Unterhaltungsliteratur
Unterhaltungsliteratur ist für den schnellen und leichten Konsum bestimmte Literatur. Sie ist im Wesentlichen im 19. Jahrhundert entstanden.In der Literaturwissenschaft nimmt sie eine Mittelstellung ein zwischen der "Hochliteratur", (Dichtung) einerseits und der Trivialliteratur andererseits. Im Unterschied zur Trivialliteratur zeichnet sich die Unterhaltungsliteratur durch eine Tendenz weg von der Endlos-Heft-Serie hin zu einer gewissen von reinem Schematismus abweichenden Komplexität wie zum literarischen "Buch" überhaupt aus. Abgrenzungen sind im Einzelfall schwierig.
Der Wechsel vom intensiven zum extensiven Leseverhalten lässt sich eindrücklich an der Entwicklung der weit verbreiteten Erbauungsliteratur verfolgen. Neben den durch die Bibelanstalten weitverbreiteten Hausbibeln bildeten immer wieder neu aufgelegte Erbauungsschriften bekannter Autoren Thomas a Kempis, Johann Arndt den ursprünglichen Lesestoff der lesekundigen Bevölkerung. Aufklärung und Pietismus trugen dem gewandelten Lesebedürfnis Rechnung. In Gestalt von Schriftenmissionsvereinen weiteten sie den Umfang dieser Literatur erheblich aus, sowohl in Auflagenhöhe als auch Verbreitung und Themenvielfalt.
Mit dem aufklärerischen Ideal des Rationalismus ging ein Verlangen nach einer neuen Innerlichkeit einher. Die Aufklärer wollten mit ihren Traktaten die Gemütsbewegungen und Affekte ihres Publikums in Richtung auf einen tugendhaften Umgang lenken. (Gottsched "Der Biedermann", Bertuch, "Journal des Luxus und der Moden"), in dem die Informationen durch Klatsch, Gesellschaftsnachrichten und Illustrationen ergänzt wurden. Dass literarische Texte dem Unterhaltungsbedürfnis des Publikums entgegen kamen, zeigte sich besonders in Goethes erfolgreichstem Buch "Die Leiden des jungen Werther", welches einen heftigen emotionalen Widerhall noch sich zog.
Mit dem 18. Jahrhundert begann auch das Zeitalter des expandierenden Buchmarktes. Die Industrialisierung brachte sowohl für den Buchdruck als auch für Buchhandel und Vertrieb neue Impulse, die ungeheure Auflagenstärken ermöglichten. Hohe Auflagen erforderten eine breite Leserschaft, demgemäß eine entsprechende inhaltliche und formale Popularität. Zunehmend erfreute sich die "Tagesliteratur" in täglich oder wöchentlich erscheinenden Zeitungen oder Zeitschriften seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhundert einer wachsenden Leserschaft. Häufig wurde Lektüre durch fliegende Händler abgedeckt, die in Wochen- oder Monatslieferungen ihre "Literatur" in der Provinz verkauften.
Außer Kalenderblättern und Unterhaltungs- und Familienzeitungen (Unterhaltungen am häuslichen Herd, Die Gartenlaube) und den Almanachen und Taschenbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts finden sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts die so genannten "Groschenhefte".
Nach 1945 kam eine zweite Welle der "Heftchen-Literatur" auf. Neue Produktionsmethoden erweiterten den Markt um das Taschenbuch.
Neben der romanhaft erzählenden Literatur steht die populärwissenschaftliche Unterhaltungsliteratur, die längs - oder querschnittartig einen Blick auf oder in bestimmte Wissens- und Forschungsgebiete ermöglichen sollte. Sie unterschied sich weniger in der Form: der Schwerpunkt liegt auf dem erzählenden und weniger diskursiven Stil, als mehr im Inhalt: dem Sach- und Fachthema. Bei aller Problematik generalisierender Darstellungen war ihrem Erscheinen ein großer Erfolg beschieden, da sie in besonderem Maße die Neu- und Wissbegier des Lesepublikums zu stillen versprach.
Michael Faraday begründete mit seiner "Chemiegeschichte der Kerze" diese Art sich stetig verbreitender naturwissenschaftlicher Publikumsliteratur, deren Verbreitung im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt erlebte. Zeitschriften wie "Die Natur" verzeichneten seit ca. 1850 ein halbes Jahrhundert lang hohe Resonanz, ebenso etwa die "Urania", in der Zeit der Weimarer Republik.
Nach 1945 machten zahlreiche spektakuläre Unternehmungen auch in Richtung zu populärer geisteswissenschaftlicher Unterhaltungsliteratur von sich reden. Z.B.:
- Archäologie: Ceram, Götter, Gräber und Gelehrte
- Theologie: Zahrnt, Die Sache mit Gott
- Philosophie: Jostein Gaarder, Sophies Welt