Timur Lenk
Timur Lenk auch Timur-i Lenk, Timur Läng, Timur Khan (* 1336, Kesh, † 1405, Tschimkent) war ein mittelasischer Anführer und Eroberer am Ende des 14. Jahrhunderts. Timur bedeutet auf mongolisch "Eisen", den Beinamen Lenk ("der Lahme") erhielt er wegen seiner wohl aufgrund eines Bogenschusses gelähmten linken Körperhälfte. "Timur der Lahme" wurde in Europa zu dem hier gebräuchlichen Namen Tamerlan verkürzt.Timur Lenk sah sich (fälschlicherweise) als Nachfahre Dschingis Khans und wollte dessen Reich erneuern. Timur entstammte dem im 14. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten, türkisierten Mongolenstamm der Barlas - sein Vater war ein Tatar und seine Mutter eine Mongolin.
Timur stieg im Dienst des Tschagatai-Khans Tughluq Timur († 1363) auf und erlangte zwischen 1364 und 1370 unter Ausschaltung der Tschagatei-Khane (das heißt Tughlug Timurs Sohn Ilias Hoja) und weiterer Rivalen (Hussain, ermordet 1369) die Herrschaft über Transoxanien. Er vollendete die Islamisierung der in Mittelasien eingewanderten Mongolen, die allerdings schon unter Tarmaschirin (1327-34) ihren Höhepunkt erlebt hatte. In der Theorie galt in seinem Reich die mongolische Jassa, in der Praxis eher die Schari'a, das islamische Gesetz.
Timur Lenk schuf eines der größten und kurzlebigsten Reiche, die jemals in Mittelasien existierten. Dabei erlangte er den Ruf eines skrupellosen Eroberers, der die Bevölkerung in den eroberten Gebieten und Städten in großer Zahl ermorden und Aufstände gnadenlos unterdrücken ließ (Schädelpyramiden). Timur ließ Handwerker und Gelehrte nach Buchara und Samarkand verschleppen, um das "Zentrum der Welt" - seiner Welt prachtvoll - auszubauen. In Mittelasien entstand in der Folge ein eigener (der timuridische) Architekturstil, während die islamische Welt insgesamt aufgrund seiner Zerstörungswut einen Niedergang erlebte.
Die Hauptstadt von Timurs Reich war Samarkand im heutigen Usbekistan. Dort empfing er unter anderem eine spanische Gesandtschaft (unter Clavijo) und wechselte Gesandtschaften mit Ming-China, letzteres um sich in seinen unablässigen Kämpfen den Rücken freizuhalten.
Bereits 1394 kontrollierte Timur Lenk ein Gebiet, das sich von Teilen des heutigen Iraks (Mesopotamien, Iran (das damalige Persien, Aserbaidschan, Usbekistan, Armenien und Georgien erstreckte. Im Osten erreichten seine Truppen über Moghulistan die Grenze zur Mongolei.
In den Jahren 1391 und 1395 errang Timur entscheidende Siege über die Mongolen der Goldenen Horde unter Toktamisch, deren Reich danach unaufhaltsam zerfällt. 1398 eroberte er Delhi, 1401 fielen Damaskus sowie Bagdad in seine Hände und 1402 besiegte er (zu dem Zeitpunkt schon fast blind) den Osmanen-Sultan Bajazet bei Ankara, wo dessen Truppen zum Teil überliefen. Bajazet wurde gefangen und Timur wurde nun auch in Europa "berühmt".
Als ein letztes Problem sah Timur seine allerdings unbedeutende Vasallen-Stellung gegenüber dem China der Ming-Dynastie, dem er Tribut hatte zahlen müssen. 1405 brach er mitten im Winter zum Feldzug nach China auf, starb aber in der Nähe des heutigen Tschimkent in Kasachstan. Er wurde in Samarkand bestattet, sein Mausoleum Gur-e Amir ist eines der bedeutendsten Architekturdenkmäler dieser Stadt.
Timur war nur ein "Emir", der allerdings in das Haus Tschagatais eingeheiratet hatte und so den Titel Gurgani (benutzt im Sinne von "Königlicher Schwiegersohn", mongolisch: Gurqan - "Alleinherrscher") beanspruchen konnte. Ein Khan wurde er nie, er hatte stattdessen zwei Khane aus dem Haus Tschagatai zu seiner Legitimation eingesetzt. Die von ihm so begründete Dynastie der Timuriden herrschte bis Anfang des 16. Jahrhunderts in Transoxanien (bis 1500/01) und Persien (bis 1506/07). Einer seiner Enkel, Mohammed Babur Khan, gründete 1526 das Mogulreich.
Timur Lenk ist immer wieder musikalisches Sujet gewesen: Georg Friedrich Händel schrieb die dramatische Oper Tamerlan (Libretto von Nicola Francesco Haym), Rudolf Nelson die Musik und Kurt Tucholsky den Text zu einem gleichnamigen Kabarett-Song ("Mir ist heut so nach Tamerlan zu Mut - ein kleines bisschen Tamerlan wär gut").
Krieg und Kunst
Aus Ryszard Kapuscinski, "Imperium. Sowjetische Streifzüge", Eichborn Verlag
"Sein Name erzeugte Jahrzehnte lang Furcht und Schrecken (...) seine Armeen waren berüchtigt wegen ihrer Grausamkeit. Wo Timur auftauchte, schreibt der arabische Historiker Said Wosifi, strömte das Blut aus den Menschen wie aus Krügen und der Himmel nahm die Farbe von Tulpen an. (...) Den Besiegten ließ er die Köpfe abschlagen und aus ihren Schädeln Türme, Mauern und Wege bauen. (...) Er ließ den Kaufleuten die Bäuche aufschlitzen, um dort nach Gold zu suchen. (...) Er ließ seine Feinde und Gegner vergiften. (...)
Er brachte den Tod und diese Aufgabe nahm ihn die eine Hälfte des Tages in Anspruch. In der zweiten Tageshälfte widmete er sich der Kunst. Timur förderte die Kunst mit der selben Hingabe, mit der er Menschen abschlachten ließ. (...) Es muss auch gesagt werden, dass Timur nicht alle Menschen umbringen ließ. Er befahl jeden am Leben zu lassen, der künstlerisches Talent besaß. Das beste Asyl im Reich Timurs war die Begabung. (...) Er warb um jeden einzelnen Künstler. Er ließ keinem auch nur ein Haar krümmen (...) Die Künste blühten. (...) Was nicht makellos war, ließ er niederreißen, und er besaß einen absoluten Geschmack. Er verglich die verschiedenen Formen der Ornamente, achtete auf die Feinheit der Zeichnung, die Reinheit der Linie. Und dann stürzte er sich wieder in einen neuen Feldzug, ein Blutbad, in Flammen, in Kriegsgeschrei. (...)
Die Schere Timurs besitzt zwei Messer, ein schöpferisches und ein zerstörerisches. Diese Messer prägen das Handeln jedes Menschen. Nur dass sie für gewöhnlich nicht so weit auseinanderklaffen. Bei dem einen klaffen sie mehr auseinander, bei dem anderen weniger. Bei Timur war die Schere bis zum Anschlag geöffnet. (...) Am Eingang (zu Timurs) Mausoleum steht eine Inschrift, die von Timur selbst stammt: Glücklich, wer die Welt aufgegeben hat, ehe die Welt ihn selbst aufgab. Er starb im Jahre 1405 mit 69 Jahren, auf einem Kriegszug nach China."