Sein (Philosophie)
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2 Transzendentalien 3 Objektivität des Seins 4 Das "Nichts" 5 Literatur 6 Weblinks |
Der zentrale Begriff der Ontologie ist der des Seins. „Sein (Esse) heißt jene Vollkommenheit, durch die etwas ein Seiendes (Ens) ist" (Lotz in: Brugger 345). Was bedeutet das genau? Vollkommenheit bedeutet, wie das Wort bereits sagt, zum-Vollen-kommen. Man unterscheidet die absolute Vollkommenheit von verschiedenen relativen Vollkommenheiten. Hat etwas sein Ziel erreicht oder anders gesagt seine Anlagen voll entfaltet, spricht man von Vollkommenheit oder auch von Voll-endung. Auf das Sein bezogen heißt das, dass jedes Seiende in der Hinsicht vollkommen ist, als es eben – ganz – ist. Das Sein ist deshalb die erste Vollkommenheit, die „allem" zukommt und den Grund für alle weiteren Vollkommenheiten legt; der Begriff des Seins ist entsprechend der erste Begriff, auf dem alle anderen aufbauen.
Weil dieser Begriff alle Sonderordnungen respektive Seinsbereiche, alle Kategorien übersteigt, heißt er transzendent(al) (Von lateinisch: transcendere, übersteigen. Der Begriff „transzendent" - im Sinne des Realismus - darf nicht mit dem „transzendental" im Sinne Kants verwechselt werden, der darunter die kritizistische Berücksichtigung der apriorischen Bedingungen menschlicher Erkenntnis versteht.). Als Transzendentalien gelten (neben dem Sein) die Einheit, Wahrheit und Gutheit. (Die Schönheit wird teilweise ebenfalls unter die Transzendentalien gezählt.) Die Transzendentalien sind Bestimmungen, die allem Seienden innewohnen. Alles Seiende ist eins, das heißt es ist ungeteilt und von jedem anderen Seienden verschieden. Weiter ist jedes Seiende wahr, das heißt es ist von Gott erkannt und zudem vom endlichen Geist – zumindest grundsätzlich – erkennbar. Außerdem ist jedes Seiende gut, das heißt es ist von Gott gewollt und zudem vom endlichen Geist anstrebbar.
Man unterscheidet das nicht-notwendig, das heißt kontingent Seiende und das (absolut) notwendig Seiende. Während man beim absolut notwendig Seienden vom Sein im vollen Sinne spricht, kommt dem Kontingenten das Sein nicht in ganzer Fülle, sondern nur nach Maßgabe seines Wesens zu. Gegenüber dem reinen Sein Gottes wird das Kontingente nur im analogen Sinne „Sein" genannt. Das Seiende reicht niemals an das reine Sein (Gottes) heran; mit Blick auf die Transzendentalien kann man jedoch sagen: Je einer, wahrer und besser etwas ist, desto mehr „ist" es. Das Seiende ist keinesfalls auf die sinnlich erfahrbare Welt beschränkt, wie etwa der Materialismus behauptet.
In den Augen vieler Naturwissenschaftler gibt es keine Objektivität und Unabhängigkeit des Seienden vom menschlichen Denken, sondern allenfalls ein umstrittenes „Postulat" danach. Dieses werde zwar im praktischen Forschungsalltag von der großen Mehrheit der Wissenschaftler implizit vertreten, beruhe jedoch nicht auf philosophischer Reflexion. Andere hingegen, wie etwa einige Vertreter der Quantenphysik beziehungsweise des Physikalismus, behaupten, es gebe gar keine Dinge an sich und deshalb auch keine Ontologie, sondern nur subjektives „Wissen" beziehungsweise eine sehr eingeschränkte Epistemologie. Diese Ansichten sind als widersprüchlich zurückzuweisen. Der Realismus hält an der im Rahmen der Erkenntnistheorie gewonnenen Einsicht fest, dass die Welt oder allgemeiner das Sein des Seienden vom Sein des Menschen und seinem Handeln ontologisch unabhängig ist. Das zeigt sich bereits auf den unteren Stufen der Erkenntnis, also etwa der Wahrnehmung. Wahrnehmung ist kontingent und das menschliche Ich ist nicht hinreichende Ursache dafür, was sich etwa daran zeigt, dass Wahrnehmungen sich oft gegen den ausdrücklichen Willen aufdrängen. Auch der Widerspruch anderer Personen, der unter Umständen gegen die Mehrheit der eigenen Erkenntnisse, Gefühle und Willensakte gerichtet ist, zeigt deutlich die Realität der Außenwelt. Das Sein des den Menschen umgebenden Seienden ist kein „Produkt" seines Intellekts, wie Konstruktivismus und Teile des deutschen Idealismus es wollen. Dagegen muss der Realismus geltend machen, dass ausschließlich Gottes „Denken" (das immer gleichzeitig Wollen und Vollbringen ist, da er actus purus ist) der Grund des Seins von kontingent Seiendem beziehungsweise der ontologischen Wahrheit ist; siehe dazu auch die Natürliche Theologie.
Der Schlüssel liegt in der Liebe zum Sein.
Der Gegenbegriff zum Sein ist das „Nichts". Dieser ergibt sich vor allem aus dem Problem des Werdens. Zwar bietet sich dem Seienden in der Regel eine Möglichkeit des Werdens an, diese setzt aber notwendig immer bereits Sein voraus. Es gibt keinen „Schwebezustand" zwischen Sein und Nichts. Das Sein ist, und das Nichts ist nicht. Mit anderen Worten: Es gibt keine Alternative zum Sein. Das Nichts bezeichnet den Totalausfall des Sein(s), es hat keinerlei Realität. „Das Sein ist nicht das Nichts." Das ist das erste Urteil, das der Verstand fällen und hinter das nicht zurückgegangen werden kann. Das Widerspruchsprinzip ist in erster Linie Seinsprinzip, das die unbedingte Unvereinbarkeit von Sein und Nichts besagt und erst dann – weil die Denkenden am Sein teilhaben und das Denken auf das Sein geht – Denkprinzip. Das „nicht" bezieht sich dabei auf die Kopula. „Keinesfalls sind wir berechtigt, aus dem negativen Prinzip vom Widerspruch ein positives zu machen, indem wir das „nicht"; von der Kopula abtrennen und dem Prädikat zuweisen, so dass nunmehr dialektisch die gedoppelte Negativität zur immanenten Form des Seins selber wird: Das Sein ist das Nicht-Nichts." (Lakebrink) Obwohl das erste Urteil ein negatives ist, setzt es doch das positive Sein voraus. Denken und Sein sind eben nicht dasselbe. Somit ist Hegels Aussage „Sein und Nichtsein ist dasselbe" (Enzyklopädie §88; Logik I, 67) als widersprüchlich zurückzuweisen.
siehe auch: Dasein, Ontologie
Begriff
Transzendentalien
Objektivität des Seins
Das "Nichts"
Literatur
Weblinks