Tropisches Jahr
Ein tropisches Jahr ist definiert als die Zeit, in der die mittlere Länge der Sonne auf der Ekliptik um 360° zunimmt. Aufgrund des Zusammenspiels der Exzentrizität der Erdbahn mit der Präzession ist dieser Zeitraum davon abhängig, welchen Punkt der Ekliptik man als Ausgangspunkt wählt. Daher wurde als tropisches Jahr der mittlere Wert über alle Punkte der Ekliptik definiert.Ein besonders ausgezeichneter Punkt der Ekliptik ist der Frühlingspunkt. Er ist nicht nur der Ursprung vieler astronomischer Koordinatensysteme, sondern der Durchgang der Sonne durch diesen Punkt legt auch den Frühlingsanfang fest. Die strikt auf den Frühlingspunkt bezogene Jahreslänge wurde in früherer Zeit oft als tropisches Jahr bezeichnet. Dies enspricht nicht mehr der gegenwärtigen Definition, ist aber nach wie vor Basis der meisten Kalenderveröffentlichungen, da sie mit ca. 365,2424 Tagen der mittleren Jahreslänge des gregorianischen Kalenders, 365,2425 Tage, sehr nahekommt.
Für den Beginn des Jahres 2000 wurde die Länge des tatsächlichen tropischen Jahres zu 365,242190517 Tagen bestimmt, also etwa 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 45,25 Sekunden.
Die Länge des tropischen Jahres ist allerdings nicht konstant. Der Grund dafür sind die zahlreichen gravitativen Wechselwirkungen der Erde mit dem Mond und den Planeten. Ein System mit derart vielen Körpern läßt sich nicht analytisch erfassen, dies ist selbst bei drei Körpern nur noch eingeschränkt möglich. Gegenwärtig verkürzt sich das tropische Jahr um etwa eine halbe Sekunde pro Jahrhundert.
In der Astronomie wird oft ebenfalls eine von den Beobachtungen unabhängige, definierte Jahreslänge von 365.2422 Tagen als "tropisches Jahr" bezeichnet, welches korrekterweise aber "tropisches Jahr nach Newcomb" heißen muss.
Historische Entwicklung
Da sich das ekliptikale
Koordinatensystem gegen den Sternhimmel verschiebt, ist das
tropische Jahr vom siderischen Jahr
verschieden, das die Zeit eines Umlaufs der Erde in ihrer Bahn
darstellt. Diese Verschiebung des Frühlingspunkts, die Präzession,
wurde in der griechischen Antike von Hipparchos entdeckt. Ihr Grund
ist ein langsames Taumeln der Erdachse im Raum.
Die historische Bedeutung des tropischen Jahres liegt im Kalenderwesen, da seine Länge mit dem für den Ackerbau bedeutsamen Lauf der Jahreszeiten korrespondiert, in deren Bestimmung eine wesentliche Aufgabe der Astronomie vor Erfindung des Teleskops lag. Das tropische Jahr bildet damit die Grundlage der auf die Sonne bezogenen Kalender.
Die Geschichte der Kalenderreformen ist auch die Geschichte des immer genauer bestimmten tropischen Jahres. Der ägyptische Kalender rechnete zwar mit einem Jahreslänge von genau 365 Tagen, doch die Priesterschaft wusste, dass dies nicht das tropische Jahr war. Ein öffentlich verfügbar genauerer Kalender wäre aber eine Bedrohung ihrer Stellung gewesen, so dass sie eine Reform im 3. Jahrhundert v. Chr zur Julianischen Jahreslänge von 365,25 Tagen sogar wieder rückgängig machten. Diese Jahreslänge konnte erst Julius Cäsar als allgemeinverbindlicher Julianischer Kalender durchsetzen. Damit wurde jedes vierte Jahr zum Schaltjahr. Die Diskrepanz zum tatsächlichen tropischen Jahr war nun relativ gering, so dass sich erst nach dem Mittelalter Handlungsbedarf ergab. In der gregorianischen Kalenderreform wurden bei der Zählung der Tage zehn Kalenderdaten übersprungen. Abweichend von der Julianischen Regel wurde verfügt, dass jene Jahrhundertjahre keinen Schalttag haben, deren Zahl dividiert durch 400 keine Natürliche Zahl ergibt.