Urchristentum
Unter Urchristentum versteht man die ersten Jahrzehnte des Christentums, als die Christen noch eine kleine - allerdings sehr lebendige und wirksame - Minderheit im Römischen Reich bildeten.
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Entwicklung
Wahrscheinlich im Jahr 30 wurde Jesus von Nazareth in Jerusalem gekreuzigt. Seine Anhänger, die kaum mit diesem Ende ihres Herrn gerechnet hatten, zogen sich voller Enttäuschung nach Galiläa zurück und verteilten sich. Nun aber, und hier beginnt die Geschichte des Glaubens, soll Jesus von den Toten auferstanden sein. Und der auferstandene Jesus erschien erst dem Petrus, der die Anhänger wieder zusammenrief, dann den zwölf Jüngern zusammen (1 Kor 15, 5f.). Schließlich soll einer ganzen Schar - Paulus spricht von 500 »Brüdern« - diese Vision zuteil geworden sein. Es folgten dann noch eine Erscheinung vor Jakobus, dem Bruder von Jesus, und zuletzt die vor Paulus selbst, jener »Fehlgeburt« (15,8), die zuvor als Saulus noch die jungen Gemeinden der Christen verfolgte (15,9).
Mit der Erfahrung der Auferstehung aber wurde den Anhängern des Nazareners nun auch auferlegt, dies Geschehen zu deuten. So entwickelte sich, sei es, dass die entsprechenden Worte Jesus im Nachhinein in den Mund gelegt wurden, sei es, dass man sich ihrer nun erinnerte (vgl. Lk 24,44ff.), aus der dem Kreuzestod folgenden Auferstehung eine erste christologische Deutung, ein Dogma in nuce. War der Tod Jesu zuerst als Ende der Bewegung begriffen worden, eröffnete der Glauben an Auferstehung und Erhöhung seinen Anhängern nun eine Perspektive, unter der das Kreuz nur den Anfang darstellte.
Die Aufgabe der Jünger und Apostel wurde es nun aber, diese »frohen Botschaft« (Evangelium) erst einmal zu verkünden. Die erste Gemeinde, die sich nun diesem Auftrag zur Mission verpflichtet sah, war die in Jerusalem. Hier begründeten die so genannten »Säulen« Petrus, Jakobus und Johannes (vgl. Gal 2,9; Mk 5,37 u.a.) das Zentrum des jungen Glaubens. Ihr erster Sprecher wurde Petrus, der dann aber rasch von Jakobus abgelöst (oder verdrängt) worden zu sein scheint. Petrus selbst gelangte so über Syrien nach Kleinasien, wo in Antiochien eine zweite Gemeinde entstanden war und schließlich, als dort der Einfluss des Paulus und des Johannes zunahm, nach Rom.
Sowohl in der Jerusalemer Urgemeinde, als auch den hinzukommenden Gemeinden und Zirkeln war die Erwartung der Wiederkunft (Parusie) Jesu bestimmend, den seine Anhänger jetzt im jüdischen Sinne als Messias sahen. Auch dürften alle frühen Gemeinden sich vollends als Teil des Judentums betrachtet haben, wie die Übernahme des mosaischen Gesetzes und der Tempeldienst der Jerusalemer veranschaulichen. Lediglich die Naherwartung, die aber in jener Zeit allgemeiner Endzeitstimmung keine absolute Ausnahmestellung beanspruchen konnte, grenzte vom etablierten Judentum ab.
Paulus dürfte als erster die Gefahr der Marginalisierung erkannt haben, die darin lag, sich als Sekte innerhalb des Judentums zu festigen. Bereits auf dem Aposteltreffen 43/44 setzte er gegen den anfänglichen Widerstand der Jerusalemer durch, auf die Beschneidung der neu hinzukommenden Christen (Proselyten) zu verzichten (vgl. Apg 15,1-35 ; Gal 2, 1-10). Damit aber war die Abkehr von den Gesetzen Moses und somit die Abgrenzung gelungen. Während die Jerusalemer Urgemeinde selbst, die weiterhin judenchristlich bestimmt blieb, nun an Bedeutung verlor, eröffnete sich Paulus den Zugang zur römisch-hellenistischen Welt. Von Antiochien aus begann (wahrscheinlich mit einer Zwischenstufe der Bekehrung von Diaspora-Juden) die so genannte Heidenmission (Gal 2,9), die der neuen Lehre den gesamten Mittelmeerraum eröffnen und Paulus selbst zur einer der wichtigsten Figuren des jungen Christentums machen sollte. Jedoch wird die tatsächliche Bedeutung des Paulus in dieser Zeit unterschiedlich eingeschätzt, möglicherweise erscheint er uns wegen der vielen von ihm überlieferten Schriften als bedeutsamer, als die Zeitgenossen selbst es empfanden.
Der jüdische Aufstand von 66 fand so schon ohne Beteiligung der Christen statt. Die Urgemeinde, die in das ostjordanische Pella fliehen musste, wurde zunehmend bedeutungslos. Schon im 2. Jahrhundert galt sie als Sekte des Christentums. Im Bar Kochba Aufstand, spätestens aber mit der Ausbreitung des Islam dürften deren letzte Reste untergegangen sein.
Um so sichtbarer wurden die kleinen (heiden)christlichen Gemeinden. Von ihren Problemen und Streitigkeiten berichten die kanonisierten wie auch die nicht kanonisierten Briefe der ersten Christen. Paulus selbst schrieb mit die ersten dieser Briefe, die schon auf die Zeit von 50 bis 64 datieren. Clemens von Rom, der 99 dem Märtyrertod starb, schrieb mit die ersten Briefe, die nicht mehr in das Corpus des Neuen Testaments aufgenommen wurden. Innerhalb dieser Zeitspanne verschwanden dann auch zunehmend die Apostel, Propheten und Evangelisten (1 Clem 37,3) als Würdenträger und Autoritäten. Und auch, wenn Clemens noch forderte: »Haltet auch an die Heilgen« (1 Clem 46,2), wurde bereits von Paulus vor so genannten »falschen Heiligen« gewarnt (vgl. Eph 7,1; Apg 15,1).
Die Praxis der brüderlichen Belehrung (Mt 18 ,15-18) verschob sich so auf die »Erstlinge«, die Erstgetauften einer Gemeinde, und schließlich die ersten sich herausbildenden Ämter: Episkopen (Bischöfe) (vgl. Eph 4,1), Presbyter und Diakone ersetzten die charismatischen Ämter und konsoldierten die weiterhin autonomen Gemeinden. Dabei war in dem Versuch, die Einmaligkeit Jesu in der irdischen Hierarchie abzubilden, jeweils nur ein Bischof vorzufinden. Diesem monarchanischen Bischof unterstanden zur Hilfe bei der Liturgie die (oft an der Zahl der Apostel orientierten: zwölf) Presbyter. Ein Presbyter hier noch ein Ehrenamt und wurde erst später mit eigenen pfarrähnlichen Verpflichtungen versehen. Die praktischen Arbeiten oblagen dann den Diakonen, von denen eine bestimmte Anzahl nicht bezeugt ist.
Die Herausarbeitung von Hierarchie und Gemeindestruktur erwies sich als um so notwendiger, da sich die Erwartung vom nahen Ende der Welt und der Widerkunft Christi (Parusie), von denen die Jünger noch geprägt schienen, nicht erfüllte. Die Phase der sog. »Parusieverzögerung« wurde nun aber nicht als Ende der eschatologischen Perspektive gesehen, sondern als eine verlängerte Zeit für die Vorbereitungen verstanden. Die gepflegten Werte sollten dies in »Tat und Wahrheit« belegen (1 Joh 3,18): Der Dienst an der und für die Gemeinde wurde hervorgehoben wie auch die Gastfreundschaft, das Beten und Fasten. Das Liebesmahl (Joh 13,34) und der Liebesdienst (Agape) gewann so erweiterte Bedeutung.
Gerade in dieser Kombination von asketischen Vorschriften, die sich auf die Christen selbst bezogen und auch vor deren eigenem Tod (Martyrium) nicht brachen und der praktischen Nächstenliebe, die sich am Dienst an den Armen, Kranken und Verlassenen, den Witwen und Waisen und den Sklaven vollzog, bereiteten sich nicht nur die Anhänger der neuen Religion auf das nahe Ende vor, sondern gewann diese Gemeinschaft auch nach außen ihre enorme Anziehungskraft. Schon Paulus hatte dies im Ansatz erkannt und daher für die Anfänge einer lokalen Mission nicht die größeren Städte selbst, sondern deren arme Vororte bevorzugt.
Als in der Zeit der Christenverfolgungen, die unter Domitian von 81 bis 96 ihren vorläufigen Höhepunkt erlangten, die Mission schwieriger wurde, konnte daher das Gemeindechristentum insgesamt überleben, wenn nicht erstarken. Die nun vermehrt Verfolgten und Getöteten wurden als Christus Nachfolgende anerkannt und verehrt und eröffneten dem jungen Christentum die ebenso wichtige wie problematische Perspektive einer vorweggenommenen »Endzeit« im persönlichen Bekennertod. Sollte später erhobene Forderung nach nahezu obsessivem Martyrium aber auch innerkirchlich zu Abgrenzung herausfordern, fand die Leidensbereitschaft der Christen außerhalb ihrer Gemeinden viel Anerkennung.
Mit dem Tod des Johannes um etwa 100 endet dann die Phase des Urchristentums. Johannes selbst hatte noch den logos in die christliche Lehre eingeführt und so für die kommenden Probleme ebenso den Boden bereitet, wie für die Akzeptanz, die dem (mittleren) Platonismus nun offene Lehre auch in gehobenen Kreisen bald finden sollte. Die so genannte Nachapostolische Zeit des 2. Jahrhunderts, die nun in den Bereich der Geschichte der Alten Kirche gerechnet wird, sollte dann bestimmt sein durch die Frage der Stellung des Sohnes (mit den Extrema Subordination oder Ditheismus), mit der sich Ignatius von Antiochien auseinandersetzte, von der Auseinandersetzung mit der Gnosis, dem Marcionitismus und dem Montanismus und von der Konsolidierung der allmählich über die Gemeindegrenzen hinaus wachsende und sich darüber hinaus auch als solche begreifenden Kirche.
siehe auch die Angaben bei den Artikeln Neues Testament und Alte Kirche und den einzelnen Stichwörtern (hier insbesondere: Paulus)
Kategorie:Geschichte]]Literatur
Siehe auch:
Alte Kirche, Apostelgeschichte, Kirchengeschichte, Kanon des Neuen Testaments, Märtyrer, Patristik, TheologieWeblinks