Stratigrafie
Stratigrafie ist ein Teilgebiet der angewandten Geowissenschaften. Das Kunstwort aus dem Lateinischen Stratum = Lager, Decke und Griechischen grápheïn = (be)schreiben bezeichnet die Untersuchung von Schichtungen und ihre zeitliche Zuordnung. Stratigrafische Analysen sind vor allem für die Geologie und Archäologie von Bedeutung und helfen bei der relativen oder absoluten Datierung von Ablagerungen und Formationen.
Stratigraphie (stratum: lateinisch für Schicht) ist als Zweig der Historischen Geologie die Grundlage zur Rekonstruktion der Entstehung der Erde. Ziel ist die Aufstellung einer Zeitskala zur Datierung der vergangenen geologischen Vorgänge auf der Erde (Murawski/Meyer, 1998).
Untersuchungen in der Stratigraphie laufen grundlegend in zwei Schritten ab: In einem analytischen Teil werden die Geländedaten erfaßt und aufbereitet. Anschließend folgt die Interpretation dieser Daten in zahlreichen Unterdisziplinen, wie z.B. der Geochronologie, Paläogeographie oder der Archäometrie (Rey, 1991).
Die Geochronologie als Unterdisziplin beschäftigt sich zum Beispiel im Speziellen mit der Zeitmessung und Zeitbestimmung der erdgeschichtlichen Vergangenheit. Die Biostratigraphie hingegen untersucht vor allem die Entwicklung der fossilen Lebensformen in der Entwicklung der Erde. Für alle Unterdisziplinen aber gilt, dass sie ohne das Wissen der Nachbardisziplinen nicht auskommen, so dass selten klare und eindeutige Grenzen zwischen ihnen gezogen werden können (Franke, 1969).
Grundlage der Stratigraphie sind die Gesteine, die anhand organischer und anorganischer Merkmale und Inhalte nach ihrer zeitlichen Bildungsfolge geordnet werden (Murawski/Meyer, 1998).
Bei der Stratigrafie handelt es sich um Untersuchung, Betrachtung sowie zeitliche Bildungsfolge von Gesteinen mit all ihren anorganischen und organischen Merkmalen und Inhalten (z.B. Sedimenten und Fossilien). Im allgemeinen gilt das bei ungestörter Lagerung die tieferliegenden Gesteinsschichten älter sind als die höherliegenden (Steno 1669). Je nach dem wie die zeitliche Einordnung der Gesteine erfolgte, spricht man von Biostratigraphie (durch Fossilien), Orthostratigrafie (durch Leitfossilien), Lithostratigrafie (Vergleiche von Gesteinszusammensetzung) und Magnetostratigrafie. Zusätzliche Interpretationen finden durch weitere Unterdisziplinen Geochronologie, Paläogeografie und Archäometrie statt.
Somit ermöglicht die Stratigrafie das Erstellen einer Zeitskala zur Datierung von geologischen Ereignissen und Vorgängen.
Z.B. diese:
Diese Einteilung und Datierung ist großteils nur relativ und wird durch Schichtlücken, Abtragungen und tektonische Bewegungen erschwert.
In den 1960er Jahren entdeckte man, dass sich das Erdmagnetfeld mehr oder weniger regelmäßig im Abstand von einigen zehntausend Jahren umpolt. Dies lässt eine weitreichende Datierung zu und führte zum Wissensgebiet des Paläomagnetismus und wichtigen Erkenntnissen für die Geophysik der Plattentektonik und Kontinentaldrift.
Als archäologische Stratigrafie bezeichnet man die bei Ausgrabungen die in einem vertikalen Schichtprofil feststellbare Abfolge von Straten, die durch natürliche Ablagerungen und anthropogene Eingriffe (Graben, Schacht, Brunnen, Pfostenloch, Planierung, Verfüllung etc.) entstanden ist.
Die zeitliche Einordnung von in der Fläche ergrabenen Befunden kann durch das Verhältnis dieser Schichten zueinander relativ bestimmt werden als: älter / jünger / zeitgleich / keine direkte Beziehung.
Hilfsmittel dabei sind unter anderem geologische Schichtanalysen samt C14-Datierung (siehe oben), Artefakte und Bruchstücke von Tongefäßen, Hölzer und Pollenanalysen, Färbung der Erde und Brandschichten.
Die relative Altersbestimmung war die erste Form der Datierung, die in der Geologie zur Rekonstruktion der Erdgeschichte herangezogen wurde. So wurde im 19. Jahrhundert mit den grundlegenden Prinzipien der horizontalen Ablagerung und dem Prinzip der Lagerungsfolge eine chronologische Reihenfolge erstellt. Die Probleme, die sich dabei ergaben liegen in einer sinnvollen Einordnung des Alters: Wie sich bereits beim Abschnitt über die Sedimente herausgestellt hat, können weder die Dicke der Schichten noch die Abfolge der Schichten Auskunft über die Dauer der Entstehung einer solchen Schicht geben. Hinzu kommen zeitliche Lücken, d.h. Schichten die vor der Ablagerung einer nächsten Schicht abgetragen wurden und so eine sogenannte Schichtlücke bilden. Dies tritt zum Beispiel bei tektonischen Aktivitäten auf. Ein solchen Phänomen wird auch als Winkeldiskordanz bezeichnet: Mit der Gebirgsbildung setzt eine Abtragung ein, die zu einer Einebnung der Erdoberfläche führt. Anschließend lagern sich jüngere Sedimente auf der ehemaligen Abtragungsfläche ab.
Solche und weitere Störungen der Lagerungsverhältnisse erlauben eine zeitliche Einordnung der Deformations- und Intrusionsereignisse, da diese offensichtlich nach der Bildung der betroffenen Sedimentschichten eingetreten sind. So lassen sich diese Ereignisse in einen relativen Rahmen einordnen, der durch die stratigraphische Abfolge vorgegeben ist.
Im Zusammenhang mit der Entdeckung von Fossilien hat sich ein weiterer Zweig der Stratigraphie herausgebildet, die Biostratigraphie. So werden Fossilien zur relativen Datierung herangezogen, indem fossile Ablagerungen verglichen werden. Gleiche Fossiliengehalte ermöglichen eine Korrelation von Gesteinsformationen.
Auf diese Weise wurden stratigraphische Abfolgen mit den fossilen Ablagerungen kombiniert und alle Formationen miteinander korreliert. Dies ermöglichte eine erste für die ganze Erde anwendbare Zeitskala.
Auch die Unterteilung der Erdgeschichte in die verschiedenen Epochen wurde bereits aufgrund dieser relativen Datierungsmethoden vorgenommen. So ergibt sich nicht nur unser heutiges Bild von der Entstehung der Erdoberfläche, sondern auch von der Entstehung und Entwicklung der Pflanzen und Tiere.
Um eine zeitliche Vorstellung der Epochen zu bekommen, reichen relative Datierungsmethoden jedoch nicht aus. Die Forscher des späten 18. und des 19. Jahrhunderts setzen erstmals die Vorstellung durch, dass die Erde nicht innerhalb weniger tausend Jahre entstanden ist. Doch auch sie konnten zunächst nur schätzen, in welchen Zeiträumen die Erde und das Leben auf ihr tatsächlich entstanden ist (Press/Siever, 1995).
Im 20. Jahrhundert ermöglichten neue Erkenntnisse in den Naturwissenschaften verläßliche Methoden für eine absolute Datierung der geologischen Zeiträume. Durch die Erforschung der chemischen und physikalischen Vorgänge in der Natur war man in der Lage, die Uhren der Natur zu erkennen und Methoden zu entwickeln, diese Uhren zu lesen.
In Gesteinen sind dieser Anzeiger die Minerale, die Bestandteile der Gesteine sind und in denen während der Kristallisation radioaktive Elemente eingebaut werden. Bei der radiometrischen Altersbestimmung wird das Mengenverhältnis Mutter-/Tochterisotop in einem Mineral festgestellt. Das Ergebnis bedarf sorgfältiger geologischer Interpretationen, denn nur unter günstigen Bedingungen ist das radiometrische Alter der Mineralien gleich dem Alter der Gesteine.
Ein wichtiges Isotop ist das Kohlenstoff 14 (14C für Carbon 14) mit einer Halbwertszeit von etwa 5730 Jahren. Im Unterschied zu anderen radioaktiven Elementen wie Uran oder Rubidium ist Kohlenstoff ein wichtiger Bestandteil von organischem Material, also Pflanzen und Tieren. Durch die kosmische Strahlung gelangt das im Gegensatz zum stabilen Kohlenstoff, der nur 12 Teilchen im Atomkern hat, radioaktive 14C Isotop auch in die Biosphäre und wird somit in Anteilen auch von Pflanzen aufgenommen. Im Gegensatz zu den Messungen bei Steinen wird das 14C, da es gasförmig ist und somit entweichen kann, mit dem ursprünglichen Anteil an 14C in der Atmosphäre verglichen. Problematisch wird dies dadurch, dass in der Entwicklung der Erde schwankende 14C Anteile in den Atmosphäre vorhanden waren, so dass man heute diese Ergebnisse mit anderen absoluten Datierungsmethoden, wie der Dendrochronologie, zu eichen versucht.
Auch fossile Funde von Tieren und Menschen beinhalten 14C, das durch die Nahrungskette in die Organismen gelangt. So gelangt das radioaktive Isotop auch in die Knochen der Lebewesen und bleibt so erhalten. Daher können auch diese zur Bestimmung mit der 14C Methode herangezogen werden (Kastel, 1996).
Auch bei einigen Sedimenten kann eine Magnetisierung auftreten. Bei der Bildung von Sedimentschichten kann es zu einer dem Magnetfeld entsprechenden Ausrichtung der Verwitterungsprodukte kommen, die bei der Ablagerung bewahrt bleibt. Die chronologische Abfolge der Magnetfeldumkehrungen liefert also in Verbindung mit der thermoremanenten Magnetisierung einer Gesteinsfolge zuverlässige und weit zurückreichende Hinweise auf das stratigraphische Alter (Press/Siever, 1995).
Die Dendrochronologie wird auch benutzt, um den schwankenden 14C Gehalt der Atmosphäre zu ermitteln und so die 14C-Methode zuverlässig zu eichen (Mommsen, 1986).
- Landschaftsverband Rheinland 1999. Pflanzenspuren. Archäobotanik im Rheinland: Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeiten. Rheinland-Verlag.
- Mommsen, H. 1986. Archäometrie. Teubner Studienbücher.
- Murawski, H. und Meyer, W. 1998. Geologisches Wörterbuch. Ferdinand Enke Verlag.
- Press, F. und Siever, R. 1995. Allgemeine Geologie. Spektrum Akademischer Verlag.
- Rey, J. 1991. Geologische Altersbestimmung. Ferdinand Enke Verlag.
Allgemeine Definition
Stratigrafie in der Geologie
Erst die Entdeckung der Radioaktivität und die Entwicklung der radiometrischen Altersbestimmungen erlauben reelle zeitdimensionelle Vorstellung von geologischen Vorgängen und absolute Datierungen. Dabei sind die verschiedenen radiometrische Altersbestimmungen jeweils für bestimmte Zeitspannen tauglich. Die bekannte Kohlenstoffmethode C14-Methode ist z.B. nur für die jüngste geologische Vergangenheit (~ 70000 Jahre) verwendbar und wird hauptsächlich in der Archäologie zur Datierung eingesetzt.Stratigrafie in der Archäologie
Methoden der relativen Altersbestimmung
Methoden der absoluten Altersbestimmung
Radiometrische Altersbestimmung
Die Entdeckung der Radioaktivität durch Henri Becquerel 1896 führte zur Erkenntnis, dass die Radioaktivität aus dem Zerfall von chemischen Elementen hervorgeht. 1905 wurde die Kenntnis über den radioaktiven Zerfall erstmals zu einer genauen Altersbestimmung eines Gesteins herangezogen.
Radioaktive Elemente wie Uran oder Radium sind instabil. Atome von radioaktiven Isotopen (Atome eines Elementes mit gleichen chemischen Eigenschaften, die sich aber in der Atommasse unterscheiden) zerfallen innerhalb einer für jedes Isotop konstanten Zeit zu einem stabilen Endprodukt. Die Zeit, in der die Hälfte einer bestimmten Ausgangsmenge zerfällt, wird Halbwertzeit genannt. Das Ausgangsprodukt wird als Mutterisotop bezeichnet. Demzufolge ist das Zerfallsprodukt ein Tochterisotop. Für die sogenannte radiometrische Altersbestimmung von Steinen kommen die Isotope in Frage, deren Halbwertszeit groß genug ist, um die Erdgeschichte abzudecken. Sobald also ein radioaktives Element entstanden ist, läuft der Zerfall nach gesetzlichen Regeln und ist somit wie eine radioaktive Uhr, die eine Bestimmung der Entstehungszeit erlaubt.
Magnetische Datierung
Aus den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts stammt die Erkenntnis, dass das Magnetfeld der Erde mehrfach wechselnden Umpolungen unterlag. Durch die sogenannte Kalium-Argon-Datierung, einer radiometrischen Datierungsform, erhielt man ein Bild über die Veränderungen des erdmagnetischen Feldes. Den Paläomagnetismus kann man sich auch für die Altersbestimmung von Gesteinen zunutze machen. In Gesteinen mit ferromagnetische Mineralien kommt es beim Abkühlen es zu einer Fixierung der Atome. Diese richten sich nach den magnetischen Feldlinien aus und verändern sich anschließend nicht mehr. Dies bezeichnet man als thermoremanenten Magnetismus, d.h. auch bei einer Veränderung des Magnetfeldes zeigen die Gesteine die alte Magnetfeldrichtung an. Auch kleinere Richtungsänderungen im Magnetfeld sind für eine Datierung von Nutzen (Franke, 1969).
Dendrochronologie
Die Dendrochronologie ist zurückzuführen auf die Jahresringe eines Baumes. So werden zunächst an einem gerade gefällten Baum die einzelnen Jahresringe von außen nach innen gezählt. Oft ist eine signifikante Breite der einzelnen Jahresringe festzustellen, die sich auf bestimmte gute bzw. schlechte Wachstumsbedingungen und somit die Umwelteinflüsse zurückführen lassen. Diese charakteristischen Ringbreiten ermöglichen dann die Anpassung und Parallelisierung dieser typischen Ringfolgen mit älteren Bäumen in einer Region. In Mitteleuropa ist man so durch Ausmessung und Auswertung zahlreicher Holzstämme bereits bei Baumringfolgen bis, die bis etwa 7600 v. Chr. zurückreichen. Die Dendrochronologie zählt zu den genauesten Datierungsmethoden, hat jedoch den Nachteil, einen aus geologischer Sicht nur sehr kleinen Zeitraum abzudecken.Siehe auch
Formation, Geochronologie, geologische Zeitskala, Kontinentaldrift, Paläomagnetik, botanische Zeitskala, Gräberfeld, RingwallLiteratur
- Franke, H. 1969. Methoden der Geochronologie. Springer-Verlag.Weblinks
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