Sonnentempler
Sonnentempler, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts international aktive Sekte, bei der mehr als 70 Mitglieder in drei Massakern starben
Sonnentempler; Ordre du Temple Solaire - O.T.S.; Goldtempel-Orden; Das Kreuz und die Rose
Die Angaben zur Entstehung des Sonnentempler-Ordens sind unterschiedlich:
O.T.S. beruft sich auf einen 1119 gegründeten Orden von Templern. 1314 wurden 54 Templer in Frankreich unter König Philipp dem Schönen als Ketzer verbrannt. Die Sonnentempler des 20. Jahrhunderts hängen einem Mysterienglauben mit New-Age-Zügen an. Ideale sind Treue, Gehorsam und strikte Geheimhaltung. Die Sonnentemplern bleiben unauffällig, werden in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen.
Zwischen 1979 und 1981 begegnen sich Luc Jouret und Joseph Di Mambro, der sich als Wiedergeburt von Osiris, Moses und einem mittelalterlichen Rittermönch darstellt. Das Duo übernimmt die Macht im O.T.S. Jouret entfaltet eine rege Vortragstätigkeit, meist zu Gesundheitsthemen. Er tritt als Heiler auf, der nach Erfolg Dankbarkeit einfordert. Di Mambro wirkt als der geheimnisvolle Großmeister mit magischen Fähigkeiten, der das Schwert Excalibur führt bzw. durch ein anderes mittelalterliches Ritterschwert kosmische Kräfte leitet. Beide treiben einen umfangreichen Handel mit internationalen Immobilien, die oft teuer gekauft und unter Wert verkauft werden.
Der Orden weitet seine Tätigkeit aus, vor allem in Frankreich, Schweiz und Kanada, aber auch Belgien, Luxemburg, Australien. 1994 gibt es noch 576 Mitglieder, diese stammen aber in der Regel aus guten Kreisen, es sind Ärzte, Techniker oder Künstler, zumeist äußerst wohlhabend. Der Regelbeitrag beträgt wöchentlich 200 Franken. Es gilt die Devise, je reicher und spendenfreudiger, desto höher der Rang in der Ordenshierarchie, die absolutistisch von Di Mambro und Jouret beherrscht wird. Wer weniger zahlen kann, bringt mehr Arbeitsleistung ein.
Di Mambro regelt das Sozialleben aller Mitglieder. Die meisten gehen weiter ihrem Beruf nach. Viele Sonnentempler tun sich zu Wohngemeinschaften in meist exklusiven Villen und Landgütern zusammen. Man pflegt vier bis fünf Andachten mit Meditationen pro Tag, sonntags oft bis zu acht Stunden pro Treffen. Die Methode läuft auf Gehirnwäsche hinaus. Der Arbeitstag weniger privilegierter Mitglieder beginnt morgens um 4 Uhr, die Arbeitskraft wird hemmungslos ausgebeutet. Vermögende Leute werden zu Geldspenden veranlasst, bis zum Ruin. Di Mambro trennt Ehepaare und Familien nach Gutdünken und arrangiert neue Ehen.
Die Lehren der Sonnentempler werden von Jouret und Di Mambro ausgebaut zu einer Mischung von mittelalterlichem Mysterienglauben, Gralschristentum, Astrologie, New Age, Wiedergeburtsanschauungen und Naturreligion. Jedes Sektenmitglied wird als Reinkarnation einer historischen oder legendären Persönlichkeit definiert, die eine alte Schuld abtragen muss oder eine Funktion für die weitere Heilsgeschichte hat. Die Angst vor Unreinheit wird geschürt, zahlreiche Waschungen sind Pflicht, man muss sich gegen Erdstrahlen und sonstige Strahlungen schützen, Nahrungstabus beachten. Die apokalyptische Orientierung wird verstärkt, je näher das Millennium kommt, hundert Familien reichen aus, um in besonderen Enklaven (Landgütern in Frankreich, Kanada oder Mauritius) den Weltuntergang zu überstehen.
Di Mambro hat mit einer Geliebten eine Tochter namens Emanuelle, die als kosmisches Kind zum Avatar/Messias erzogen wird. Sie wächst völlig isoliert auf, niemand außer dem Kindermädchen darf auch nur in ihre Nähe kommen. Als ihr Antipode wird ein kleiner Junge betrachtet, der als Antichrist gilt.
Gegen Di Mambro laufen Ermittlungen wegen Betrugs, gegen Jouret Ermittlungen wegen Waffenhandels. - Die Strategie, den Weltuntergang zu überstehen, wird geändert. Di Mambro und Jouret lehren seit langem: Der Tod existiert nicht, er ist nur eine Illusion. 1994 eskaliert die Lehre in der Absicht, nach einem kollektiven Tod im System des Sirius wiedergeboren zu werden und eine neue Menschheit zu begründen.
1994,1995 und 1997 kommen viele Sonnentempler ums Leben, teils betäubt und erschossen, teils vergiftet, teils durch eigene Hand. Es handelt sich juristisch gesehen um Mord, Tötung auf Verlangen und Selbstmord.
5. Oktober 1994: In Cheiry bei Fribourg/Schweiz und in Granges-sur-Salvan werden 53 Tote gefunden, Di Mambro und Jouret eingeschlossen. Im kanadischen Morin Heights werden fünf Leichen gefunden: Joel Eggers, 35, ein Schweizer Ex-Junkie, der für O.T.S. auf einem Landgut arbeitete und Dominique Bellaton, 36, Besitzerin eines Reisebüros gelten als Mörder von Antoine Dutois (35) seiner Frau Nicky (30) und des Sohnes Christoph Emanuel(drei Monate).
In der Schweiz, Frankreich und Kanada beginnen Untersuchungen, zahlreiche Sonnentempler, darunter Patrick Vuarnet, werden verhaftet und wieder freigelassen. - Der Sektenaussteiger Thierry Huguenin warnt vor weiteren Sektenmassakern bei den Sonnentemplern.
23. Dezember 1995: Im Vercors-Massiv zwischen Grenoble und dem Fluss Drome findet man 14 verkohlte Leichen, die sternförmig bzw. wie Speichen eines Rades um ein Feuer angeordnet sind, zwei weitere Leichen liegen etwas entfernt. Als Todesdatum wird die Nacht vom 15. auf den 16. Dezember angegeben.
Zunächst werden zwei vermisste Polizisten verdächtigt, die Sonnentempler hingerichtet zu haben. Ein Polizist, Jean-Pierre Lardanchet, und seine beiden Töchter befinden sich unter den 16 Toten. Der Schweizer Untersuchungsrichter André Piller, der seit 1994 ermittelte, sagt: Nichts, absolut nichts deutete darauf hin, dass Sektenmiglieder, die ich verhört hatte, die Fackel aufnehmen und ein neues Massaker veranstalten würden.
Ein Untersuchungsausschuss der französischen Nationalversammlung, angeregt durch das Sonnentempler-Massaker, veröffentlicht am 10. Januar 1996 einen Bericht zu Sekten in Frankreich, demzufolge es 180 sektenartige Organisationen mit 1200 Gruppen und 170000 bis 700000 Anhängern gibt. Während Frankreich eine intensivere Kontrolle plant, diskutiert man in der Schweiz, ob die gesetzlich geschützte Religionsfreiheit (Normen gegen den Rassismus) modifiziert werden muss. Bernadette Bonvin-Massy, die dem Kantonsparlament Wallis angehört, fordert eine Untersuchung der Sekten-Tätigkeiten in Wallis und Gesetzesreformen. Der Schweizer Journalist und Sektenexperte Hugo Stamm erklärt die Schweiz zum Sektenpfuhl Europas, wo man sich aus Angst vor dem Vorwurf der Intoleranz weigere, hinter die Kulissen zu schauen.
März 1997: In Saint-Casimir (Québec/Kanada) werden fünf Tote gefunden. Drei Jugendliche, die man unter Drogen gesetzt hatte, überleben
Michel Tabachnik, international bekannter Dirigent mit Schweizer und französischem Pass, der Gastspiele bei den Berliner Philharmonikern hatte, trat 1981 dem O.T.S. bei und soll Präsident der OTS-Tochter "Golden Way Foundation'' sein. Vor Mitgliedern des O.T.S. dirigierte er ein Jugendorchester und hielt Vorträge zu Themen aus Kultur und Musik. 1994 kam seine Ehefrau bei den "Selbstmorden" ums Leben, Tabachnik geriet in Verdacht, er sei der neue Großmeister des Ordens, was er nachdrücklich dementierte.
2001 wird Tabachnik in Grenoble vor Gericht angeklagt, das Sektenmassaker mitverschuldet zu haben. Der Staatsanwalt spricht von Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und fordert fünf Jahre Gefängnis ohne Bewährung, der Verteidiger verlangt den Freispruch und hat Erfolg.
Neue Untersuchungen der Opfer von 1995 sollen ungewöhnlich hohe Phosphorwerte in den Leichen ergben haben. Alain Vuarnet, ein Sohn von Jean und Edith Vuarnet, schließt daraus, die Sonnentempler seien mit Flammenwerfern ermordet worden und erwirkt zusammen mit der Staatsanwaltschaft einen Berufungsprozess gegen Tabachnik, der am 19. September 2003 startet und nach wenigen Tagen verschoben wird.
Das deutsche Magazin Stern publiziert bereits im Januar 1996 einen Artikel, der die Sonnentempler in Zusammenhang mit einem Netz von konspirativen Verbindungen sieht. Seit 1970 sei der esoterische Orden vom rechtsradikalen Geheimbund Service d'Action Civique (SAC) unterwandert worden. Der Stern zitiert den Turiner Sektenexperten Prof. Massimo Introvigne, es sei denkbar, dass der O.T.S. eine religiös bemäntelte Tarnorganisation von Rechtsextremen gewesen sei. Als die Sonnentempler außer Kontrolle gerieten, habe man die Abtrünnigen eliminiert.
Die britischen Journalisten David Carr-Brown und David Cohen stellen Verbindungen her zwischen der Sekte und folgenden Personen:
Thierry Huguenin: Der 54. Lübbe-Verlag, 1995 ''(Huguenin beschreibt, wie er und seine Familie zu der Sekte kamen und wie sich das Leben dort gestaltete.)
Presseartikel:
Namensvarianten
Geschichte Phase 1: Gründung, Konsolidierung
Anfangs funktioniert der Orden ähnlich wie eine Freimaurerloge, lässt aber auch weibliche Mitglieder zu. Man trifft sich zu kulturellen Anlässen und spirituellen Vorträgen. Der O.T.S. soll in dieser Phase eine Zahl von 800 Migliedern vor allem in Frankreich und der französischen Schweiz erreicht haben.Geschichte Phase 2: Versektung
Geschichte Phase 3: Eskalation und offizielle Reaktionen
Personen, die im Zusammenhang mit den Sonnentemplern genannt wurden
Prozesse 2001 und 2003
Verschwörungstheorien in den Medien
Marsan soll Mitte 1982 Fürstin Gracia zu Luc Jouret zur Behandlung gebracht haben, die aus Akupunktur und etlichen mehr dubiosen Praktiken bestanden haben soll. Jouret soll 20 Millionen Franc verlangt, aber nicht erhalten haben. Die Fürstin sei dann bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen. Ein Film von Carr-Brown und Cohen wird 1997 auf Channel 4 in Großbritannien ausgestrahlt und ruft Empörung bei der internationalen Regenbogenpresse hervor, die ihre Lieblingsikone Grace Kelly beschmutzt sieht. Verschwörungstheorien treiben ihre Blüten: Erst wollte man die Grimaldis vor dem Volk unglaubwürdig machen, dann Monaco in die Arme Frankreichs treiben. In Deutschland greifen die seriösen Medien die Nachricht nicht auf.Literatur
Weblinks