Verfasste Studierendenschaft
Als verfasste Studierendenschaft bezeichnet man in Deutschland die als rechtlich von der Universität unabhängigen, verfassten Studierendenschaften der meisten Bundesländer. Die verfasste Studierendenschaft ist eine eigene Körperschaft des öffentlichen Rechts. In Österreich exisitert mit der Österreichische Hochschülerschaft eine ähnliche Körperschaft.In den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg besteht das Recht auf studentische Selbstverwaltung momentan nicht. Dort gibt es jedoch an vielen Hochschulen einer der verfassten Studierendenschaft nachgebildete unabhängige Studierendenschaft.
Die Studierendenschaft wird i.d.R. durch den AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) vertreten, der durch das Studierendenparlament (Stupa) gewählt wird. Auf Fachbereichsebene sind die Fachschaftsräte (siehe auch Fachschaft) Teil der verfassten Studierendenschaft. Ein anderes Modell, das in einigen Bundesländern im Osten anzutreffen ist, hat als oberste Vertretung keinen vom Studierendeparlament gewählten AStA, sondern einen Studierendenrat, der sehr viel enger mit den Fachschaften verbunden ist als das AStA-Modell. Ein Stupa existiert dabei meistens nicht.
Der 1993 in Hürth als Nachfolger des Verband deutscher Studentenschaften gegründete freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) versteht sich als bundesweite Vertretung der verfassten und nicht verfassten Studierendenschaften.
Schon im 19. Jahrhundert bildeten sich selbstverwaltete Burschenschaften und Studentenverbindungen, die eine studentische Selbstverwaltung zum Ziel hatten. Im Kaiserreich war eine Verfasste Studentenschaft zum ersten Mal im Gespräch gewesen, konnte aber wegen des 1. Weltkrieges nicht entstehen. Nach dem Ersten Weltkrieg bildeten sich ferner im Zuge der Novemberrevolution 1918 neben Arbeiter- und Soldatenräten auch Studentenräte.
Schließlich wurden am 18. September 1920 die Studentenschaften rechtlich in einer preußischen Verordnung verankert. Sie hatten neben der Pflege von Kultur und Sport auch die Aufgabe der Selbstverwaltung und Selbsthilfe. Zu letzterem Zweck wurden von den damaligen Asten die Studentenwerke gegründet.
In den kommenden Jahren wurden die Hochschulen zunehmend von Burschenschaften geprägt und in der Verfaßten Studentenschaft wurden nur nationalsozialistisch geprägte ASten aufgenommen. Es gab natürlich auch gegenläufige politische Bewegungen an den Hochschulen, wie z.B. Weiße Rose. 1933 wurden im Zuge der Gleichschaltung alle Organisationen wie Gewerkschaften und Parteien liquidiert. Da auch die Verfasste Studentenschaft eine eigenständige Organisation war, wurde sie aufgelöst und die ASten stattdessen direkt auf Volk, Staat und NSDAP eingeschworen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden allen (westdeutschen) Hochschulen demokratisch organisierte Studierendenschaften eingerichtet; 1949 die Vereinigung deutscher Studentenschaften (VDS) gegründet. Der studentischen Jugend sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich politisch zu betätigen, im Sinne der demokratischen Neuordnung der Hochschulen. In der Folgezeit entwickelten Studentenschaften eine rege politische Tätigkeit. Es gab Stellungnahmen zu verschiedenen Themen aus der Deutschland- oder Europapolitik und zur Situation in den osteuropäischen Ländern.
Dies wurde von Professoren nicht nur geduldet, sondern unterstützt. Erst als sich die Studentenschaften weiter politisierten und es z.B. Beschlüsse gegen den Vietnamkrieg und die Notstandsgesetze gab, geriet die Verfasste Studierendenschaft zunehmend ins Zentrum der Kritik konservativer Professoren und Politikern.
In den 1960ern wurden die Studierendenschaften jedoch zum Ausgangspunkt der 68er-Bewegung, die auch Reformen in der Hochschulpolitik forderte. So sollten die Studierenden im Rahmen einer Gruppenuniversität in den Gremien gleichberechtigt zu den anderen Gruppen (Professoren und Wissenschaftliche Mitarbeiter) werden (Drittelparität). Diese wurde jedoch nach einer Klage konservativer Professoren (Marburger Kreis) 1973 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt.
Unter dem Eindruck der Proteste der 1960er Jahre, die sich vor allem gegen konservative Kräfte richteten, wurden in Bayern und Baden-Württemberg die verfassten Studierendenschaften abgeschafft, um "den linken Sumpf trocken[zu]legen". An ihre Stelle traten organisatorisch in die Hochschulen eng eingebundene Studentenvertretungen.
Im Hochschulrahmengesetz von 1977 schließlich wurde die verfasste Studierendenschaft -- anders als ursprünglich geplant -- nur noch als Kann-Bestimmung aufgenommen. Dies änderte sich erst mit der Änderung des Hochschulrahmengesetzes am 8. August 2002, das den Bestand bzw. die Wiedereinführung von verfassten Studierendenschaften vorschreibt. Hiergegen ist jedoch eine Klage der betroffenden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg am Bundesverfassungsgericht anhängig.
Mitte der 1990er Jahre wurde statt "Studentenschaft" zunehmend der Ausdruck "Studierendenschaft" eingeführt.
Geschichte
Probleme der verfaßten Studentschaft
Die Theorie, daß sich Studenten zu unabhängigen Gremien zusammenschließen, hat in der Theorie allerdings viel für sich. In der Praxis krankt dies allerdings daran, daß Wahlbeteiligungen zur verfaßten Studentschaft von unter 15% die Regel sind und deswegen kleine Gruppen aus den Randgebieten des linken politischen Spektrums häufig die Studentschaft übernehmen und für vollkommen fachfremde Projekte mißbrauchen können.Bayrisches Modell
In den 70er Jahren schaffte der Wissenschaftsminister von Bayern deshalb unter dem Motto "den linken Sumpf trockenlegen" die verfaßte Studentschaft ab; da die Gruppen der ehemaligen verfaßten Studentschaft nun in die "Unabhängige Studierendenschaft" übergingen, die keinerlei Kontrollen von außen mehr unterliegt, und sie durch die neu geschaffenen "Studentischen Convente" weiter Einfluß in die Studentenvertretung nahmen, schlug diese Initiative in ihr Gegenteil um.Amts- und Mittelmißbrauch
Nicht allen, aber mehreren Organen der verfaßten Studentschaft wird vorgeworfen, mit den ihnen überantworteten Mitteln unsauber umzugehen. Im Sommersemester 2003 wurde zum Beispiel die AStA der Universität Braunschweig bei Wahlbeteiligungen um die 10% zeitweise von einer Koalition aus christdemokratischen und in konservativen Studentenverbindungen organisierten Studenten übernommen; neben äußeren Mängeln, wie total verdreckte und unattraktive Büroräume, leitete diese AStA bei einer Kassenprüfung eine Liste von Mängeln an die universitäre Führung weiter, zu denen Kassenunregelmäßigkeiten durch nicht zurückgeforderten Darlehen von €600.000,-, die Unterstützung eines sogenannten "Kommunistischen Kollektivs Braunschweig" mit studentischen Geldern, und seit 1994 Zahlung von Gehältern für Angestellte des AStAs, "die weit über den für den öffentlichen Dienst üblichen Vergütungen liegen" gehören.