Technikgläubigkeit
Mit Technikgläubigkeit bezeichnet man eine Sichtweise, welche die Zukunft der Menschheit durch Fortschritte in Wissenschaft, Technik und Forschung fast ausschließlich positiv sieht.Diese Sichtweise - oder ihr Gegenteil - ist offenbar stark durch den allgemeinen Zeitgeist geprägt und gewissen Modewellen unterworfen.
Sie war bis etwa 1980 - und teilweise bis heute - ein wichtiger Motor für technische und gesellschaftliche Entwicklungen, prägte weite Teile der Medienlandschaft und stellte die Zukunfts-Hoffnungen höher als die Ängste vor Neuem. In den 1960er Jahren hatten auch die erstaunlichen Erfolge der Weltraumfahrt bei Nachrichten- und Wettersatelliten, Astronomie, Telemetrie und Werkstoffkunde die Erwartungen in den allgemeinen Fortschritt beflügelt.
Um 1970 jedoch erstarkte die Gegenbewegung, die jede Weiterentwicklung der Technik mit großer Skepsis beäugte. In Akademikerkreisen hatte die Technikskepsis schon durch die Studenten-Revolution 1968 und den ersten Bericht des Club of Rome 1972 begonnen¹; verstärkt wurde sie durch die Erdölkrise 1973 und die lange Dauer des Kalten Krieges. Doch auch die enormen Kosten der bemannten Mondflüge (ab 1969), die global verstärkte Aufrüstung und Tests mit Atomwaffen verwandelte die Zukunftshoffnungen vieler Menschen in Ängste und eine offene oder versteckt-unbewußte Technikfeindlichkeit.
In den 1970ern entstanden zahlreiche Bands der Unterhaltungsmusik, die sich für gesellschaftlich umstrittene Fragen (Friedensbewegung und Themen der Katholikentage, technische Mittel der Kommunikation, Abrüstung, Fortschrittsgläubigkeit usw.) engagierten (siehe z.B. Grobschnitt oder ...). Andere bekannte Popmusiker, aber auch die Beatles, exponierten sich in diesen Themen weniger.
Heute ist in der Kunst ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Technikängsten und -Hoffnungen zu vermerken.
Sehr stark wirkte die Technik-Euphorie in die Zukunftsliteratur hinein (keineswegs nur in die Science Fiction), und heute wieder in der - etwas beschiedener und preisgünstiger gewordenen - Raumfahrt. Technisch stark beeinflusste Fachgebiete wie Physik, Elektrotechnik und Astronomie sind naturgemäß positiver zu neuen Entwicklungen eingestellt, ebenso die Fotografie (s. Digitalkameras), die Kommunikations- und Computertechnik sowie die meisten Medien.
In der Zeit des Nationalsozialismus herrschte eine besonders ausgeprägte Technikgläubigkeit, die sich bis zur Erwartung steigerte, durch die sogenannten "Wunderwaffen" wie Überschall-Jagdflugzeuge und die V2 (A4) die absehbare Niederlage im 2. Weltkrieg zu verhindern oder abzuschwächen.
Auch manche religiösen Bewegungen der Geschichte waren stark fortschrittsorientiert, andere wieder tendierten zum Gegenteil.
¹) Der "Club of Rome" veröffentlichte 1972 den von Dennis Meadows zusammengestellten Bericht "Die Grenzen des Wachstums". Bis heute wurden von diesem Buch 12 Millionen Exemplare in 37 Sprachen verkauft.
Siehe auch: Kernkraft, Medizin, Umweltschutz ...