Zusammenhang gebracht. Erst diese sukzessive Verarbeitung ist es, die eine Wahrnehmung ermöglicht, die aus einem Reiz ein Perzept, eine Erfahrung macht. Dabei folgt dieser Prozess verschiedenen Gesetzen, wobei hier die wissenschaftlichen Erklärungen, nach welchen Kriterien und wie genau diese Strukturierung erfolgt, teilweise sehr unterschiedlich sind.
Der Prozess der Wahrnehmung eines Objektes führt schließlich zu einer mentalen Repräsentation des Objekts und seiner räumlichen Umgebung, bei anderen Sinnen teilweise nur zu einem unbestimmten Gefühl wie Hunger, Schmerz oder auch Angst. Die Wahrnehmung ist dabei im Allgemeinen veridikal, das bedeutet, dass zwischen einem Reiz und seiner Repräsentation im Gehirn ein kausaler, nachvollziehbarer Zusammenhang besteht. Das Kaminfeuer wird als leuchtend empfunden, weil es viele Licht-Reize ausgesendet hat, als warm, weil wir eine hohe Temperatur spüren. Der kognitive, visuelle Wahrnehmungsprozess
Wahrnehmung über das Mentale Modell (Psychologischer Ansatz)
Organisationsprinzipien der Wahrnehmung
Gruppierungs- und Gestaltungsgesetze
(In arbeit)Gesetze zur Selektion und Kognition
Kontextabhängigkeit
Einfluss der Erfahrung
Müssen sich widersprechende Informationen verarbeitet werden, bevorzugt das Gehirn die wahrscheinlichste Interpretation durch Vergleich mit bereits abgespeicherten (erlernten) Erfahrungen.Filtereffekte
Die Sinnesorgane nehmen nur einen Teil der möglichen Reize auf. Bei der Weiterverarbeitung werden diese Informationen in kleinere Einheiten zerlegt, getrennt verarbeitet (verstärkt, abgeschwächt, bewertet) und in verschiedenen Gehirnarealen wieder zusammengeführt.Bewertung
Jeder Sinneseindruck wird auch mit einem Gefühl (Angst, Freude, Hunger etc.) verknüpft. Hauptsächlich die Aufmerksamkeit bestimmt die Auslese aus dem Sinnesmaterial.Konstanzphänomene
(fehlt noch)Reize und ihre Wirkung
Einteilung der Reize
Alternative Auffassung
Siehe auch
Reiz | Psychologie | Allgemeine Psychologie