Urban legend
Großstadtmythen (engl urban legends, auch im Deutschen gebräuchlich), moderne Mythen oder Wandermärchen sind eine Form der Folklore, die wieder und wieder mündlich weitergegeben wird, oft auch als Nachricht in den Medien berichtet wird und die sich heute auch durch E-Mail verbreitet.Meist wird berichtet, dass die Geschichte einem Freund eines Freundes passiert sei. Einige der Geschichten sind sehr alt, einige wurden mit den Jahren leicht verändert, wie die Geschichte über eine Frau, die von Spinnen getötet wurde, die in ihrer aufwändigen Frisur nisteten. Andere sind neu, wie die Geschichte von dem Mann auf einer Geschäftsreise, der von einer Frau verführt wurde und am nächsten Morgen aufwachte und bemerkte, dass eine seiner Nieren zur Transplantation entfernt wurde. Bekannt ist auch die Legende vom Krokodil im Kanal.
Gerne finden sich diese Geschichten auch in Predigtbüchlein von Geistlichen kolportiert, eine Legende dieser Art etwa ist die Geschichte vom Mann, der in einem Bus der Mutter eines Kindes mit der Bemerkung "Ich bin auch antiautoritär erzogen" eine kräftige Ohrfeige verpasst, nachdem diese seine Aufforderung, sie möchte doch das Kind bewegen, nicht ständig einer alten Frau ans Schienbein zu treten, mit dem Satz "mach ich nicht, das Kind wird antiautoritär erzogen", abgewiesen hatte.
Einige Urban Legends beruhen tatsächlich auf echten Ereignissen, wie der Fall eines jungen Mannes, der Schießübungen auf einen Wildwest-Kaktus machte. Er wurde getötet, als er den Stamm durchtrennte und die herabfallende Pflanze ihn begrub. Auch wenn solche Geschichten im Kern wahr sind, werden sie meist verfremdet durch das vielfache Weitererzählen des ursprünglichen Ereignisses.
Der Begriff Urban Legend wurde zum ersten Mal von Jan Harold Brunvand, einem Professor für Englisch, bekannt gemacht. In seinem 1981 erschienenen Buch "The Vanishing Hitchhiker: American urban Legends & Their Meanings" (Der verschwundene Anhalter: Amerikanische Urban Legends und deren Bedeutung) benutzte er eine Sammlung dieser Geschichten, um zwei Aussagen zu machen:
- Legenden, Mythen und Folklore kommen nicht nur bei so genannten primitiven oder traditionellen Gesellschaften vor und
- man kann viel über urbane und moderne Kultur lernen, durch die Untersuchung solcher Legenden.
Eine ähnliche Liste kann man auf der "Urban Legends Reference Page"-Website unter finden.
Eine andere gute Quelle ist Virus Myths, eine weitere die Darwin-Awards, die jedes Jahr einige Geschichten als besonders fragwürdig herausstellen (früher hat diese Seite ihre Urban Legends als Fakten präsentiert).
Schießlich gibt es Hoaxbusters, ein vom amerikanischen Energieministerium angebotener Dienst, der sich um alle Arten von Hoaxes kümmert, die über Computer verteilt werden.
Einige frühe Historiker wie z. B. Tacitus, Geoffrey von Monmouth und Herodotus waren die Stammväter der urbanen Mythen. Sie überlieferten Gerüchte und anekdotische Berichte als historische Fakten. Diese Aufzeichnungen waren dann wiederum die Grundlage für andere Berichte, und so wurden vielfach wiederholte nicht exakte Überlieferungen zu einem selbstlaufenden Teufelskreis. Heutzutage behandeln Historiker historische Belege von Geschichtsschreibern wie den erwähnten mit äußerster Vorsicht. (Eine Liste von diesen und anderen Werken, die als verdächtig angesehen werden, kann man im englischsprachigen Wikipedia unter finden.)
Papstkrone (Tiara) |
Eine klassische Urban Legend besagt, dass die Krone des Papstes, die päpstliche Tiara, die Worte "Vicarius Filii Dei" (Statthalter des Sohnes Gottes) enthalte. Wenn man daraus die Buchstaben, die zugleich Römische Ziffern sind, aufsummiert, ergibt sich Sechshundertsechsundsechzig, die Zahl des Antichristen, wie sie in der Bibel erwähnt ist. Obwohl diese Geschichte einfach falsifizierbar ist (alle Papstkronen seit dem 16. Jhd. können öffentlich besichtigt werden und auf keiner davon sind diese Worte zu finden), wird dieser Mythos insbesondere in radikal-protestantischen Kreisen weiterhin geglaubt, mit immer dem selben Hinweis auf ein Foto eines Papst-Begräbnisses vom Anfang des 20. Jahrhunders (wahrscheinlich von Papst Leo XIII 1903), das die Existenz einer päpstlichen Tiara mit diesen Worten beweise. Seltsam nur, dass nach hundert Jahren niemand fähig war, das angebliche Foto zu zeigen oder definitiv anzugeben, wo es einmal veröffentlicht wurde. Stattdessen wird immer gesagt "Ich kenne jemanden, der kennt jemanden, der das Foto definitiv gesehen hat!", ein Phänomen das auf Gälisch, der ursprünglichen, irischen Sprache das Dhúirt bean liom gur dhúirt bean leí-Syndrom genannt wird (soviel wie: eine Frau sagte mir, dass eine Frau ihr sagte, ...).
Es gibt eine Reihe bekannter Aufdecker urbaner Legenden, die sich durch die Aufklärung verschiedener Legenden einen Namen gemacht haben:
- Christof Drösser betreut die Kolumne Stimmt's der Zeit.
- Cecil Adams betreut Straight Dope im Chicago Reader.
- Rolf Wilhelm Brednich Autor von Die Spinne in der Yucca-Palme
- James Randi befasst sich mit übersinnlichen Phänomenen.
Siehe auch
Mündlichkeit, Verschwörungstheorien, Stammtischwissen, Binsenweisheit
Literatur
Weblinks
Englische Seiten