Stahl
Dieser Artikel behandelt den Werkstoff Stahl. Für weitere Bedeutungen siehe Stahl (Begriffsklärung).Stahl bezeichtet alle metallischen Legierungen, deren Hauptbestandteil Eisen ist und die durch Schmieden oder Walzen plastisch umformbar sind.
Nach der klassischen Definition ist Stahl eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung, die weniger als 2,06 % (Masse) Kohlenstoff enthält.
Bei höheren Anteilen von Kohlenstoff spricht man von Gusseisen, hier liegt der Kohlenstoff in Form von Graphit oder Zementit vor.
Gegenwärtig gibt es aber einige Gruppen von Stählen, in denen Kohlenstoff kein Legierungsbestandteil mehr ist.
Ein Beispiel dafür sind IF-Stähle, in deren Eisenmatrix kein Kohlenstoff interstitiell gelöst ist.
Gegenwärtig werden unter Stählen eisenbasierte Legierungen verstanden, die plastisch umgeformt werden können.
Stähle sind die am meisten verwendeten metallischen Werkstoffe. Durch Legieren mit Kohlenstoff und anderen Elementen in Kombination mit Wärme- und thermomechanischer Behandlung (gleichzeitige thermischer Behandlung mit plastischer Umformung) können die Eigenschaften von Stahl für einen breiten Anwendungsbereich angepasst werden. Der Stahl kann zum Beispiel sehr weich und dafür ausgezeichnet verformbar hergestellt werden, wie etwa das Weissblech der Getränkedosen. Demgegenüber kann er sehr hart und dafür spröde hergestellt werden, wie z.B. martensitische Stähle für Messer. Moderne Entwicklungen zielen darauf, den Stahl gleichzeitig fest und verformbar herzustellen, als ein Beitrag für den Leichtbau von Maschinen.
Das wichtigste Legierungselement im Stahl ist Kohlenstoff. Er liegt entweder atomar oder als Verbindung (Zementit=Fe3C) vor. Die Bedeutung von Kohlenstoff im Stahl ergibt sich aus seinem Einfluss auf die Stahleigenschaften und Phasenumwandlungen. Im Allgemeinen wird Stahl mit höherem Kohlenstoffanteil fester, aber auch spröder. Durch Legieren mit Kohlenstoff entstehen in Abhängigkeit von der Konzentration und der Umgebungstemperatur unterschiedliche allotrope Phasen, Austenit, Ferrit, Perlit, Ledeburit und Zementit. Durch beschleunigtes Abkühlen von Austenit, in dem Kohlenstoff gelöst ist, können die weiteren Phasen Sorbit, Troostit, Bainit und Martensit entstehen. Siehe auch Härten.
Die Kristallitstruktur von Stahl kann mit dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm beschrieben werden.
Stahl kann entweder aus Eisenerz oder aus Schrott hergestellt werden.
Die Stahlherstellung aus Eisenerz erfolgt gegenwärtig üblicherweise mit einem Hochofen. Das Eisenerz wird zunächst gesintert, um eine geeignete Stückigkeit einzustellen. Der Sinter wird mit Kalk und Koks zum Möller vermischt und anschließend in den Hochofen chargiert. Der Hochofen ist ein metallurgischer Reaktor, in dem im Gegenstrom die Möllersäule mit heißer Luft, dem so genannten Wind reagiert. Durch Verbrennen des Kohlenstoffs aus dem Koks entstehen die für die Reaktion nötige Wärme und Kohlenmonoxid, das die Möllersäule durchströmt und das Eisenoxid reduziert. Als Ergebnis entstehen Roheisen und Schlacke, die periodisch abgestochen werden.
Da das Roheisen sehr viel Kohlenstoff enthält, muss es einen weiteren Prozessschritt durchlaufen. Durch Aufblasen von Sauerstoff, dem so genannten Frischen, wird der Kohlenstoff reduziert und es entsteht flüssiger Stahl. Nach dem Zulegieren der gewünschten Elemente wird er im Strang oder in der Kokille zu Halbzeug vergossen. Das Vergießen bedarf besonderer Techniken, man unterscheidet zwischen beruhigt und unberuhigt vergossenen Stählen (unter Beruhigen versteht man das Binden des in der Schmelze gelösten Sauerstoffs durch Zulegieren von Aluminium oder Silizium). Dies hat Einfluss auf im erkaltenden Stahl entstehende Seigerungen (Materialentmischungen, z.B. Schwefelablagerungen) oder Lunker (durch das Schwinden des Materials bedingte Hohlräume). Beide sind mit Qualitätsverlusten verbunden.
Die Nachteile des Hochofens sind, dass hohe Ansprüche an die Einsatzmaterialien gestellt werden und der Ausstoß an Kohlendioxid. Der eingesetzte Eisenträger und der Koks müssen stückig und hart sein, so dass genügend Hohlräume in der Möllersäule bestehen bleiben, die das Durchströmen durch den eingeblasenen Wind gewährleisten. Der CO2 Ausstoß stellt eine hohe Umweltbelastung dar. Deshalb gibt es Bestrebungen die Hochofenroute abzulösen. Bisher hat sich aber kein Verfahren gegenüber dem Hochofen etablieren können. Zu nennen sind hier die Eisenschwamm- und Pelletsherstellung in Drehrohröfen sowie die Corex, Midrex und Finex Verfahren.
Das Corex Verfahren ist gegenwärtig am meisten verbreitet. Dieses Verfahren verwendet zwei Gefäße, eins zum Reduzieren des Erzes und das zweite zum Vergasen der Kohle und Aufschmelzen des Eisens. Da keine hohe Möllersäule getragen werden muss, kann minderwertige Kohle verwendet werden. In den Konverter wird eine große Menge Sauerstoff eingeblasen (ca. 1 t O2 t Eisen) und es wird eine große Menge CO haltiges Corex Gas frei, das weiterverwendet werden muss. Die Rentabilität des Verfahrens hängt von den Kosten für den Sauerstoff und den Erträgen durch die Verwertung des Corex Gases ab. Diese Restriktionen bedingen gewöhnlich hohe Investitionen in der Peripherie, die die Integration des Verfahrens in gewachsene Hüttenwerke behindern.
Man kann zwischen so genannten Blasverfahren und Herdfrischverfahren unterscheiden.
In den Blasverfahren wird das Roheisen mit Sauerstoff oder Luft gefrischt. Der Oxidationsprozess, der den Kohlenstoffanteil senkt (das "Frischen"), liefert in diesen Verfahren genug Wärme, um den Stahl flüssig zu halten, eine externe Wärmezufuhr ist in den Konvertern deshalb nicht notwendig. Die Blasverfahren kann man zusätzlich in Aufblasverfahren und Bodenblasverfahren unterteilen. Zu den Bodenblasverfahren gehören das Bessemerverfahren, das Thomasverfahren, die Rennfeuer und frühen Hochöfen. Das bekannteste Aufblasverfahren ist das LD-Verfahren.
Bei den Herdfrischverfahren wird der zur Oxidation notwendige Sauerstoff dem zugesetzten Schrott und Erz entnommen. Außerdem muss Herdfrischkonvertern extern Wärme zugeführt werden. Die bekanntesten Herdfrischverfahren sind das Siemens-Martin-Verfahren und der Elektroofenprozess.
Linz-Donawitz-Verfahren: Im so genannten LD-Verfahren (benannt nach den Standorten der österreichischen Unternehmen VOEST und Alpine Montan, jetzt fusioniert zur VOEST-ALPINE STAHL AG, die dieses Verfahren entwickelten) wird durch eine Lanze Sauerstoff auf das Schmelzbad im Konverter geblasen, so werden unerwünschte Begleitstoffe oxidiert und können dann als Schlacke abgestochen werden. In den Konverter muss flüssiges Roheisen chargiert werden, da das Verfahren die Einsatzstoffe nicht aufschmelzen kann. Durch Zugabe von Schrott und Erz kann der Roheiseneinsatz verringert und die Schmelze gekühlt werden. Der fertige Stahl wird durch Kippen des Konvertergefäßes in Pfannen abgestochen. - In LD-Varianten kann z.B. gleichzeitig Sauerstoff oder auch anschließend Argon durch Bodendüsen eingeleitet werden (LBE, Lance Bubbling Equilibrium) oder es wird zusammen mit dem Sauerstoff Kalkpulver eingeblasen (LD-AC-Verfahren).
Der Werkstoff Stahl und die Steigerung seiner Produktion ging über etwa 130 Jahre direkt einher mit der weltwirtschaftlichen Entwicklung bis in die Gegenwart. In manchen Wirtschaftsbereichen (z.B. Schiffbau) stellte die Stahlproduktion die einzige Wachstumsgrenze dar. Die technisch-industrielle Revolution der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die enorme Steigerung der Stahlproduktion bedingten sich gegenseitig. Der Pariser Eiffelturm symbolisiert als gewaltige Stahlkonstruktion diesen Zeitabschnitt. Die Stahlproduktion einer Volkswirtschaft wurde lange Zeit sogar als Maß für ihre Leistungsfähigkeit angesehen.
Vor und nach dem 2. Weltkrieg spielte der Stahl bei der Produktion von Rüstungsgütern, insbesondere Panzer, die Hauptrolle. Deutschlands Norwegenfeldzug wurde wegen des schwedischen Eisenerzes unternommen, und die Alliierten wollten das Ruhrgebiet, damals der grösste geografische Waffenproduzent Europas, mittels gezielten Dammbrüchen überschwemmen.
In der Nachkriegszeit wurde in Europa die Montanunion gegründet, um die Stahlproduktion unter Kontrolle zu halten. Aus dieser Verbindung entstand in mehreren Schritten die Europäische Union.
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung wurde von den großen Stahlherstellern der Industrieländer unterschätzt, so dass der aktuelle Rohstoffbedarf nicht gedeckt werden kann. Infolgedessen haben sich die Preise für Rohstoffe und Stahlprodukte vervielfacht. Gegenwärtig ist Stahl knapp und teuer.
Es ist keine Trendwende in Sicht, die Stahlproduktion und der Rohstoffbedarf werden weiter steigen, obwohl die Wachstumsrate durch staatliche Eingriffe gegenwärtig sinkt. Der Bedarf an Eisenerz wird durch das Erschließen neuer Abbaugebiete gedeckt werden können.
Außer der Stahlindustrie sind auch Beton und Aluminium von diesem Phänomen betroffen. Eine Ursache für den hohen Erdölpreis ist ebenfalls der gestiegene Rohstoffbedarf der Schwellenländer.
Stahl ist aus ökologischer Sicht ein hervorragender Werkstoff, da er nahezu ohne Qualitätsverlust unbegrenzt recycelbar ist, indem der Schrott wieder geschmolzen wird.
Demgegenüber ist der Hochofenprozess ökologisch bedenklich, da er ein bedeutender Emittent von Kohlendioxid ist. Deshalb wird intensiv an neuen Verfahren der Roheisenerzeugung geforscht.
Stahl steht insbesondere in der Automobilindustrie in direkter Konkurrenz mit Werkstoffen mit geringerer spezifischen Gewicht, wie Aluminium, Magnesium, Kunststoffen und Faserverbundwerkstoffen.
Da diese Werkstoffe aber durchweg weniger fest als Stahl sind, kann durch gezieltes Verwenden von hochfesten Stählen und konstruktiven Maßnahmen (etwa dünneres Blech mit Aussparungen aber dafür Sicken) der Gewichtsvorteil ausgeglichen werden.
Man unterscheidet zwischen hoch- und niedriglegierten Stählen.
Letztere kennzeichnet ein Anteil (bezogen auf die Masse der Legierungselemente außer Eisen) unter 5 %. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im Folgenden verschiedene Arten von Stählen angegeben.
Die Einteilung von Stählen verläuft nach Ihren Anwendungen und Eigenschaften. Diese werden entsprechend DIN in 4 Gruppen aufgeteilt.
Der erste Buchstabe in der Bezeichnung kennzeichnet den Einsatzzweck:
Bei niedriglegierten Stählen liegt der Anteil an Legierungselementen unter 5 %.
Zum Beispiel steht das Kürzel 15CrNi6 für:
Die Konstanten sind in einer Tabelle fixiert - sie entsteht durch die Zuweisung einer Konstanten zu einem bestimmten Legierungselement (z. B.: bei Cr würde die Konstante 4 sein).
Der Anteil von mindestem einem Legierungselement ist größer als 5 %
Erklärung anhand des Beispiels X5CrNiMoV18-8-2
Definition
Eigenschaften
Stahlherstellung
Hochofenroute
Direktreduktion
Stahlherstellungsverfahren
Historische Verfahren
Aktuelle Verfahren
Siemens-Martin-Verfahren: Dieses war von seiner Erfindung 1864 durch Friedrich Siemens und Wilhelm Siemens und seiner Umsetzung zusammen mit durch Emile Martin und Pierre Martin bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts die bevorzugte Stahlherstellungsmethode. Der SM-Ofen besteht aus dem Oberofen, mit dem vom Gewölbe überspannten Schmelzraum und dem Unterofen. Im Oberofen wird Roheisen und/oder der Schrott chargiert. Im Unterofen sind die Regenerationskammern zur Luft- und Gasvorwärmung untergebracht. Im Oberofen wird mit Öl- oder Gasbetriebenen Brennern der Schmelzraum beheizt. Die Reduktion des Kohlenstoffs (Frischen) erfolgt durch den Sauerstoffüberschuss der Brennerflamme oder durch Zugabe von Eisenerz. In westlichen Ländern wurde dieses Verfahren durch Sauerstoffblasverfahren verdrängt. 1993 wurde in Brandenburg an der Havel der letzte deutsche SM-Konverter stillgelegt. Er ist heute als technisches Denkmal erhalten.
Elektrostahlverfahren: Durch Schmelzen im Lichtbogenofen kann aus Schrott und Pellets Stahl hergestellt werden. Durch den Lichtbogen wird der Ofeninhalt aufgeschmolzen. Den Sauerstoff bezieht dieses Verfahren aus der Umgebungsluft. Zusätzlich kann mit einer Lanze Sauerstoff auf die Schmelze geblasen werden. Dieses Verfahren wird vorwiegend in Ministahlwerken eingesetzt, die keine Flüssigstrecke zum Herstellen von flüssigen Roheisen benötigen. (Dieses Verfahren wurde 1904 von Paul-Louis Heroult entwickelt.)Wirtschaftliche und historische Bedeutung
Rohstoffsituation
Obwohl die Erdkruste zu 5% aus Eisen, das Ausgangsmaterial für Stahl, besteht, wird gegenwärtig der Rohstoffbedarf der Industrie nicht gedeckt. Beginnend im 2. Halbjahr 2003 zeigt sich eine dramatisch veränderte Rohstoffsituation, die vor allem durch den stark steigenden Stahlbedarf der Volkswirtschaften in China, Indien und Brasilien. Seit einigen Jahren wächst alleine die Stahlproduktion in China jährlich um mehr als die gegenwärtige Gesamtproduktion Deutschlands. Plötzlich reichten die Erzeugung der Erzminen nicht mehr aus, die Umschlagkapazitäten der Erzhäfen war erschöpft und es waren auch nicht mehr genug Schiffe verfügbar, das Erz zu transportieren. Ähnliche Entwicklungen ergaben sich für Koks, welcher für die Roheisenherstellung benötigt wird und für Schrott, als Sekundärrohstoff für die Stahlerzeugung.Ökologie
Konkurrenzmaterialien
Arten von Stählen
Einteilung nach DIN
Gruppe 1: unlegierte Baustähle
Gruppe 2: Einsatzstähle und Vergütungsstähle
(Achtung: bei Stahl gibt es einen Kohlenstoffgehalt von max. 2 % !)Gruppe 3: niedriglegierte Stähle
Zur Vorgangsweise: Das Legierungselement mit dem höchsten Anteil an der Legierung steht an erster Stelle, im Falle des Beispiels Cr - diesem wird die erste Zahl zugeordnet, dem zweiten Element die zweite Zahl usw. Kann man keine Zahl zuordnen so ist der Anteil automatisch unter 1 %.Gruppe 4: hochlegierte Stähle
Die Vorgangsweise ist gleich wie in Gruppe 3 - der Unterschied besteht darin, dass der Anteil in Prozent nicht erst über eine Konstante umgerechnet werden muss sondern direkt abgelesen werden kann.Weblinks