Stamokap
Stamokap (auch: SMK) ist die Abkürzung für staatsmonopolistischer Kapitalismus. Dieser Stamokap ist gemäß der Stamokap-Theorie, die sich auf dem Boden des Marxismus entwickelte, jene historische Phase des Kapitalismus, in der sich die Menschheit gegenwärtig befindet.
Table of contents |
2 Kernaussagen der Stamokap-Theorie 3 Literatur 4 Weblinks |
Die Stamokap-Theorie ist ein spezieller Theorieansatz im Rahmen des Marxismus, der bis zur Wende 1989/90 in den sozialistischen Ländern Europas, in den Kommunistischen Parteien Westeuropas, aber zum Teil auch in den sozialdemokratischen Jugendorganisationen in Deutschland und Österreich mitunter hegemonial war. Heute ist diese Theorie freilich umstrittener und gewissermaßen nur einer unter mehreren Ansätzen, was sich auch in den ideologischen Ausrichtungsdiskussionen in Deutschland vor allem in der PDS und zum Teil in der DKP oder in Österreich in der KPÖ oder auch in der SPÖ-nahen Sozialistischen Jugend (SJÖ) widerspiegelt.
Die Stamokap-Theorie geht im wesentlichen auf W. I. Lenin zurück. Er schreibt im 1917 veröffentlichten Nachwort zu seinem älteren Werk „Das Agrarprogramm der Sozialdemokratie“, dass der Erste Weltkrieg „den monopolistischen Kapitalismus in einen staatsmonopolistischen Kapitalismus verwandelte.“ (Lenin-Werke, Bd. 13, S. 436) – Dies ist die Geburtstunde des Stamokap-Begriffes, Lenin prägt diesen Terminus und bringt ihn in den Diskurs ein. Die ersten theoretischen Grundlagen dieses Theorieansatzes sind jedoch durchaus etwas älter.
Karl Marx und Friedrich Engels, vor allem letzterer, beobachteten bereits vor Lenin, dass sich der klassische Kapitalismus der freien Konkurrenz im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Monopolkapitalismus verwandelte. Das bedeutet, dass die Konzentration und die Zentralisation des Kapitals und der Produktion ein Ausmaß erreichen, durch welches wenigen Großunternehmen eine (markt-)beherrschende Stellung eingeräumt wird. Diese Unternehmen teilten die Märkte untereinander auf, trafen Absprachen über Preise, Löhne und zu produzierende Produktmengen. Hier „schlägt die freie Konkurrenz um ins Monopol“, erklärt Friedrich Engels (MEW 19, S. 220). Das Monopol ist im marxistischen Sinn eine Vereinigung der Großkonzerne zur Sicherung ihrer Profite, sie verschaffen sich systematisch Vorteile gegenüber kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), wodurch sie selbst ständig größer und mächtiger werden, während die kleineren, nichtmonopolistischen Unternehmen ständig in ihrer Existenz bedroht sind. Gleichzeitig kommt es zu einem wechselseitigen Verwachsen der großen Industrie- und Handelsunternehmen mit dem Bankkapital – daraus entsteht das monopolistische Finanzkapital. Der Kapitalismus trat damit also zunächst in sein monopolistisches Stadium.
Diesen Monopolkapitalismus analysiert Lenin in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ (1916 verfasst, 1917 veröffentlicht) als besonderes Entwicklungsstadium des Kapitalismus. Nach Lenin ist der Imperialismus (oder Monopolkapitalismus) das letzte, höchste, aber auch bereits ein durch parasitäre Charaktereigenschaften bestimmtes Stadium des Kapitalismus. Ebenfalls in dieser Schrift hält Lenin bereits fest, dass sich dieser Monopolkapitalismus weiterentwickelt zum Stamokap, dieser Prozess setzt laut Lenin mit dem Ersten Weltkrieg ein, nach dem Zweiten Weltkrieg – das hat Lenin freilich nicht mehr persönlich festgestellt – ist er in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern im wesentlichen abgeschlossen. Der Stamokap ist aber kein gänzlich neues Stadium des Kapitalismus, sondern nur die letzte Phase innerhalb des Imperialismus, innerhalb des monopolistischen Stadiums des Kapitalismus. Insofern ist die Stamokap-Theorie eine spezifische Weiterführung der Imperialismustheorie Lenins, das heißt, dass die von Lenin konstatierten Grundbedingungen des Imperialismus weiterhin wirken und bestimmend bleiben. Das Hauptmerkmal dieses Stamokap ist laut Lenin nun, dass durch die Allmacht der Großkonzerne, durch ihre Bedürfnisse und Zwänge, diese Monopole sich den Staatsapparat im steigenden Maße unterordnen, sie durchdringen die gesamte Gesellschaft und bestimmen Wirtschaft und Politik. Durch das Verwachsen der ökonomischen Macht der Konzerne mit der politischen und militärischen des Staates entwickelte sich der Imperialismus eben weiter und findet seine volle Entfaltung als Stamokap. Die staatsmonopolistische Phase des Imperialismus bedeutet also, dass es zu einer unmittelbaren Verquickung staatlichen Handelns und den Interessen der großen Konzerne, des Monopolkapitals, kommt. Der Stamokap zeichnet sich durch das zweckmäßige Verwachsen der Monopolverbände der großen Konzerne mit den staatlichen Organen aus. Dadurch entsteht eine effiziente politisch-ökonomische Herrschaftsstruktur, die alle Bereiche durchdringt. Die Mechanismen des Stamokap sind nun durch die staatliche Absicherung der gesteigerten Machtposition der Großunternehmen, durch die wechselseitige Einflussnahme von Politik und Wirtschaft, die im Interesse eben der Monopole geschieht, sowie durch die Tendenz zum Ausbau der Staatsgewalt in eine verstärkt autoritäre Richtung, die mit der Militarisierung im Inneren wie nach außen verknüpft ist, gekennzeichnet.
Zur Analyse des Imperialismus und des Stamokap haben andere Theoretiker bzw. Theoretikerinnen ebenfalls Beiträge geleistet, wenngleich es immer auch Widersprüche zu Lenin gibt, so z.B. Rudolf Hilferding („Das Finanzkapital“, 1910), Nikolai Bucharin („Imperialismus und Weltwirtschaft“, 1915 verfasst, 1917 veröffentlicht) oder auch Rosa Luxemburg („Die Akkumulation des Kapitals“, 1913). Ebenfalls eine gewisse Relevanz für den Stamokap-Ansatz haben die Schriften von Antonio Gramsci oder auch Georgi Dimitroff, die sich vor allem mit Fragen der gegen die den Imperialismus tragenden Elemente des Kapitalismus gerichteten Bündnispolitik all jener Schichten, die durch die großen Monopole (Konzerne) bedrückt werden, auseinandergesetzt haben.
Nach Lenins Tod gab es zunächst einen gewissen Stillstand in der Weiterentwicklung und Präzisierung seiner Thesen, schlussendlich nimmt Josef Stalin sogar in seinen „Ökonomischen Problemen des Sozialismus in der UdSSR“ (1952) auch eine gewisse Revision des Lenin’schen Stamokap-Begriffes vor. Nach Stalins Tod gibt es wieder einen offeneren Diskurs rund um die Stamokap-Analyse, vor allem in der DDR trauen sich Wissenschafter wieder, direkt an Lenins Vorgaben anzuknüpfen. In Ost-Berlin erscheinen in dieser Zeit die beiden zentralen Bücher zur Stamokap-Theorie im deutschsprachigen Raum, nämlich „Imperialismus heute“ (1965) und „Der Imperialismus der BRD“ (1971). Bereits zuvor, 1960, erfuhren Terminus und Theorie des Stamokap auch ihre Festsetzung in den offiziellen Parteiprogrammen der Kommunistischen und Arbeiterparteien auf deren Weltkonferenz in Moskau. Es wäre aber verfehlt, davon auszugehen, dass sich die Stamokap-Theorie auf die sozialistischen Länder beschränkte: sie fand auch Verbreitung unter Marxisten in den kapitalistischen Ländern Europas – von Italien bis nach Skandinavien und nicht zuletzt in Deutschland bei kleinen Teilen der SPD (z.B. Diether Dehm, seit 1999 bei der PDS), vor allem aber bei den Jusos, bei der SJD - Die Falken, bei DKP, SDAJ und PDS, sowie in Österreich vor allem in der Sozialistischen Jugend und der KPÖ. Bezüglich Deutschland und SPD-Jusos ist vor allem auf zwei Daten hinzuweisen. Einerseits auf das Jahr 1977, als Klaus Uwe Benneter, seit Februar 2004 Generalsekretär der SPD, neuer Vorsitzender der Jusos wurde. Als Anhänger der Stamokap-Theorie trat Benneter damals für breite antimonopolistische Bündnisse ein, was auch die Zusammenarbeit mit der DKP einschloss. Benneter wurde daraufhin aus der SPD ausgeschlossen, neuer Juso-Vorsitzender wurde Gerhard Schröder. Das andere wichtige Jahr für die deutschen Jusos ist 1980, als die sogenannten „Herforder Thesen“ publiziert wurden, in denen der damalige linke Bezirksvorstand der Jungsozialisten in der SPD Ostwestfalen-Lippe seine Thesen „zur Arbeit von Marxisten in der SPD“ formulierte, die sich wesentlich auf die Stamokap-Theorie stützten.
Auch außerhalb Europas fanden die strategischen Implikationen der Stamokap-Theorie einen realpolitischen Niederschlag. Die Regierung der Unidad Popular unter Salvador Allende in Chile von 1970 bis 1973 orientierte sich mit seiner antiimperialistischen, antimonopolistischen und antioligarchischen Politik eng an den Vorgaben der Stamokap-Bündnispolitik, zumal in dieser Volksfrontregierung neben den Sozialisten eben auch die Kommunisten (Luis Corvalan), Gewerkschaften und christliche Linke mitarbeiteten. Diese Strategie freilich ist durch den von den USA unterstützten Putsch unter Augusto Pinochet am 11. September 1973 damals gescheitert.
Wie oben bereits angeführt entwickelte sich aus marxistischer Sicht der Stamokap auf Grundlage des Imperialismus – er ist gemäß der Stamokap-Theorie dessen volle Entfaltung. Das bedeutet, dass auch dem Stamokap zunächst jene grundlegenden fünf Merkmale zugrunde liegen, die Lenin in seiner Schrift von 1916 für den Imperialismus (oder Monopolkapitalismus) insgesamt als charakteristische festgestellt hat. Diese klassische marxistische Imperialismus-Definition Lenins lautet: „1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen; 2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses &sbquoFinanzkapitals’; 3. der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung; 4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und 5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet. Der Imperialismus ist der Kapitalismus auf jener Entwicklungsstufe, wo die Herrschaft der Monopole und des Finanzkapitals sich herausgebildet, der Kapitalexport hervorragende Bedeutung gewonnen, die Aufteilung der Welt durch die internationalen Trusts begonnen hat und die Aufteilung des gesamten Territoriums der Erde durch die größten kapitalistischen Länder abgeschlossen ist.“ (Lenin-Werke, Bd. 22, S. 270 f.)
Die Stamokap-Analyse trifft nun aufgrund der Erkenntnisse Lenins mehrere darauf aufbauende Kernaussagen für die staatsmonopolistische Phase des Imperialismus. Dies sind hauptsächlich die folgenden:
1. Der Stamokap ist eine historische Phase des Spätkapitalismus, die durch besondere ökonomische und politische Merkmale gekennzeichnet ist. Was die ökonomische Seite betrifft, so spielen in jeder Branche eine kleine Anzahl großer Konzerne eine bedeutende Rolle. Diese Großunternehmen, die in einem widersprüchlichen Verhältnis aus Konkurrenz und Kooperation zueinander stehen, verfügen über eine immense Marktmacht und besitzen aufgrund ihres Monopolcharakters sowie ihrer Größenvorteile über entscheidende Rentabilitätsvorteile gegenüber anderen kleineren Unternehmen. Die Zentralisation und die Konzentration des Kapitals und der Produktion werden auf höherem Level fortgesetzt – dafür stehen einerseits die großen Fusionen und Übernahmen der Gegenwart, andererseits die jährlichen Pleitewellen seitens der kleinen und mittleren Unternehmen.
2. In politischer Hinsicht sind staatliche Eingriffe in die kapitalistische Produktionsweise charakteristisch für den Stamokap. Diese Regulierung zeichnet sich aus durch staatliche Steuerpolitik, Subventionen, Investitionen, Verteilungspolitik, Sozialtransfers etc. Durch diese staatlichen Einflüsse gelingt es, den kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privatkapitalistischer Aneignung zu entschärfen. Denn unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution sind trotz des immensen Reichtums der Großunternehmen zwecks Erhaltung derer Verwertungsbedingungen staatliche Ausgaben erforderlich, um zum einen durch Subventionen kostenintensive, produktivitätssteigernde Investitionen der Großunternehmen mitzufinanzieren und zum anderen über staatliche Nachfragepolitik für eine Kompensation des Rückgangs der Binnennachfrage zu sorgen, der mit der monopolistischen Aneignung gesellschaftlichen Reichtums verbunden ist. Zu guter letzt sorgt der Staat also immer für eine Beschleunigung der kapitalistischen Akkumulation im Sinne der Konzerne, für Umverteilung von unten nach oben und für die Reproduktion des gesamten monopolkapitalistischen Systems.
3. Der ökonomische Einfluss der Großunternehmen wirkt in die politische Sphäre hinein. Über Verbindungen zum Staat lenken und beeinflussen die Konzerne die Richtung und Maßnahmen der Politik zugunsten ihrer Interessen. Diese Einflussnahme erfolgt durch Verbandslobbys (z.B. Industriellenvereinigung), wechselseitigen Personalaustausch zwischen Wirtschaft und Politik sowie institutionalisierte Bündnisse (z.B. „Sozialpartnerschaft“). Letztlich ist der imperialistische Staat ideeller Gesamtkapitalist, der im Dienste der Monopole wirkt.
4. Im Stamokap werden kapitalistische Widersprüche nicht gelöst, sondern nur verschleiert. Die Kluft zwischen armen und reichen Menschen wird größer, der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und kapitalistischer Aneignung bleibt bestehen. Ebenso verschärft sich unweigerlich der Widerspruch zwischen den „entwickelten“ Industriestaaten des Zentrums (v.a. USA, EU und Japan) und den von ihnen in neokolonialer Manier ausgebeuteten Ländern in Afrika, Asien, Lateinamerika und europäischen Randgebieten. Zuletzt besteht auch ein Widerspruch zwischen den einzelnen imperialistischen Staaten, die sich untereinander im ständigen Kampf um Einflusssphären, Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte befinden. Diese Widersprüche sind es, die notwendig zum Ausbau des staatlichen Repressionsapparates und vor allem der Militärmacht führen müssen. In letzter Instanz sind Unterdrückung, Militarisierung und Krieg dem Stamokap systemimmanent, da Gewalt – in welcher Form immer – sein Vermittlungsmechanismus bleibt.
5. Der hohe Grad gesellschaftlicher, wenngleich monopolisierter Produktion im Stamokap weist Potenziale hin zum Sozialismus auf. Es kommt darauf an, die Produktion unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen und die Betriebe wie auch den Staat zu demokratisieren. Die Richtung und das Wie der staatlichen Eingriffe ist im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, vor allem der Erwerbstätigen, umzulenken. Zur Erreichung dieses Ziels sind übergangsweise antimonopolistische Bündnisse der lohnabhängigen Klasse mit nicht-monopolistischen Schichten notwendig. Eine radikal-demokratische Bewegung soll hier im Rahmen des bürgerlichen Staates zunächst die Etappe der antimonopolistischen Demokratie erreichen, die Durchgangspunkt und Voraussetzung für die sozialistische Gesellschaft ist. Lenin meint, die „Dialektik der Geschichte ist gerade die, dass ... die Umwandlung des monopolistischen Kapitalismus in den staatsmonopolistischen Kapitalismus ... die Menschheit dem Sozialismus außerordentlich nahe gebracht hat.“ (Lenin-Werke, Bd. 25, S. 370)
Entwicklung des Stamokap und Geschichte der Stamokap-Theorie
Kernaussagen der Stamokap-Theorie
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