Theater am Schiffbauerdamm
Das Theater wurde am 19. November 1892 als "Neues Theater" am Schiffbauerdamm 4a/5 in Berlin mit Goethes IPHIGENIE AUF TAURIS eröffnet. Der neobarocke Bau des Architekten Heinrich Seeling gilt als eines der prächtigsten Theater Deutschlands und steht heute unter Denkmalschutz.Auf dem Spielpan des privaten Theaters standen zunächst neben zeittypischer Unterhaltungsliteratur auch Uraufführungen (wie Gerhart Hauptmanns WEBER 1893 und Stücke der jungen naturalistischen Dramatiker (Arno Holz und Max Halbe). Später waren Erst- und Uraufführungen von Maeterlinck und Frank Wedekind zu sehen.
Von 1903 bis 1906 stand das Haus unter der Direktion Max Reinhardts, der hier Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM inszenierte, außerdem Hugo von Hoffmannsthals ELEKTRA und Oscar Wildes SALOME (1905). Es wurden Stücke von Nestroy, Schiller, Thoma, Lessing und Frank Wedekind gespielt.
Zwischen 1906 und 1925 unter wechselnden Direktionen hauptsächlich Unterhaltungs- und Operettentheater.
1925 wieder "anspruchsvolles" Schauspiel: Stücke von Georg Kaiser, Carl Zuckmayer (Uraufführung DER FRÖHLICHE WEINBERG) und anderen. Von 1926 bis 1928 zweite Spielstätte der "Volksbühne".
1928 gab Ernst-Josef Aufricht mit der Uraufführung der DREIGROSCHENOPER von Bertolt Brecht / Kurt Weill seinen Einstand als Direktor. Weitere Uraufführungen von Elisabeth Hauptmann, Ernst Toller (FEUER AUS DEN KESSELN) und Ödön von Horváth (ITALIENISCHE NACHT). Brecht und Erich Engel inszenierten PIONIERE IN INGOLSTADT von Marieluise Fleißer. Aufricht gründete die "Versuchsbühne für experimentelle Theaterwerke": Gustaf Gründgens zeigte seine erste Regie: ORPHEUS von Jean Cocteau; die Uraufführung GIFTGAS ÜBER BERLIN von Peter Martin Lampel wird zu einem Skandal und nach der Premiere von der Zensur verboten. Zum Ensemble gehörten in dieser Zeit Lotte Lenya, Carola Neher, Hilde Körber, Helene Weigel, Ernst Busch, Ernst Deutsch, Kurt Gerron, Theo Lingen, Peter Lorre, Erich Ponto und Leonhard Steckel.
Ab 1931 "Deutsches Nationaltheater am Schiffbauerdamm". 1932 gastiert hier das proletarisch-revolutionäre Theaterkollektiv "Truppe 1931" (DA LIEGT DER HUND BEGRABEN von Gustav v. Wangenheim).
Von 1933 bis zur kriegsbedingten Schließung 1944 war das Theater im wesentlichen populärer Unterhaltung und "Durchhalte-Ideologie" verpflichtet.
Nach dem Krieg übernahm für kurze Zeit der Schauspieler Rudolf Platte, 1946 Fritz Wisten die Direktion. Es spielen u.a. Steffie Spira, Marianne Wünscher, Franz Kutschera, Rolf Ludwig und Armin Müller-Stahl.
Seit 1954 Spielstätte des 1949 von Helene Weigel und Bertolt Brecht gegründeten BERLINER ENSEMBLES. Brecht inszenierte hier u.a. den KAUKASISCHEN KREIDEKREIS, gemeinsam mit Erich Engel LEBEN DES GALILEI mit Ernst Busch in der Titelrolle. Helene Weigel spielte MUTTER COURAGE und DIE MUTTER, Mitarbeiter sind John Heartfield, Karl von Appen als Bühnenbildner, Hanns Eisler und Paul Dessau als Komponisten. Es spielten am "BE": Therese Giehse, Jutta Hoffmann, Angelika Hurwicz, Regine Lutz, Gisela May, Käthe Reichel, Curt Bois, Ernst Busch, Erwin Geschonneck, Wolf Kaiser, Ekkehard Schall, Hilmar Thate u.a.
Nach Helene Weigels Tod 1971 leitete Ruth Berghaus bis 1977 das Haus. Der versuchte künstlerische Aufbruch, der seinen Ausdruck u.a. in der Aufführung von Heiner Müllers ZEMENT fand, führte zu ihrer Absetzung und der Einsetzung Manfred Wekwerths, der die Direktion bis 1991 behielt. Intendanten seit 1992 waren Peter Zadek, Peter Palitzsch, Fritz Marquardt, Matthias Langhoff, Heiner Müller. Seine legendäre Inszenierung von Brechts ARTURO UI steht bis heute auf dem Spielplan. Nach Müllers Tod 1995 übernahmen Martin Wuttke und Stephan Suschke die Leitung des BERLINER ENSEMBLES.
Zur Spielzeit 1999/2000 wird Claus Peymann künstlerischer Leiter des Hauses. Im Zentrum steht das Theater der Gegenwart mit wichtigen Uraufführungen deutschsprachiger Autoren wie Elfriede Jelinek, Franz Xaver Kroetz, Christoph Ransmayr, Botho Strauß, Peter Turrini. Das Repertoire umfasst daneben heutige, moderne Inszenierungen "klassischer" Autoren wie Shakespeare, Lessing, Ibsen, Brecht, Beckett und vielen anderen... Als Regisseure arbeiten außer Claus Peymann und George Tabori jetzt und in der nächsten Zukunft am BE: Luc Bondy, Edith Clever, Leander Haußmann, Thomas Langhoff, Frank-Patrick Steckel, Philip Tiedemann, Robert Wilson, Peter Zadek.