Versuch (Rechtswissenschaft)
Der Versuch bezeichnet im Strafrecht die nicht vollendete Straftat. Der Hauptfall des Versuchs ist der nicht eingetretene Erfolg der Tat: Der Täter will sein Opfer töten, verletzt es aber nur. Versuch liegt aber auch dann vor, wenn der Erfolg zwar eingetreten ist, aber nicht "durch" den Täter herbeigeführt wurde oder ihm nicht zuzurechnen ist: Bevor das beigebrachte Gift zu wirken beginnt, wird das Opfer von einem anderen erschossen. Während also der subjektive Tatbestand bei der versuchten Tat vollständig vorliegt (der Täter will das Opfer töten), weist der dem entsprechende objektive Tatbestand einen Mangel auf (das Opfer stirbt nicht durch das Gift).Der Versuch ist bei Verbrechen stets, bei Vergehen nur dann strafbar, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet wird. Warum das Gesetz auch eine nur versuchte Tat bestraft, ist in der Wissenschaft umstritten. Es wird abgestellt auf die Betätigung eines rechtsfeindlichen Willens, die Erschütterung des Vertrauens in die Rechtsordnung oder auf eine Gefährdung des Opfers.
Der Versuch setzt subjektiv einen bestimmt gefassten Tatentschluss und objektiv ein unmittelbares Ansetzen zur Tat voraus. Im Eingangsfall wollte der Täter das Opfer töten (Tatentschluss) und hat auf es geschossen (unmittelbares Ansetzen). Das unmittelbare Ansetzen steht daher für die objektive Seite der Straftat. Durch das subjektive Erfordernis des Tatentschlusses wird übrigens die Versuchsstrafbarkeit beim Fahrlässigkeitsdelikt ausgeschieden, bei dem es einen Tat-"Entschluss" begrifflich nicht geben kann.
Tatentschluss liegt vor, wenn der Täter den Vorsatz für die Tat gefasst hat und eventuell weitere subjektive Tatbestandsmerkmale in seiner Person verwirklicht. Beim Habgiermord muss der Täter folglich Vorsatz für die Tötung und das Merkmal der Habgier aufweisen. Schwieriger ist die Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens zur Tat. Dieses Merkmal liegt jedenfalls dann vor, wenn der Täter mit der tatsbestandlichen Handlung beginnt. Beispielsweise liegt das Ansetzen zur Tötung unzweifelhaft vor, wenn der Täter das Opfer bereits verletzt hat. Schwierig wird die Einordnung, wenn die Handlung noch dem Vorfeld der eigentlichen Tatbestandshandlung angehört: Der Räuber klingelt an der Tür und will sofort nach dem Öffnen der Tür losschlagen. Entscheidend ist nach der herrschenden Ansicht, dass der Täter aus seiner Sicht eine Handlung vornimmt, die ohne wesentliche weitere Zwischenschritte unmittelbar in den tatbestandlichen Geschehensablauf einmündet und dabei die Vorstellung hat, dass die Tat begonnen habe. Im vorigen Beispiel hängt der Beginn des eigentlichen Raubs nur noch vom Öffnen der Tür ab, was aber aus der Sicht des Täters das Opfer tun wird. Aus der Sicht des Räubers hat die Tat deshalb bereits mit dem Klingeln begonnen, da er aus seiner Sicht alles getan hat und die Tat nur noch vom Opfer (Türe öffnen) abhängt.
Der Versuch kann gemäß § 23 Abs 2 StGB milder bestraft werden als die Tat. Der Versuch ist teilnahmefähig, da er eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat ist. Wer einem anderen folglich bei der Begehung eines Mordes hilft, ist wegen Beihilfe strafbar, auch wenn die Haupttat nicht über das Versuchsstadium hinausgelangt.
Der Versuchstäter kann sich aber durch einen "Rücktritt" von der Versuchsstrafbarkeit befreien. Der Rücktritt beseitigt das Handlungsunrecht der Tat, da der Täter eine honorierbare Umkehrleistung vornimmt: Der Täter lässt vom Opfer ab oder holt ärztliche Hilfe. Beim Unterlassungsdelikt ist erforderlich, dass der Täter rechtzeitig die gebotene Handlung vornimmt. Nach der Rechtsprechung ist erforderlich, dass der Täter die Tat insgesamt und vollständig aufgibt. Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Rücktritt ist zu unterscheiden, ob der Täter allein (§ 24 Abs. 1 StGB) oder zusammen mit anderen (§ 24 Abs. 2 StGB) gehandelt hat. Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Täter nicht freiwillig handelt oder wenn die Tat aus seiner Sicht gescheitert ist. Der Rücktritt ist ferner ausgeschlossen, wenn der Erfolg trotz aller Rücktrittbemühungen eintritt, da dann auch der Erfolgsunwert der Tat vorliegt. Stirbt also das Opfer doch noch im Krankenhaus, ist der Täter dennoch wegen eines vollendeten Tötungsdelikts strafbar.