Wahhabiten
Die Wahhabiten sind eine fundamentalistische Richtung des Islam, welche die strenge Einfachheit des Lebens verlangt, die Heiligenverehrung ablehnt und die Wirksamkeit fremder Fürbitte bei Allah bestreitet. Die Bezeichnung Wahhabiten leitet sich vom Gründer dieser Richtung, Muhammad ibn Abd al-Wahhab, ab; ihre Anhänger selbst bezeichnen sich als muwahhidun (vergleiche auch: Almohaden mit derselben Eigenbezeichnung), also «Bekenner der Einheit Gottes».
Table of contents |
2 Lehre 3 Geschichtliche Entwicklung 4 Wahhabiten heute 5 Wahhabiten in Saudi Arabien heute 6 Siehe auch 7 Weblink |
Ursprung
Der Begründer Muhammad ibn Abd al-Wahhab (* 1699 oder 1703, gestorben 1792) stammte aus der Oasenstadt Uyaina im Nadschd (Zentralarabien).
Nach dem Studium an den theologischen Hochschulen in Mekka und Baghdad, kam er zu der Schlussfolgerung, dass sich der Islam in all seinen Richtungen weit von dem «reinen» Ursprung entfernt habe; die damaligen Muslime betrieben seiner Auffassung nach Vielgötterei und verehrten materielle Objekte (z.B. Heiligengräber).
Er entwickelte seine Vorstellungen im kitab at-tauhid (Arabisch «Buch der Einheit (Gottes)»), und predigte eine Rückkehr zu den Werten und der Lebensweise des Religionsstifters Mohammed.
Lehre
Wahhabbiten betrachten sich als die einzig wahren Muslime.
Sie lehnen alle anderen Richtungen des Islam, insbesondere den Sufismus und die Schia, ab.
Geschichtliche Entwicklung
Die Vorstellungen Ibn Abd al-Wahhabs fanden keine Resonanz bei den sunnitischen Gelehrten seiner Zeit. Es folgte die Verbannung in seine Heimatstadt. Dort ergab sich ein religiös-politisches Bündnis zwischen Ibn Abd al-Wahhab und Muhammad ibn Saud, einem aufstrebenden Fürsten in Zenralarabien und Gründer der Dynastie der Saud, aus dessen Fürstentum letztendlich der Staat Saudi-Arabien hervorgehen sollte.
Diese nominell unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stehenden Beduinen begannen einen beispiellosen Eroberungsfeldzug, der neben der machtpolitischen auch eine missionierende Komponente hatte: Alle eroberten Stämme wurden vor die Wahl gestellt, sich der Bewegung Ibn Abd al-Wahhabs anzuschließen, oder sofort umgebracht zu werden.
Die Bewegung verzeichnete bedeutende Erfolge, bis sie mit dem Osmanischen Reich in Konflikt geriet.
Erste Rückschläge - Begegnungen mit europäischen Kolonialmächten - Erster Weltkrieg
Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg entstanden bei Vereinbarungen zwischen dem Völkerbund, dem Vereinigten Königreich und Frankreich im Nahen Osten die heute bestehenden Staaten.
Die beabsichtigte Aufspaltung der Arabischen Halbinsel in einen Teil im Osten und einen im Westen (Transjordanien, unter dem Haschemitischen Königshaus) wurde durch die militärischen Erfolge der al Saud Dynastie zunichte gemacht. Mit der Eroberung von Mekka und Medina entstand mit Saudi-Arabien ein dominanter Staat, der durch die bedeutenden Reserven an Erdöl gleichzeitig politisch und wirtschaftlich bedeutsam wurde. Diese Entwicklung schloss die politische Konsolidierung der Wahhabiten ab.
Wahhabiten heute
Viele islamistische Organisationen, sowohl in islamisch dominierten Ländern, als auch in Europa und Amerika, haben Verbindungen zum Wahhabitismus oder stehen ihm nahe.
Trotz des puritanischen Alleinvertretungsanspruchs der Wahhabiten unterstützen sie aus taktischen Überlegungen andere fundamentalistische Strömungen des Islam.
Zu nennen ist die der Salafiya nahestehende Muslimbruderschaft in Ägypten, die von Saudi-Arabien als Gegengewicht zum säkularen Staat Nassers begünstigt wurde. Aus ihr ging später unter anderem die Palästinenserorganisation Hamas als Nachfolgegruppierung des in den 40er Jahren entstandenen palästinensischen Ablegers hervor, der ebenfalls enge Kontakte zur saudischen Theokratie nachgesagt werden.
Die Taliban waren bislang die bekannteste Wahhabitische Organisation außerhalb Saudi-Arabiens. Die Terrororganisation Al-Qaida leitet sich von dieser Richtung des Islam ab.
Die Bezeichnung Wahhabiten wird in Russland, besonders auf dem Kaukasus, für islamische Fundamentalisten gebraucht, die - häufig aus dem arabischen Ausland kommend - einen von lokalen Bräuchen gereinigten Islam predigen. In der Zeit der Zerstörung und Orientierungslosigkeit nach dem Ersten Tschetschenienkrieg 1994-1996 gelang es ihnen, viele - besonders junge - Leute in Dagestan und Tschetschenien für sich zu gewinnen. Einige tschetschenische Rebellenführer schlossen sich den Wahhabiten an. Im Konflikt zwischen Aslan Maschadow und Achmad Kadyrow ging es nicht zuletzt darum, wie man den Wahhabiten begegnen sollte. Mit der saudi-arabischen Staatsreligion haben diese so genannten Wahhabiten oft wenig zu tun.
Wahhabiten in Saudi Arabien heute
In Saudi-Arabien ist der Wahhabitismus heute Staatsreligion. Das Konvertieren zu anderen Richtungen des Islam ist verboten. Gleichzeitig fördert der saudi-arabische Staat wahhabitische Organisationen in allen Teilen der Welt.
Als Hochburg der Wahhabiten im heutigen Saudi-Arabien darf Riad genannt werden. Insbesondere in den südlichen Altbaustadtvierteln, das von armen Einwanderern aus Pakistan und Afghanistan dominert wird, ist der Einfluß groß.
Ein besonderer Auswuchs der saudischen Wahhabiten ist die Religionspolizei, die Mutawas. Mutawas sind, neben der regulären Polizei, Wächter, die die Einhaltung sittlicher Normen in der Öffentlichkeit kontrollieren sollen. Ungewöhnlich ist ferner, dass während des Freitaggebetes die Predigt auf sehr laut gestellt wird, so dass das gesamte Umfeld der Moschee beschallt wird. Dabei ist antiwestliche Propaganda nicht selten.
Wie in vielen anderen arabischen Ländern obliegt die Justiz den Religionsgelehrten, d.h. den Wahhabiten. Immer wieder wird von einem möglichen Staatsstreich gesprochen, den die Wahhabiten gegen das saudische Königshaus durchführen könnten.