Spießrutenlaufen
Spießrutenlaufen (Gassenlaufen), militärische Leibesstrafe, die bis ins 19. Jahrhundert wegen schwerer Vergehen durch Kriegs- oder Standgericht über einfache Soldaten verhängt wurde. Unter Aufsicht von Offizieren bildeten ein oder mehrere hundert Mann mit vorgestelltem Gewehr eine etwa 2 m breite Gasse, die der bis zum Gürtel entblößte Verurteilte mit auf der Brust zusammengebundenen Händen mehrmals langsam bei Trommelschlag durchschreiten musste. Hierbei erhielt er von jedem Soldaten mit einer Hasel- oder Weidenrute (Spieß- oder Spitzrute) einen Schlag auf den Rücken. Bei der preußischen Kavallerie wurden bis 1752 statt der Ruten Steigbügelriemenriemen (daher Steigriemenlaufen) verwendet. Um den Verurteilten am schnellen Gehen zu hindern, schritt ein Unteroffizier mit ihm vor die Brust gehaltener Säbelspitze voran.Ein sechsmaliges Spießrutenlaufen durch 300 Mann an 3 Tagen mit Überschlagen je eines Tags wurde der Todesstrafe gleich geachtet und hatte auch gewöhnlich den Tod zur Folge. Konnte der Verurteilte nicht mehr gehen, so wurde er auf Stroh gelegt und erhielt dann die festgesetzte Anzahl von Streichen. Um "sich den Schmerz zu verbeißen", hielt der Verurteilte beim Spießrutenlaufen eine Bleikugel zwischen den Zähnen.
Diese barbarische Strafe wurde in Preußen 1806, in Württemberg 1818, in Österreich 1855, in Russland erst 1863 abgeschafft. Ähnliche Strafen waren auch bei den Römern im Gebrauch, siehe Fustuarium. Bei den Landsknechten war es das "Recht der langen Spieße", aus dem das Spießrutenlaufen hervorging. In der Seefahrt des 18 und 19. Jahrhunderts galten das Spießrutenlaufen und das Kielholen als die schwersten aller Strafen.
Als Spießrutenlauf bezeichnet man im übertragenen Sinn, wenn ein gehasster oder verachteter Mensch an seinen Spöttern oder Feinden vorbeilaufen muss.
[Dieser Artikel basiert zu großen Teilen auf dem Artikel aus Meyers Konversationslexikon von 1888.]
Literatur