Verbrechen
Der Begriff Verbrechen wird umgangssprachlich für eine besonders schwer wiegende kriminelle Handlung (Straftat) verwendet.
Die Differenzierung zwischen der Schwere der strafbaren Handlung geht weit in die Rechtsgeschichte hinein. Schon in der Constitutio Criminalis Carolina wird zwischen causae maiores und causae minores getrennt; diese Trennung war für die Form der Bestrafung ausschlaggebend: Lebens-, Leibes- und Ehrenstrafen oder Geldbuße und kurzzeitiges Gefängnis.
Das deutsche Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) von 1871 unterschied zwischen 3 Stufen der Schwere der Straftat: Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Dabei orientierte es sich an dem französischen Code Pénal (crime, délit, contravention). Dabei hatte diese Differenzierung wiederum Einfluss auf die Strafarten; für Verbrechen konnten u.U. auf Todesstrafe oder Zuchthaus erkannt werden, für Vergehen Gefängnis und für Übertretungen in der Regel nur Geldstrafen oder mit kurzer Haft.
Mit der Strafrechtsreform von 1975 in Deutschland ging die Trichotomie (Dreiteilung) in die Dichotomie (Zweiteilung) auf; fortan gab es nur noch Verbrechen und Vergehen als Straftaten. Die Übertretungen wurden abgeschafft und das Ordnungswidrigkeitenrecht wurde als teilweiser Ersatz geschaffen. Strafen wie Zuchthaus oder Gefängnis wurden ebenfalls abgeschafft und eine einheitliche Freiheitsstrafe wurde geschaffen, so dass die Bedeutung der Zweiteilung stark abgenommen hat. Auch Verbrechen können nun durch Geldstrafen gesühnt werden.
Die Aufrechterhaltung der Zweiteilung ist daher umstritten. Die praktische Bedeutung ist gering.
Delikte mit Androhung einer geringeren Mindeststrafe werden als Vergehen bezeichnet.
Der Unterschied wirkt sich auch bei der Strafbarkeit eines Tatversuchs aus. Der Versuch ist bei einem Verbrechen immer strafbar, bei einem Vergehen nur dann, wenn das im Gesetz ausdrücklich festgelegt wird (versuchter Hausfriedensbruch ist danach z.B. nicht strafbar). Ein andere Bedeutung besteht im Straftatsbestand der Bedrohung, denn dieser kann nur mit dem Drohen eines Verbrechens erfüllt werden. Auch ist die versuchte Anstiftung zu einem Vergehen generell nicht strafbar, aber die zu einem Verbrechen jedoch schon. Der Verlust von Amtsfähigkeit und Wählbarkeit richtet sich ebenfalls nach der Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen.
Ein Angeklagter, dem ein Verbrechen vorgeworfen wird, hat nach § 140 Nr. 2 der Strafprozessordnung (StPO) Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers, wenn er selbst keinen Rechtsanwalt als Verteidiger beauftragt. Des Weiteren spielt im Prozeßrecht die Zweiteilung (Dichotomie) zwischen Verbrechen und Vergehen eine Rolle für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte. Der Strafbefehl ist nur für Vergehen vorgesehen (§ 407 StPO) und eine Einstellung des Verfahrens nach § 153, 153a, 154d StPO kommt ebenfalls nicht für Verbrechen in Frage.
Rechtshinweis
Historische Einordnung
Formeller Verbrechensbegriff in Deutschland
Im deutschen Strafgesetzbuch (§ 12) werden als Verbrechen alle die gesetzlich normierten Delikte bewertet, bei denen eine Strafandrohung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe besteht (z.B. Raub, Körperverletzung mit Todesfolge, schwere Brandstiftung).Materieller Verbrechensbegriff
Der materielle Verbrechensbegriff löst sich vom normativen Begriff des Strafrechts. Er ist weniger scharf als der formelle Verbrechensbegriff. So wird unterschieden zwischennaturrechtlichem Verbrechensgehalt
Im Naturrecht wird eine Trennung der moralisch verwerflichen Delikte (mala delicta per se) und schlicht verbotene Delikte (mala prohibita) vorgenommen. Dieser natürliche Verbrechensbegriff spielt im strafrechtlichen Bereich des Common Law noch heute eine Rolle. Der "natürliche" Verbrechensbegriff ist jedoch wegen der Tendenz zur Willkür und der immanenten Subjektivität umstritten.Lehre vom Rechtsgut
Die juristische Lehre vom Rechtsgut bezeichnet Verbrechen als diejenigen Handlungen, die geeignet sind, in strafwürdiger Weise Rechtsgüter zu verletzen. Rechtsgüter sind dabei die rechtlich individuell geschützten Interessen der Teilnehmer am Rechtsverkehr. Dieser "rechtsgutsbezogene" Verbrechensbegriff ist enger als der natürliche Verbrechensbegriff und knüpft an die normativen Grundlagen einer Gesellschaft an. Er ist daher in der Nähe zum formellen Verbrechensbegriff zu sehen.Lehre vom sozialschädlichen Verhalten
Aus den Sozialwissenschaften stammt der Begriff des antisozialen Verhaltens, dass sich in der Nähe zum abweichende Verhalten (Devianz) bewegt. Dieser Verbrechensbegriff kommt dem Wissenschaftsverständnis sehr nah, benötigt jedoch auch eine normative Basis. Literatur
Weblinks
Siehe auch: Mord, Kriminologie, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Verbrechen kommunistischer Regierungen
Beurteilung:
Dieser Artikel stellt nur die Situation in Deutschland dar. Es fehlen noch allgemeine Definitionen und/oder Informationen zu anderen (deutschsprachigen) Ländern.