Tornado (Wetter)
Ein Tornado (span drehend), auch Großtrombe oder Wind- oder Wasserhose, amerikanisch Twister genannt, ist ein kleinräumiger Luftwirbel in der Erdatmosphäre, der eine mehr oder weniger senkrechte Drehachse aufweist und im Zusammenhang mit konvektiver Bewölkung (Schauer- oder Gewitterwolken, Cumulus und Cumulonimbus) steht (Unterschied zu Kleintromben), wobei sich der Wirbel durchgehend vom Boden bis zur Wolkenuntergrenze erstreckt. Diese Definition geht auf Alfred Wegener (1917) zurück und ist in dieser Form heute noch allgemein anerkannt.Die Begriffe Wind- und Wasserhose (engl.: Waterspout) bezeichnen im deutschen Sprachraum Großtromben (Tornados im weiteren Sinne) über Land beziehungsweise Wasser. Windhose ist dabei ein Synonym für einen Tornado im engeren Sinne über Land.
Die Bezeichnung "Windhose" wird jedoch von Meteorologen zunehmend abgelehnt. Zum einen wurde der Begriff in der Vergangenheit undifferenziert für verschiedene Phänomene im Zusammenhang mit plötzlich auftretenden starken Winden verwendet (zum Beispiel Gewitterfallböe). Zum anderen wird der Eindruck eines Unterschieds zwischen "großen" Tornados in Nordamerika und "kleinen" Windhosen in Europa erweckt. Ein Unterschied zwischen Windhosen und Tornados besteht jedoch weder bezüglich ihrer physikalischen Natur noch ihrer Intensität.
Eine weiterer Entstehungsmechanismus setzt keine Mesozyklone voraus - hier wird eine vorhandene bodennahe Rotation durch einen darüber befindlichen Aufwind einer Schauer- oder Gewitterwolke verstärkt. Unter diesen eher schwächeren Tornadotyp fallen auch die meisten Wasserhosen. Tornados entstehen über Land am häufigsten im Frühsommer, wobei das Maximum mit zunehmenden Breitengraden später auftritt. Über Wasser wird das Maximum im Spätsommer erreicht, da dann die Wassertemperaturen am höchsten sind.
Der Drehsinn von Tornados ist auf der Nordhalbkugel überwiegend zyklonal, d.h. entgegen dem Uhrzeigersinn. Dies ist aber kein unmittelbarer Effekt der Corioliskraft - dafür sind Tornados zu kleinräumig. Die Corioliskraft bestimmt vielmehr zusammen mit der Bodenreibung, welche stark orographisch beeinflußt ist, das großräumige Windprofil von Tiefdruckgebieten in deren Bereich Tornados entstehen können. Hierdurch überträgt sich in den meisten Fällen der zyklonale Drehsinn auf die Mesozyklone und damit auf den Tornado. Auf der Südhalbkugel gilt entsprechendes für antizyklonale Rotation.
Neben den beobachteten Tornados in Deutschland gibt es eine hohe Dunkelziffer vor allem schwächerer Ereignisse. Schätzungen ergeben eine Gesamtzahl von 30 Fällen oder mehr pro Jahr, wobei jährlich mit 1 bis 3 F2, mit einem F3 alle drei bis fünf und einem F4 alle 20 bis 30 Jahre gerechnet werden muss. Ein F5 ist ein Jahrhundertereignis oder noch seltener. Diese Grafik zeigt alle bekannten F3- und F4-Tornados in Deutschland seit 1900, mit Zuordnung zu den Bundesländern.
Derzeit erlaubt die Datenbasis für Mitteleuropa keine Aussage, ob Tornados auf Grund der gobalen Klimaerwärmung häufiger auftreten, da der Anstieg der beobachteten Fälle auf eine bessere Erfassung in den letzten Jahren zurückzuführen ist. In den USA existiert dank systematischer Tornadoforschung seit den 50er Jahren und bedingt durch die hohen Fallzahlen eine belastbare Statistik.
Diese zeigt aber weder eine Tendenz zu vermehrtem Auftreten noch zu größerer Heftigkeit von Tornados, wie im IPCC-Bericht von 2001 dargelegt.
Entstehung
Die Entstehung von Tornados ist bis heute nicht eindeutig geklärt und kann während des ganzen Jahres erfolgen. Voraussetzung für die Entstehung ist einerseits eine labile Luftmasse, die bodennah feucht und warm in der Höhe aber kühl und trocken ist, zum anderen eine starke Windscherung, das heißt eine Zunahme der Windgeschwindigkeit und Änderung der Windrichtung mit der Höhe. Diese Wetterbedingungen ermöglichen die Bildung Gewitterzellen mit einem rotierenden Aufwind (Mesozyklone), sogenannte Superzellen, welche sich durch Langlebigkeit bis zu mehreren Stunden und heftige Begleiterscheinungen, wie großem Hagel, Sturzregen und Gewitterfallböen bis über 200 km/h auszeichnen. Bei etwa 30 % aller Superzellen kommt es zur Bildung von Tornados.Größe und Aussehen
Im Anfangsstadium ist ein Tornado zunächst fast unsichtbar. Erst wenn im Inneren des Wirbels durch den sinkenden Druck Wasserdampf kondensiert oder Staub, Trümmer, Wasser und dergleichen aufgewirbelt werden tritt der Tornado auch optisch in Erscheinung. Ein durchgehende Kondensation von der Wolke bis zum Boden ist aber nicht in jedem Fall zu beobachten. Die Gestalt des Luftwirbels ist sehr vielfältig und reicht von dünnen schlauchartigen Formen bis zu einem mehr oder weniger breiten sich nach oben erweiternden Trichter, wie diese Beispiele (Public Domain) zeigen. Dabei kann der Durchmesser einige Meter bis hin zu 500 m, sogar bis über 1 km betragen. Nicht selten treten bei großen Durchmessern mehrere Wirbel auf, die um ein gemeinsames Zentrum kreisen, was als Multivortex-Tornado bezeichnet wird.Lebensdauer und Geschwindigkeiten
Die Lebensdauer eines Tornados beträgt zwischen wenigen Sekunden bis hin zu über eine Stunde, durchschnittlich liegt sie unter 10 Minuten. Die Vorwärtsbewegung eines Tornado beträgt im Mittel etwa 50 km/h, die interne Rotationsgeschwindigkeit des Windes ist jedoch wesentlich höher. Diese Rotationsgeschwindigkeit ist für die verheerenden Verwüstungen verantwortlich, die ein Tornado hinterlassen kann. Die höchste je registrierte Windgeschwindigkeit innerhalb eines Tornados wurde am 3. Mai 1999 bei Bridge Creek, Oklahoma (USA) mit einem Doppler-Radar bestimmt. Mit 510 km/h lag sie am oberen Ende der Klasse F5 der Fujita-Tornado-Skala und ist damit die höchste je gemessene Windgeschwindigkeit auf der Erdoberfläche überhaupt.Klassifizierung
Die Klassifizierung erfolgt nach der Fujita-Tornado-Skala, welche über die Windgeschwindigkeit definiert ist. In der Praxis wird letztere aber mangels direkter Messungen anhand der vom Tornado verursachten Schäden geschätzt. In den USA sind etwa 88% der beobachteten Tornados schwach (F0, F1), 11% stark (F2,F3) und unter 1% verheerend (F4,F5). Diese Verteilungsfunktion ist weltweit sehr ähnlich.Verbreitung
Tornados werden weltweit überall da beobachtet, wo es auch Gewitter gibt. Schwerpunkte sind Regionen mit fruchtbaren Ebenen in den Subtropen bis in die gemäßigten Breiten; an erster Stelle der Häufigkeit nach der Mittlere Westen der USA, wo die klimatischen Bedingungen für die Bildung von Schwergewittern und Superzellen sehr günstig sind. Daneben aber auch in Argentinien, Mittel- und Süd- und Osteuropa, Südafrika, Bengalen, Japan und Australien.Häufigkeit
Jährlich werden in Deutschland etwa 10 bis 20 Tornados registriert, in den USA liegt die Zahl bei 1200 Tornados pro Jahr. Die meisten Tornados entstehen in Texas, Oklahoma, Kansas und Nebraska (Tornado Alley). Dort sind es etwa 500 bis 600 jedes Jahr.
Wie in den USA sind auch die meisten europäischen Tornados schwach. Verheerende Tornados sind zwar selten, doch sind bisher acht F4- und zwei F5-Ereignisse aus Deutschland dokumentiert. Letztere wurden bereits von Alfred Wegener 1917 in einer Arbeit zur Tornadoklimatologie Europas beschrieben. Weitere verheerende Fälle sind aus Nordfrankreich, den Benelux-Staaten sowie aus Oberitalien bekannt. Beispielfälle starker und verheerender Tornados aus Deutschland
Diese Auswahl zeigt signifikante Ereignisse (F2 - F5), die aufgrund von Erscheinung oder Jahreszeit von Interesse sind. Ein umfassendes Archiv findet sich bei TorDACH.
F2 | F3 | F4 | F5 |
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13. Januar 2004 Assel (Gemeinde Drochtersen bei Stade) | 23. Juni 2004 Micheln (Sachsen-Anhalt), mehrere Verletzte, etwa 300 Gebäude beschädigt | 10. Juli 1968 Pforzheim, 2 Tote, über 200 Verletzte zum Teil lebensgefährlich, 1750 Häuser beschädigt | 23. April 1800 Hainichen (Erzgebirge) |
29. Juni 1997 Vier F2-Tornados in Niedersachsen mit bis zu 85 km Spurlänge. Am schwersten betroffen Bissendorf bei Osnabrück. | 5. Mai 1973 Kiel, 1 Toter | 1. Juni 1927 Auen-Holthaus (Emsland), verheerende Schäden, Kühe durch die Luft gewirbelt, weitere schwere/verheerende Tornados am gleichen Tag unter anderem in den Niederlanden. | 29. Juni 1764 Woldegk (Mecklenburg), ausführliche Dokumentation (siehe Weblink) |
Siehe auch: Staubteufel
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Literatur
Weblinks