Stände
Stand (lat. status) - Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft Europas gliederte sich in mehrere Stände. Das Ständesystem war ein gesellschaftliches Ordnungsmodell, wie es für spätere Zeiten die von Marx beschriebenen Klassenn oder soziale Schichten wurden.
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2 Politische Stände |
Verbreitet war die Drei-Stände-Ordnung, wie sie insbesondere für Frankreich charakteristisch war:
Die Stände in der Gesellschaft
Einteilungen des ständischen Systems
Die einfachste Vorstellung unterschied nur Obrigkeit und Untertanen. Dabei konnte dieselbe Person in ihren Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern der ständischen Gesellschaft einmal Obrigkeit und zugleich Untertan sein. Der Adlige war zum Beispiel Herr über die Bauern seiner Grundherrschaft und gleichzeitig Untertan des Königs.
Eine weitergehende Untergliederung der drei Hauptstände war in fast allen europäischen Ländern üblich. Die Position des Einzelnen hing dabei von verschiedenen Faktoren ab:
An der Spitze der Ständepyramide standen die Fürsten und der König oder Kaiser bzw. bei den Geistlichen die Bischöfe und der Papst.
Das ständische System galt den Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit als feste von Gott gegebene Ordnung, in der jeder seinen unveränderlichen Platz hatte. In seinen Stand wurde man hineingeboren. Ein Aufstieg war in der Regel nicht möglich. Verdienst oder Reichtum hatten nur wenig Einfluss darauf, welchem Stand man angehörte. So konnte etwa ein Bürger, der als Kaufmann zu viel Geld gekommen war, wesentlich vermögender sein als ein armer Adliger. Das ständische System ist ein statisches Gesellschaftsmodell. Nicht von ungefähr haben statisch und status, das lateinische Wort für Stand, die selbe ethymologische Herkunft. In der mittelalterlichen Theorie waren den drei Hauptständen bestimmte Aufgaben zugewiesen. Der erste Stand hatte für das Seelenheil zu sorgen, der zweite Stand sollte Klerus und Volk gegen Feinde verteidigen, Aufgabe des dritten Standes war die Arbeit. Entsprechend der Stellung in der Gesellschaft hatte man sich einer standesgemäßen Lebensweise zu befleißigen.
Entwicklung seit dem Spätmittelalter
In der Praxis war das ständische System aber - vor allem seit dem ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit - nicht ganz so undurchlässig wie als theoretisches Konstrukt. Schon vorher war der Weg in den geistlichen Stand eine wichtige Ausnahme. Auch Bauern- oder Handwerkersöhne konnten gelegentlich bis zum Bischof aufsteigen. Später, vor allem seit dem 14. Jahrhundert, wurde es jedoch nach und nach Praxis, dass die Fürsten die Bildung des so genannten Amtsadels förderten, also verdiente Bürger mit einem speziellen Amt beauftragten und sie mit einem Adelstitel belohnten. Auch innerhalb der drei Hauptstände war ein Aufstieg in der frühen Neuzeit keine Seltenheit, indem man zum Beispiel das Bürgerrecht einer Stadt erwarb. Bildung konnte ebenfalls den Weg über die Standesschranken öffnen. Ein studierter Jurist, der von einer Kommune als Stadtschreiber angestellt wurde, fand nicht selten Eingang in die Gruppe der ratsfähigen Bürger. Der Abstieg aus dem Geburtsstand konnte erfolgen, wenn man zum Beispiel als Adliger aus finanziellen Gründen nicht mehr zu einer standesgemäßen Lebensweise in der Lage war.
Die Auffächerung des ständischen Systems und die zunehmende Durchlässigkeit der Standesschranken waren der fortschreitenden Differenzierung der Gesellschaft geschuldet. Für viele neue Funktionen und Ämter hatte die ursprüngliche mittelalterliche Ständeordnung keinen rechten Platz. Trotzdem wurde das ständische Gesellschaftsmodell bis ins 18. Jahrhundert hinein nie grundsätzlich in Frage gestellt. Auch die Kirche hielt zäh daran fest. Als Martin Luther über die Freiheit des Christenmenschen schrieb, schränkte er diese ausschließlich auf die Beziehung des Individuums zu Gott ein. Im irdischen Leben habe dagegen jedermann ohne aufzubegehren an seinem Platz in der ständischen Ordnung zu verharren.
Die Abstimmungen im Landtag fanden fast überall nach Kurien statt. Das heißt, zuerst einigte man sich innerhalb des eigenen Standes - dabei kam in der Regel das Mehrheitsprinzip zur Anwendung -, dann verglich man die Voten der einzelnen Stände. Ein Landtagsbeschluss kam zustande, wenn Einstimmigkeit der Kurien erzielt wurde. Nur wenige Länder ließen auch hier das Mehrheitsprinzip gelten. Zu entscheiden hatten die Stände vor allem über Steuerbewilligungen, vielerorts auch über interne Angelegenheiten.
Neben der Teilnahme an den Landtagen gelang es den Ständen auch, wichtige Ämter ausschließlich für ihre Mitglieder zu reservieren. Vor allem die Finanzverwaltung des Landes war lange in ständischer Hand, ehe sie von den nach absoluter Macht strebenden Fürsten übernommen werden konnte.
Der Höhepunkt ständischer Macht lag in den meisten europäischen Ländern in der Zeit vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. In manchen evangelisch gewordenen Territorien verschwanden die Klöster und Stifte im Laufe des 16. Jahrhunderts aus dem ständischen System, in anderen (z.B. Württemberg) nahmen evangelische Prälaten die Rechte ihrer katholischen Vorgänger wahr.
In den Ländern der iberischen Halbinsel wurden die Versammlungen der politischen Stände Cortes genannt.
Die Zusammensetzung der politischen Stände in verschiedenen Ländern (im 16. Jahrhundert)
Politische Stände
Entstehung
Die politisch berechtigten Stände (oder Landstände) sind eng mit den gesellschaftlichen Ständen verknüpft, ja letztere sind die Voraussetzung für deren Existenz. Die politische und militärische Macht konzentrierte sich im Mittelalter keineswegs in der Hand des Landesherren bzw. Königs. Vielmehr war dieser bei seiner Herrschaft auf die Mitwirkung der gesellschaftlichen Eliten angewiesen. Zunächst brauchte er die militärische Leistung seiner adligen Vasallen, dann finanzielle Hilfen, die er aber nur mit Zustimmung der Grundherren - also den Adligen oder den Klöstern und Stiftern - einheben lassen konnte. Mit der Entwicklung des Städtewesens wurden auch die Kommunen als Adressaten für landesherrliche Forderungen nach Truppenhilfe und Steuern interessant. Als Gegenleistung für ihre Beiträge erhielten Adel, Klöster und Stifte sowie die Städte zahlreiche Privilegien. Neben wirtschaftlichen Vergünstigungen musste der Landesherr ihnen auch politische Mitspracherechte zubilligen. Alle Personen und Institutionen, die sich in einem Territorium oder Staatswesen politisch beteiligen durften, bildeten die politischen Stände. Mit der Zeit institutionalisierte sich diese Beteiligung der Stände immer mehr und gewann in den Landtagen eine feste Form.Charakter
Im Unterschied zur Demokratie waren nicht alle Landesbewohner zur Mitwirkung berechtigt, sondern nur jene, die gewisse Leistungen erbrachten oder bestimmte Privilegien besaßen. Die Repräsentanten des Landes wurden nicht gewählt, sondern sie saßen aufgrund ihrer Geburt (der Adel) oder qua Amt (z.B. Äbte) im Landtag. Dort vertraten sie nicht ihre Untertanen sondern sprachen für sich selbst. Wer die Standschaft besaß, hatte das Recht in eigener Person auf dem Landtag zu erscheinen. Grundsätzlich handelte es sich um ein dualistisches System, bei dem sich die Gesamtheit der Stände und der Landesfürst gegenüberstanden.Struktur
Die Struktur dieser ständischen Vertretungen und ihre Befugnisse waren historisch bedingt von Land zu Land verschieden und sie änderten sich auch im Laufe der Zeit. Je nach dem waren unterschiedliche Stände politisch berechtigt und im Landtag vertreten. Fast immer war der Adel dabei, der sich häufig noch in Herren und Ritter gliederte. Man spricht vom Herren- und vom Ritterstand. Die hohe Geistlichkeit galt auch unter den politischen Ständen meist als der erste, allerdings wurde ihr dieser Platz gelegentlich von den Herren streitig gemacht. Einen eigenen Stand formierten häufig auch die Städte. Selten waren auch Landgemeinden als politisch berechtigter Stand in den Landtagen vertreten (z.B. die Täler und Gerichte in Tirol). Die verschiedenen Ständegruppen bildeten auf den Landtagen eigene Kurien. Der Erwerb der Landstandschaft war stark reglementiert. Meist legten die Stände selbst die Bedingungen für die Aufnahme neuer Mitglieder fest; mancherorts redete dabei auch der Fürst mit. Der Landesherr gehörte in politischer Hinsicht nicht zu den Ständen.Regionale Besonderheiten
In der Schweiz und in den Niederlanden gelang es den Ständen, die politische Macht ganz in die eigenen Hände zu nehmen und die Herrschaft sowohl des Landesfürsten als auch des Kaisers zu beseitigen. Die Bezeichnung der zweiten Kammer des Schweizer Parlaments als Ständerat aber auch der Name Generalstaaten (=Generalversammlung der Stände) für die Niederlande im 17. Jahrhundert weisen daraufhin. In beiden Ländern bestanden die Stände nur aus den freien Gemeinden bzw. Provinzen. Adel und Klerus waren als politische Stände verschwunden.
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Böhmen | Herren, Ritter, Städte | Seit der hussitischen Revolution gab es keinen geistlichen Stand mehr. |
Mähren | Herren, Ritter, Städte | dazu noch der Bischof von Olmütz |
Niederlausitz | Herren, Ritter, Städte | Die Äbte von Neuzelle gehörten seit Reformation zum Herrenstand. |
Oberlausitz | "Land" und Städte | Der Landstand besteht aus Prälaten und Adel mit einer gemeinsamen Stimme. |
Niederösterreich | Prälaten, Herren, Ritter, Städte | . |
Oberösterreich | Prälaten, Herren, Ritter, Städte | . |
Tirol | Prälaten, Adel, Städte, Bauern | Die Bauern waren über die ländlichen Gerichtsgemeinden vertreten. |
Kurfürstentum Sachsen | Adel und Städte | Der Adel war unterteilt in Amtssassen und Schriftsassen. |
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vgl. auch Reichsstände