Stimmen über die Philosophie
Die Philosophie ist vieldeutig, vielgestaltig und daher notwendig auch vielstimmig. Wer nach dem "Wesen der Philosophie" fragt, findet fast so viele Antworten wie es Philosophen gibt. Eine solche Situation trifft man kaum in einer anderen Disziplin an, allenfalls noch in der Kunst. Wie diese erscheint die Philosophie geradezu "undiszipliniert", beliebig und daher bar jeder Wissenschaftlichkeit. Aber nicht wenige Stimmen finden gerade diese Situation dem Gegenstand der Philosophie durchaus angemessen.
- Nicht alle hier Zitierten zählen zu den Philosophen - oder vielleicht doch? "Philosophie ist die Wissenschaft, über die man nicht reden kann, ohne sie selbst zu betreiben." - Carl Friedrich von Weizsäcker (1971): Die Einheit der Natur
- Sogar der Volksmund nimmt die Philosophie in denselben: "Mit Philosophie stillt man Zahnweh nie. [Wo gehandelt werden muss, soll man nicht theoretisieren.]" - Deutsches Sprichwort
- Ein ernsthaft Philosophierender lässt indes das allzu Vulgäre nicht durchgehen: "Bist arm und bloß, Philosophie, so sagt der auf verächtlichen Gewinn bedachte Pöbel." - Petrarca († 1374): Das Buch der Lieder
- Mag ja sein, dass sich mit Philosophie gegen körperliche Gebrechen nichts ausrichten lässt, aber auf ihre Art ist auch sie eine Heilkunst: "Die wahre Medizin des Geistes ist die Philosophie." - Cicero († 43 v. Chr.)
- Dass sie im therapeutischen Hochbetrieb leicht übertönt wird, sieht ihm und ihr ähnlich: "Die Philosophie ist ein guter Rat: Einen guten Rat gibt niemand mit lauter Stimme." - Seneca († 65 n. Chr.): Moralische Briefe an Lucilius
- Ja, selbst das Leisereden ist irgendwie schon zu viel gesagt: "Die jungen Pythagoräer mussten fünf Jahre schweigen als Diener einer rechten Philosophie." - Christian Morgenstern (1919): Stufen
- Und sowas soll eine Wissenschaft sein? "Philosophie ist weniger Wissen als eine Stimmung: eine Stimmung der Stille, der Demut, des Staunens, der Ehrfurcht." - Hans Margolius († 1984)
- Also auch demütig soll sie sein, etwa wie im Mittelalter? "Die Fertigkeit in der Philosophie, einer nur menschlichen Wissenschaft, muss dem kirchlichen Lehramt wie eine Dienerin ihrer Herrin zu Diensten sein: Philosophia ancilla theologiae." - Petrus Damiani († 1072): Über die göttliche Allmacht
- Seitdem hat sie sich doch wohl von der Theologie ein gutes Stück emanzipiert, oder? "Eine oberflächliche Philosophie führt von Gott ab, eine tiefere führt zu Gott zurück." - Francis Bacon († 1626)
- So recht scheint einem keiner sagen zu können, woran man denn nun mit der Philosophie ist. "Ich will von der Philosophie nichts weiter sagen, als dass ich sah, sie sei von den vorzüglichsten Geistern einer Reihe von Jahrhunderten gepflegt worden, und dennoch gebe es in ihr nicht eine Sache, die nicht strittig und mithin zweifelhaft ist; und dass ich demnach nicht eingebildet genug war, um zu hoffen, es werde mir damit besser gehen als den anderen." - René Descartes (1637): Diskurs über die Methode
- Ist das nicht sehr bedauerlich? "Warum muss es nur so sein, dass sich die Fanatiker gegenseitig helfen, und die Philosophen sind uneinig und zersplittert?" - Voltaire († 1778)
- Was sind das denn nun eigentlich für strittige Sachen? "Das Feld der Philosophie lässt sich auf folgende Fragen bringen: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?" - Immanuel Kant (1800): Logik
- Und darüber lässt sich in der Philosophie kein Konsens erzielen? "Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist." - Johann Gottlieb Fichte († 1814)
- Ist Philosophie demnach eine ganz persönliche Angelegenheit? Oder hat es mit den "ewigen" Streitigkeiten noch eine andere Bewandtnis? "Philosophieren heißt die Allwissenheit gemeinschaftlich suchen." - Friedrich Schlegel († 1829)
- Dann reduziert sich wohl alles auf ein Kommunikationsproblem!? "Sobald alphabetisierte Schrift es ermöglicht, Kommunikationen über den zeitlich und räumlich begrenzten Kreis der Anwesenden hinauszutragen, kann man sich nicht mehr auf die mitreißende Kraft mündlicher Vortragsweise verlassen; man muss stärker von der Sache selbst her argumentieren. Dem scheint die "Philosophie" ihren Ursprung zu verdanken. Sie ist "sophia" als das Geschick, das erforderlich ist, um in einer so angespannten Lage doch noch ernsthafte, bewahrenswerte und, auf die Reichweite des Alphabets bezogen, universelle Kommunikation zu ermöglichen." - Niklas Luhmann (1984): Soziale Systeme
- Immerhin scheint der Wille, aufs Ganze zu gehen, trotz allem ungebrochen. "Die Philosophie ist eigentlich Heimweh, ein Trieb, überall zu Hause zu sein." - Novalis († 1801)
- Am liebsten würde sich der Philosoph wohl die Welt in die Tasche stecken? "Philosophen sind Gewalttäter, die keine Armee zur Verfügung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, dass sie sie in ein System sperren." - Robert Musil († 1942): Der Mann ohne Eigenschaften
- Aber "Philosophie" heißt doch nicht "Gewalt", sondern "Liebe" - zur Weisheit nämlich! "Ein Philosoph ist ein Mann, der in Ermangelung einer Frau die ganze Welt umarmt." - Peter Ustinov (1977): Ustinovitäten - Einfälle und Ausfälle
- Demnach wird in der Philosophie mächtig kompensiert, wenn es etwa heißt: "Der Mut der Wahrheit, der Glaube an die Macht des Geistes ist die erste Bedingung der Philosophie." - Georg Wilhelm Friedrich Hegel (+1831): Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
- Wirklich weltbeherrschend sind die großen Denker doch nie gewesen: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt darauf an, sie zu verändern. - Karl Marx (1845): Thesen über Feuerbach
- Marx und seine Weltrevolution gehören inzwischen allem Anschein nach ebenso der Vergangenheit an wie die totgesagte Philosophie. "Die Philosophie ist eine veraltete Mode, die noch manche Liebhaber findet, so wie andere rote Strümpfe tragen der Welt zum Trotz." - Vauvenargues (1746): Reflexionen und Maximen
- Da möchte man ja glatt auf der ganzen Linie resignieren. "Philosophieren heißt sterben lernen." - Michel de Montaigne († 1592): Die Essays
- Läuft hier also alles auf ein Memento mori hinaus? "Eine Philosophie, in der man zwischen den Seiten nicht die Tränen, das Heulen und Zähneklappern und das furchtbare Getöse des gegenseitigen allgemeinen Mordens hört, ist keine Philosophie." - Arthur Schopenhauer († 1860)
- Darüber hat man wohl mit all den optimistischen philosophischen Entwürfen zu leicht hinweggetröstet. "Des Unglücks süße Milch, Philosophie." - William Shakespeare (1597): Romeo und Julia
- Offenbar kann die letzte Philosophie keinen Trost mehr bieten. "Philosophie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Widersprüchlichkeit des Menschen uneingeschränkt zur Darstellung bringt." - Theodor W. Adorno († 1969)
- Ist das wirklich das letzte Wort über Wesen und Aufgabe der Philosophie? "Es gibt keine Definition der Philosophie. Ihre Definition ist identifiziert mit der expliziten Darstellung dessen, was sie zu sagen hat." - Max Horkheimer (1947): Zur Kritik der instrumentellen Vernunft
- Ist die letzte Philosophie auch die beste? "Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen - das ist die beste Philosophie." - Johannes XXIII (1940): Brief an Bruder Giovanni
- Das hört sich aber jetzt sehr kindisch an. "Ein wunderbares Zeichen dafür, dass der Mensch als solcher ursprünglich philosophiert, sind die Fragen der Kinder. Gar nicht selten hört man aus Kindermund, was dem Sinne nach unmittelbar in die Tiefe des Philosophierens geht." - Karl Jaspers († 1969)
- Da möchte man schlussfolgern: Philosophie ist einfach (und) kompliziert (zugleich). "Das Geschäft der Philosophie ist das Aussondern und systematische Zusammenstellen dessen, was sich von selbst versteht und wodurch alles andere muss verstanden werden." - Friedrich Heinrich Jacobi († 1819)
Die meisten der oben angeführten Stimmen sind im "Harenberg Lexikon der Sprichwörter & Zitate" (ISBN 3-611-00611-4) enthalten. Eine nachlesenswerte Sammlung bietet auch das Humboldt-Taschenbuch "Lebensweisheiten berühmter Philosophen" (ISBN 3-581-67146-8).