Sozialgeschichte
Sozialgeschichte erforscht und beschreibt die Entwicklung der Zusammensetzung nach Gruppen, Ständen, Schichten oder Klassen von Menschen in vergangenen Gemeinwesen. Sie hat weiterhin die Größe der jeweiligen Gruppen, Ständen, Schichten oder Klassen von Menschen sowie deren Bedeutung und Lage zum Gegenstand. Weiters befasst sie sich mit Wechselwirkungen und der Geschichte sozialer Prozesse.In der deutschen Tradition, die lange Zeit auf die Erforschung und Beschreibung des staatlichen Handelns konzentriert war, wurde die Sozialgeschichte bis zum Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts stiefmütterlich behandelt. Historisch hat sich die Sozialgeschichte als eine spezifische Betrachtungsweise der allgemeinen Geschichtswissenschaft entwickelt - "eine Betrachtungsweise, bei der der innere Bau, die Struktur der menschlichen Verbände im Vordergrund steht, während die politische Geschichte das politische Handeln, die Selbstbehauptung zum Gegenstand hat." (so die klassische Definition von Otto Brunner)
In einem Abschnitt der zunehmenden Spezialisierung der Geschichtswissenschaft, der Wahrnahme von Konzepten und Herangehensweisen der französischen und englischen Geschichtswissenschaft sowie in der Systemauseinandersetzung mit der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft um das Geschichtsbild erlangte die Sozialgeschichte zusammen mit der Wirtschaftsgeschichte eine zunehmende Bedeutung. Aus ihr heraus entwickelten sich Bemühungen die "Geschichte von unten" (Alltagsgeschichte) zu betrachten und zu beschreiben. Heute ist sie ein unverzichtbarer Bestandteil bei dem Versuch die verschiedenen Stränge in einer Gesellschaftsgeschichte wieder zusammen zu führen.
Die Genealogen erfassen Beruf, Amt, Stand und Besitz ihrer Vorfahren in Zeit und Raum und damit die wichtigsten Fakten, von denen auch die Sozialgeschichte auszugehen hat. Genealogische Forschungsergebnisse werden damit unter verschiedenen Blickwinkeln lokal und regional interessant. Daß aus Ahnenlisten und Nachfahrenlisten abgeleitete Kenntnisse über Heiratskreise und soziale Mobilität, etwa bei Gelehrtenfamilien und noch mehr bei Rats- und Handelsgeschlechtern ein wertvoller Beitrag zur Stadtgeschichte sind, ist fast unbestritten. Sozialer Aufstieg und Niedergang von Familien ist zugleich einer der ältesten und beliebtesten Gegenstände des sozialkritischen Romans.
Statistische Auswertungen (siehe auch Sozialstatistik) genealogischer Daten können aber auch über den lokalen Rahmen eines Ortsfamilienbuchs hinaus zu Verallgemeinerungen auf der Ebene der Regionalgeschichte, der Begriffsgeschichte und der Wirtschaftsgeschichte beitragen, für die an die Wissenschaftlichkeit der Genealogie selbst hohe Ansprüche gestellt werden, an denen sie aber wiederum wachsen wird zum Nutzen einer vertieften Betrachtung sozialgeschichtlicher Prozesse, d. h. zu einer Art Sozialgenealogie.
Sozialgeschichte und Genealogie
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