Silberpfeil
Silberpfeil war die inoffizielle Bezeichnung der deutschen Grand-Prix-Rennwagen von Mercedes-Benz und Auto Union von 1934 bis 1939, sowie dem von Mercedes-Benz in der Formel 1 von 1954/55 eingesetztem Typ W196 bzw. der 1952 und 1955 werkseitig eingesetzten Sportwagen 300 SL(R).
Durch die Überlegenheit dieser Fahrzeuge im internationalen Automobil-Rennsport, die nicht zuletzt auf der akribischen Vorbereitung sowie der gute Arbeit der Mechniker beruhte, wurde der Begriff "Silberpfeil" zum Mythos. Für immer verbunden mit der Ära dieser der Konkurrenz überlegenen Rennwagen sind die Namen Rudolf Caracciola, Bernd Rosemeyer, Tazio Nuvolari sowie später Stirling Moss und Juan Manuel Fangio. Hermann Lang fuhr sowohl vor als auch nach dem Krieg für die Stuttgarter im Großen Preis von Deutschland.
Die Entstehung der Silberpfeile beruhte auf einer Verlegenheitslösung: Die internationale Sportbehörde schrieb ab 1934 für Formel-Rennwagen ein Höchstgewicht von 750 kg vor, um leichtere und damit leistungschwächere Fahrzeuge zu erzwingen. Bisherige großvolumige Rennwagen mit Kompressormotoren, wie etwa Bentley Blower oder der "Weiße Elefant" Mercedes SSKL hatten bis zu 300PS, waren aber auch sehr groß und fast zwei Tonnen schwer.
Als die Verantwortlichen von Mercedes-Benz vor dem Eifelrennen auf dem Nürburgring im Frühjahr 1934 ihre Neuentwicklung W25 auf die Waage der technischen Kommissare stellten, zeigte diese jedoch 751 kg an. Ausgehend vom Ausspruch Nun sind wir die Gelackmeierten! kamen Rennleiter Alfred Neubauer und sein Fahrer Manfred von Brauchitsch auf die Idee, den für deutsche Rennwagen üblichen weißen Lack von der Karosserie abzuschleifen. Darunter kam das silbern glänzende Aluminiumblech zum Vorschein, das Gewichtslimit wurde nun eingehalten. Manfred von Brauchitsch gewann das Eifelrennen, und die Presse prägte den Begriff vom "Silberpfeil".
Die Absicht, nur durch das niedrige Gewicht die Leistung begrenzen zu können, ging nicht auf. Die neuen Rennwagen hatten schon von Beginn an gute 300PS. 1937 wurden mit Kompressor-Motoren ohne Hubraum-Limit Motorleistungen von ca. 640 PS erreicht (was erst Anfang der 80er Jahre mit dem Erscheinen der Turbo-Motoren in der Formel 1 überboten wurde). Diese Fahrzeuge erreichten Geschwindigkeiten weit jenseits der 300 km/h, doch die Fahrer hatten damals weder Helme noch Sicherheitsgurte.
Mercedes baute 1952 den "Flügeltürer" 300 SL, der trotz seriennahem Motor aus der Limousine 300 überraschende Erfolge gegen stärkere Sportwagen errang, u.a. bei der Carrera Panamericana und beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Daraufhin pausierte man ein Jahr und entwickelte einen neuartigen Rennwagen gemäß den neuen Regeln für die Formel 1, um beim Debüt am 4. Juli 1954 in Reims (Frankreich) einen sensationellen Doppelsieg zu erringen, der in Verbindung mit dem Fußball-WM-Titel am selben Abend einen sehr starke psychologisch Wirkung hatte. Die "Silberpfeile" waren zurück, und siegten oft, wenn auch fast nur mit Juan Manuel Fangio am Steuer. Ende der Saison 1955, die von der Katastrophe beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans überschattet wurden, zog sich Mercedes sowohl von Formel 1 als auch Sportwagen zurück, da man alle WM-Titel gewonnen hatte. Die Silberpfeile wanderten ins Museum.
Die Rennwagen von Porsche wiesen in den 1950er und Anfang der 1960er auch silberne Lackierungen bzw. blanke Alu-Karosserien auf. Bei den Sportwagen errang man dabei zahlreiche Erfolge, etwa bei der Carrera Panamericana und der Targa Florio, zudem einen Sieg in der Formel 1 1962. Obwohl Firmengründer Ferdinand Porsche damals die Auto Union Rennwagen konstruiert hatte, wurde der Begriff Silberpfeil kaum mit Porsche in Verbindung gebracht - nicht zuletzt, da die Firma immer noch mit ihren kleinen hubraumschwachen Fahrzeugen normalerweise keine Gesamtsiege einfahren konnte. Zudem kamen bald Kunststoffkarosserien auf, die meist in weiß lackiert wurden.
Bei Mercedes wurde in den 1960er Jahren bis Anfang der 1980er sporadisch Tourenwagenrennen und Rallyes mit seriennahen Limousinen und Coupés der S-Klasse gefahren. Auch hier kam der Begriff Silberpfeil nicht zur Anwendung. Ein geplanter Einstieg in die Rallye-WM mit dem neuen kompakten "Mercedes 190E 2.3-16V" wurde abgeblasen, nachdem Auto Union- Nachfolger Audi dort mit Turbo und Allrad ein Wettrüsten ausgelöst hatte. Der "quattro" war dabei in der weißen Farbe des Tabak-Sponsors lackiert.
Ende der 1980er Jahre entschloss man sich bei Mercedes, die von Mercedes-V8-Motoren angetriebenen Sportwagen des Schweizers Peter Sauber werksseitig zu unterstützen, worauf diese silber lackiert und als "Silberpfeile" vermarktet wurden. Als Erfolge sind dabei der Gewinn der Langstrecken-Weltmeisterschaft sowie des 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu verzeichnen. Zudem hat man Nachwuchspiloten ausgebildet, u.a. Michael Schumacher sowie Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger, mit denen Sauber im Jahre 1994 in die Formel 1 wechselte. Hier war der Monoposto jedoch schwarz lackiert, nur der Schriftzug "concept by Mercedes-Benz" gab einen Hinweis darauf, daß Mercedes die Entwicklung eines Motors unterstützte, der vom Schweizer Mario Illien in dessen Firma Ilmor in England gebaut wurde.
Schon im Jahre 1995 wechselte dieser Motor zum Team McLaren, das seit über zwanzig Jahren in den weiß-roten Farben eines Tabak-Sponsor fuhr und dabei 10 WM-Titel errang (mit Motoren von Ford, TAG-Porsche und Honda), aber Mitte der 1990er Jahre eine lange sieglose Durststrecke durchlebte.
Für die Saison 1997 wechselte dieser Tabak-Sponsor zu Ferrari, und dieMcLaren-Mercedes absolvierten die Testfahrten mit orangefarbener Lackierung wie schon in den 1960er Jahren, bevor ein neuer Tabak-Sponsor schwarz-weiß-orange Farben mitbrachte. Trotz nur weniger Silbertöne an Nase und Motorhaube wurde der Begriff "Silberpfeil" wieder verwendet. Immerhin konnte wie schon 1934 und 1954 gleich beim ersten Einsatz ein Sieg erzielt werden (Australien 1997, David Coulthard), dem noch zwei weitere folgten. Die Jahre 1998 und 1999 brachten jeweils den WM-Titel für Mika Häkkinen.
Im Jahre 1999 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans trafen erstmals seit 60 Jahren wieder reinrassige Silberpfeile mit dem Stern bzw. den Vier Ringen aufeinander. Während die von Audi England eingesetzten R8C-Coupés mit den eigentlich Mercedes-typischen Flügeltüren mangels Zuverlässigkeit ausfielen, erreichten die vom erfolgreichen deutschen Joest-Team betreuten offenen R8R-Sportwagen das Ziel als Dritte und Vierte. Gewonnen hat ein in für deutsche Rennwagen klassischem Weiß lackierter BMW V12.
Mercedes dagegen erlebte ein Debakel, da die CLR-Silberpfeile aufgrund der extremen Auslegung von Aerodynamik und Fahrwerk dreimal wie ein Flugzeug abhebten und spektakulär verunfallten, zum Glück ohne Folgen. Mercedes zog daraufhin sofort den letzten verbliebenen Wagen vom Rennen zurück und beendete alle Aktivitäten bei den Sportwagen, während Audi in den drei folgenden Jahren jeweils überlegene Siege mit R8-Silberpfeilen einfuhr.
In der Formel 1 unterlagen dagegen die offiziell West McLaren-Mercedes genannten Wagen viermal in Folge dem roten Ferrari von Michael Schumacher, was den einstigen Nimbus der Unbesiegbarkeit der "Silberpfeile" entzauberte.
- Siehe auch: Mercedes-Benz Museum in Stuttgart-Untertürkheim