Vers
Vers (lat: versus, von vertere, umwenden) bezeichnet1. in der Poesie eine Reihe metrisch gegliederter Rhythmen.
Die rhythmische Gliederung, zu welcher nach Umständen der Reim, die Assonanz oder die Alliteration kommt, ist mithin die Hauptbedingung des Verses; die regelmäßige Wiederkehr eines gleichen Rhythmus im Vers heißt das Versmaß (Metrum), die einzelnen Teile, aus welchen dasselbe besteht, sind die Versfüße (Takte). Die Anwendung der verschiedenen Versmaße lehrt die Verskunst (s. Metrik und Prosodie).
Je nachdem in einem Vers das Metrum oder Versmaß ein- oder mehreremal enthalten ist, heißt der Vers Monometer, Dimeter, Trimeter, Tetrameter, Pentameter und Hexameter (Ein-, Zwei-, Drei-, Vier-, Fünf-, Sechsmaß). Weil aber das letzte Metrum des Verses nicht immer vollzählig ist, teilt man die Verse in katalektische oder unvollzählige u. akatalektische oder vollzählige. Schließt der Vers in der Mitte des letzten Metrums, so heißt er brachykatalektisch oder halbvollzählig, wird er aber um eine Silbe länger, hyperkatalektisch oder überzählig.
siehe auch: leoninischer Vers, saturnischer Vers
2. eine in sich abgeschlossene und regelmäßig wiederkehrende Linie oder Zeile, die Strophe eines Liedes oder Gedichts (→ Lyrik). Das Ganze der einzelnen verbundenen Verse nennt man Vers, daher spricht man von Liederversen.
3. den kleinsten Abschnitt des Bibeltextes. Die Verszählung wurde von den Juden im Mittelalter für das Alte Testament entwickelt, im Christentum aber erst im 17. Jahrhundert eingeführt und dann auch auf das Neue Testament übertragen.
siehe auch Versnovelle, Versroman
Textvorlage aus Meyers Konversationslexikon, 4. Aufl. 1888/89