Vandalismus
Dieser Artikel befasst sich mit dem Thema Vandalismus, andere Bedeutungen unter Vandalen (Begriffsklärung).Unter Vandalismus versteht man allgemein eine blinde Zerstörungswut. Es wird zwischen mehreren Varianten unterschieden:
- Vandalismus im Sinne einer Kraftmeierei aus "jugendlichem Frohsinn oder Ausgelassenheit" (Kleinschmidt 1875), beispielsweise das Nutzen von Denkmälern als Zielscheibe (Sphinx von Gizeh; Reiterstatue des Regisole auf dem Domplatz von Pavia; Leonardo da Vincis Reiterbild von Ludovico il Moro in Mailand, 1796 u.a.);
- Untaten irregeführter Eigenbrötler aufgrund einer Psychopathie oder eines irregeleiteten Sendungsbewusstseins, beispielsweise Herostrat (356 v. Chr); Zerstörung des Höllensturz von Rubens in München (26. Februar 1959) oder des Jakobsegens von Rembrandt in Kassel (7. Oktober 1977); Diebstahl der Mona Lisa aus dem Louvre (21. August 1911, vgl. Jakondoklasmus u.a.
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2 Kulturvandalismus 3 Siehe auch 4 Literatur |
Begriff
Der Begriff Vandalismus für blinde Zerstörungswut (Duden) geht auf die Vandalen zurück, die angeblich auf ihrem Wege nach Afrika fleißig plünderten und zerstörten. Die Begriffsprägung wurde mit der Schrift des Henri-Baptiste Grégoire, Bischof von Blois, vollzogen, der die Zerstörung von Kunstwerken durch radikale Jakobiner anprangerte; erstmals taucht der Begriff in der Schrift Rapport sur les destructions opérées par le vandalisme auf, der im Konvent zu Paris am 28. August 1794 veröffentlicht wurde.
Von italienischen und französischen Humanisten wurden die Goten und Vandalen seit der frühen Neuzeit als sprichwörtliche Kulturzerstörer angeprangert. Als Gegenstück kam es zu einer positiven Besetzung dieser germanischen Stämme im deutschen-humanistischen Schrifttum etwa durch Beatus Rhenanus: Nostri ... sunt Gothorum Vandalorum Francorumque triumphi. Diese Auseinandersetzungen sind schon quasi protonationale Streitigkeiten in der früheren Neuzeit. Historische Identitäten dienten als Aufhänger. Die Dynamik der französischen Revolution bedingte die Suche nach neuen Begrifflichkeiten. So wurden etwa aufbauend auf älteren Bildern die historischen Vandalen 1789 zur Negativbesetzung der Aristokratie als Nachfahren der germanischen Eroberer aufgegriffen. Der politische Allgemeinbegriff vandalisme diente Henri-Baptiste Grégoire zur Abgrenzung einer idealen bürgerlichen Revolution von radikalen Elementen, denen zusätzlich die Steuerung aus dem Exil unterstellt wurde. Er prangerte die Vernichtung von Kunstwerken an, welche die politische Führung zu verhindern suchte. Zuerst also gegen Radikale in den eigenen Reihen gerichtet bezeichnete vandalisme nach dem 9. Thermidor die Schreckensherrschaft (Terreur) als ganzes. Ihre Proponenten wie etwa Robespierre seien die neuen Vandalen. Wie die alten im 5. Jh. wollen diese Wüteriche die Kultur Frankreichs zerstören. Die drei Rapports sur le vandalisme, die Grégoire dem Konvent vorlegte, fixierten nicht zuletzt wegen ihrer hohen Auflage den Begriff endgültig und bereiteten den Boden für seine Übernahme in fast alle europäische Sprachen. Jedenfalls war die Wahl der Vandalen als Paten des Begriffs v.a. durch die Topik von den gewaltigen Zerstörungen beim Einfall in Gallien von 406 bedingt. Darauf wollte sich die französische Debatte der Revolutionszeit in nationalem Geschichtsbewusstsein bezogen wissen, weniger auf die Plünderung Roms von 455.
Grégoire bedauerte später, den Begriff nicht mehr zurücknehmen zu können, da er einen pauschalen Vorwurf und eine in dieser Form nicht haltbare Herabsetzung enthält; er hatte irrtümlich angenommen, dass es keine Nachfahren der Vandalen gebe, die sich verunglimpft fühlen könnten.
Kulturvandalismus oder negative Kulturgeschichte bezeichnet die rohe Zerstörung von Kunstwerken, weil die Vandalen unter Geiserich zu Rom in dieser Weise gehaust haben sollen (der von Lucan in anderem Zusammenhang so genannte Furor Teutonicus); weitere rhetorisch kanonisierte Schreckensfiguren im Sinne des Begriffs Vandalismus liefern Alarich und seine Goten (Gothorum et Vandalorum furor, Inschrift auf der Karlsbrücke in Prag von 1648), Attila und seine Hunnen sowie die Wikinger.
Kulturvandalismus ist die "Beschädigung oder Beseitigung von Kunstwerken und Denkmälern in einem größeren politischen, ideologischen oder ökonomischen Kontext, in der Absicht oder mit der Folge einer Bewußtseinsänderung, d.h. der gewaltsame Versuch, Erinnerung zu beseitigen oder zu verändern" (Demandt 1997).
Kulturvandalismus
Siehe auch
Literatur