Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
Ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) ist die Rechtsform einer Versicherungsgesellschaft. In Gegensatz zu einem als Aktiengesellschaft geführten Versicherungsunternehmen hat der VVaG keine Aktionäre. Vielmehr sind die Versicherungsnehmer in der Regel Mitglieder und damit Träger des VVaG.
Der VVaG ist eine besondere Rechtsform für Versicherungsunternehmen. Im Gegensatz zu anderen Rechtsformen wie die Aktiengesellschaft, die im Aktiengesetz geregelt ist und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die im GmbH-Gesetz geregelt ist, gibt es für die Rechtsform des VVaG kein eigenes Gesetz. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den VVaG ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), §§ 15 - 53b geregelt.
Da ein VVaG keine Anteilseigner hat, an die Dividenden ausgeschüttet werden müssen, stehen die Überschüsse für die Versicherungsnehmer zur Verfügung. Im Idealfall kann der VVaG daher den einzelnen Tarifen höhere Überschüsse zuweisen und somit höhrer Rendite bzw. günstigere Versicherungsprämien anbieten, als Versicherer in anderen Rechtsformen.
Der VVaG ist getragen von den Bedürfnissen seiner Mitglieder. Das sichert ihm Marktnähe und Innovationskraft. Ähnlich dem Entscheidungsgremium der Hauptversammlung für die Aktionäre einer Aktiengesellschaft hat der Versicherungsverein für seine Mitglieder als oberstes Organ die Mitgliedervertreterversammlung, teilweise auch Hauptversammlung genannt.
In der Sparte Schaden/Unfall beträgt der Marktanteil 28 %, in der Sparte Leben 23 % und in der Krankenversicherung sind die VVaG mit 52 % Marktanteil den Aktiengesellschaften sogar eindeutig voraus. In der Sparte Schaden/Unfall verbuchten die VVaG einen über dem Durchschnitt liegenden Beitragszuwachs von 0,6 %, in den Bereichen Leben gar 9,4 % und in der Sparte Kranken 3,0 %. Die durchschnittliche Verzinsung der Kapitalanlage in 1999 von über 179 Mrd. Euro betrug 7,4 %. Die VVaG in Deutschland haben 1999 mehr als 72.000 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Marktbedeutung der VVaG äußert sich auch in ihrem wirtschaftlichen Erfolg. Wirtschaftlicher Erfolg lässt sich in Kennzahlen messen. VVaG haben im Vergleich zu Aktiengesellschaften höhere Zuwachsraten bei den Versicherungsverträgen, sind in Sparten mit niedrigerem Risiko tätig, weisen geringere Kostensätze aus und erwirtschaften mehr Gewinn. Die Bilanzen der VVaG, gemessen an der Bilanzsumme, haben höhere Zuwachsraten, weisen mehr sichtbares Eigenkapital aus, beinhalten mehr stille Reserven und bedecken im Übrigen mehr Solvabilität. VVaG verwenden ihren Bruttoüberschuss vor Steuern mit 28 % für das Eigenkapital, während Aktiengesellschaften hierfür nur 10 % verwenden. Der wirtschaftliche Erfolg der VVaG bedeutet eine der wesentlichen Stärken seiner Rechtsform und begründet seine außerordentliche Bedeutung für den Versicherungsmarkt.
Im internationalen Wettbewerb erweist sich die Rechtsform des VVaG jedoch immer mehr als Hemmschuh, weshalb entsprechend ambitionierte VVaG Umwandlungen oder Holdingstrukturen anstreben.
VVaG haben nachweislich höhere Zuwachsraten, geringere Kosten und höheren Gewinn als Aktiengesellschaften. Ihre Bilanzen zeigen mehr sichtbares Eigenkapital, beinhalten mehr stille Reserven und bilden eine bessere Solvabilität ab. Dies gilt nach einer Studie des Versicherungsexperten Professor Farny (Köln) aus dem Jahre 1997 zumindest für die Sparte Schaden/Unfall, wohingegen in den Sparten Leben und Kranken keine signifikanten Kennzahlenunterschiede festzustellen sind.
Die am häufigsten vorgebrachten Argumente der Gegner des VVaG - die fehlende Möglichkeit, Eigenkapital über den Kapitalmarkt aufzunehmen und angebliche Schwierigkeiten der Darstellung von Solvabilität - treffen nicht zu. VVaG weisen in der Sparte Schaden/Unfall im Durchschnitt erheblich über dem Soll liegende Solvabilität auf, so dass eine Vielzahl von VVaG einen Deckungsgrad der Ist-Solvabilität zwischen 250 und 450 % aufweisen. In der Lebensversicherung liegt der Schnitt zwischen 150 und 200 % und in der Sparte Kranken zwischen 200 und 300 %.
Tatsache ist auch, dass die VVaG in größerem Umfang als Aktiengesellschaften entstandene Gewinne dem Eigenkapital zuführen können, da sie keine Aktionärsbedürfnisse zu befriedigen haben. Außerdem können Tarife und Leistungen für ihre Mitglieder auf diese Weise stabiler gehalten werden. Zusätzlich bieten sich als Alternative zur Kapitalbeschaffung börsennotierte Genussrechte an. Eine weitere Möglichkeit, den Kapitalmarkt zu nutzen, besteht durch die Schaffung von Tochterunternehmen in Form von Aktiengesellschaften und die Bündelung von Aktivitäten in Zwischenholdings. Dies bietet bei ausreichendem Volumen sogar die Möglichkeit eines Börsengangs. Einführung
Historie
VVaG sind die Urform der heutigen Versicherungsunternehmen. Die Idee des VVaG als Rechtsform für eine überregionale Versicherung geht auf den Kaufmann Ernst-Wilhelm Arnoldi zurück. Als Arnoldi im Jahre 1820 in Gotha die "Feuerversicherungsbank des Deutschen Handelsstandes" ins Leben rief, verwirklichte er damit die Idee der gegenseitigen Hilfe: Alle tragen gemeinsam die Last des Einzelnen. Das Besondere: Die Versicherten sind gleichzeitig Eigentümer des Unternehmens. Ähnlich wie bei genossenschaftlichen Banken existieren keine ausschließlich Kapital gebenden Eigentümer, weshalb eine kontinuierliche und von Kapitalgebern unabhängige Geschäftspolitik im Interesse der Mitglieder garantiert ist. Notwendige unternehmerische Entscheidungen können schnell getroffen und umgesetzt werden.Wirtschaftliche Bedeutung
Die VVaG stellen durch ihre Marktpräsenz einen wesentlichen ordnungspolitischen Faktor im Wettbewerb dar. Bezogen auf den Versicherungsmarkt Deutschland wurden 1999 rd. 127 Mrd. Euro Prämie von den Versicherungsunternehmen eingenommen. Die Prämien verteilen sich auf die Lebensversicherung mit 59 Mrd. Euro, auf die Krankenversicherung mit 20 Mrd. Euro und auf die Sachversicherung mit 48 Mrd. Euro. Dieses Prämienvolumen verteilt sich auf die Versicherungsunternehmen nach Rechtsform so, dass 58 % von den Aktiengesellschaften erzielt werden, 11 % von den öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen und 29 % von den VVaG einschließlich ihrer Töchter. Der Marktanteil der VVaG verteilt sich auf ca. 300 VVaG, 220 "kleinere" VVaG und 80 "große" Vereine. Solvabilität und Kapitalaustausch
1999 verbuchten deutsche VVaG über 37 Mrd. Euro Prämieneinnahmen, 4,5 % mehr als im Vorjahr, und halten damit einen Marktanteil von 29 %.