Schwarzbuch des Kommunismus
Das Schwarzbuch des Kommunismus, Courtois, Stéphane/ Werth, Nicolas/ Panné, Jean-Louis/ Paczkowski, Andrzej/ Bartosek, Karel/ Margolin, Jean-Louis (in dtsch. seit 1998 mit einem Beitrag von Gauk, Joachim und Neubert, Ehrhart), München 1998
Einleitung
In diesem Band, der zuerst 1997 in Frankreich erschien, wurden verschiedene Studien über die Verbrechen kommunistischer Regierungen weltweit gesammelt. Daran anschließend kam es in verschiedenen Ländern zu intensiven Diskussionen über eine Neubewertung des Kommunismus und insbesondere zu einem Streit über den darin verwendeten Begriff "Roter Holocaust". Mit diesem Begriff wird jene Bewertung des Kommunismus gestärkt, die ihn mit dem Faschismus (speziell dem deutschen F.) gleichsetzen will, wie das ähnlich bereits im Historikerstreit diskutiert und durchgängig verworfen wurde. Es geht auch um die Frage, ob im internationalen Kommunismus "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen wurden, jener Anklage, die - neben anderen - im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen die deutschen Machthaber während der Zeit des Nationalsozialismus erhoben wurde.
Besonders wurde am Schwarzbuch des Kommunismus das Vorwort und Nachwort von Stéphane Courtois kritisiert, der diese Tendenz gegen die Vorstellungen der Autoren Werth, Nicolas und Margolin, Jean-Louis betont. Um diese Teile drehte sich die internationale Diskussion vorrangig, während die im Buch enthaltenen Studien zumeist nicht beanstandet wurden.
Stéphane Courtois war in der Vergangenheit nach eigenen Aussagen überzeugter Kommunist mit militantem Charakter. Er verkaufte einst Mao-Bibeln und warf Molotow-Cocktails auf eine Polizeiwache. Über die Verbrechen des Kommunismus habe er in der 68er Zeit weder etwas erfahren noch darüber etwas gewusst.
Ansätze des "Schwarzbuch des Kommunismus"
In den kommunistischen Ländern weitete sich nach der im Schwarzbuch vertretenen Ansichten die Gewalt über die Klassen hinaus gegen all die Leute aus, die als konterrevolutionäre Elemente galten und nicht die kommunistische Ideologie vetreten haben. So wurden während der Kulturrevolution in China als auch in Kambodscha vorzugsweise gebildete und intelligente Menschen der Oberschicht, wie z.B. Ärzte oder Lehrer, getötet oder unterworfen, aber auch politische Gegner aus allen andere Schichten. Zwar habe es in kommunistischen Regimen keine industrielle Vernichtung, wie im Dritten Reich gegeben, dennoch überschreiten die Opferzahlen der auf kommunismustischer Ideologie aufbauenden Staatensyteme weltweit um ein Vielfaches die des Faschismus, da oft ganze Länder durch die Revolution ins Chaos gestürzt wurden, in Begleitung mit großen politischen Säuberungen. Der Grund für die höher Opferzahl liegt in erster Linie darin, dass der räumliche Wirkungsgrad des Kommunismus, insbesondere im 20. Jahrhundert mit der Volksrepublik China, der UdSSR und den übrigen Ostblock-Staaten um ein vielfaches den des Faschismus übertraf.
Die Debatte um das Schwarzbuch
Der in der Geschichtswissenschaft ungebräuchliche Begriff Roter Holocaust wurde in der kritischen Debatte um das Buch Das Schwarzbuch des Kommunismus verwendet, um den laut den Kritikern unangemessenen Vergleich der Folgen von Kommunismus und Faschismus zu verdeutlichen. Die Verfasser des Sachbuchs, mit welchem das Schwarzbuch des Kommunismus kritisiert wird (Titel:"Roter Holocaust"? Kritik des Schwarzbuchs des Kommunismus) warnten ausdrücklich vor einem Vergleich oder gar Gleichstellung der Verbrechen unter dem Faschismus und unter kommunistischen Diktaturen. Später wurde vom Historiker Horst Möller, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München und Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in seinem Buch Der Rote Holocaust und die Deutschen der Begriff wieder aufgenommen. Dabei soll der Begriff Roter Holcaust keine Verharmlosung der Verbrechen des Dritten Reiches darstellen, auch wurde der Begriff in der Debatte ja nicht von denen eingeführt, die die Verbrechen der Kommunisten mit den Verbrechen des Faschismus verglichen, sondern der Titel soll hier die Problematik der neutralen Geschichtsbetrachtung im Kontext der Deutschen Vergangenheitsbewältigung unterstreichen.
In Russland wurde eine Debatte und Auseinandersetzung dieser Art von vornherein abgebrochen. In Deutschland führte sie zu großer Kontroverse aufgrund der eigenen Geschichte und dem Nationalsozialismus. Dabei stieß insbesondere die Darstellung des "Schwarzbuch des Kommunismus", welches die Verbrechen der Kommunisten mit 80 Mio. Toten schlimmer als die des Faschismus mit 25 Mio. Toten darstellte, auf Kritik in Roter Holocaus? Kritik zum Schwarzbuch des Kommunismus.
Umstritten sei weniger die Tatsache vom organisierten Massenmord, sondern durch den Begriff "Roter Holocaust" wurde zum einen von Kritikern angemerkt, dass der Vergleich der NS-Verbrechen mit den Kommunistischen Verbrechen die einmaligen verbrecherischen Taten des Deutschen Faschismus gegen die Juden relativiert. Zum anderen kommen zwei methodische Probleme bei einem Vergleich beider Ideologien hinzu: zum einen fand keine industriell organisierte Tötung statt (wohl aber eine in Arbeitsprozessen mit organisierte, wie im "Gulag"), und es wurde keine Tötung aufgrund ethnischer Unterschiede durchgeführt. Als ebenfalls umstritten gilt die direkte Verantwortung all jener für solche Massenmorde, die - speziell im 19. JH - aus ihrer Unterdrückung heraus einen gewaltsamen Befreiungskampf des Proletariats als nötig angesehen haben. Über eine Klasse siegen, heißt desweiteren nicht unbedingt, sie umzubringen. Der Begriff von der Diktatur des Proletariats wäre dann auch sinnlos, wenn niemand mehr zu unterdrücken wäre, weil im Massengrab verscharrt. Hingegen konnte man in der NS Zeit nicht durch Änderung der politischen Meinung oder Aufgabe seines Besitztes die Zielgruppe der Gewaltanwendung - sofern sie beabsichtigt war - verlassen. Über das Vorwort sagte der Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler, das es an die "abstrusen Thesen" des deutschen Historikers Ernst Nolte anknüpft, der den Rassenmord der Nazis als Reaktion auf den Klassenmord der Kommunisten definiert habe.
Entgegensetzt wurde geäußert, dass Parallelen zum Holocaust im Dritten Reich deswegen sichtbar sein, da von Kommunisten, einschließlich Marx, offen der gewaltsame Klassenkampf ausgerufen wurde, der zu einer Gleichheit der Gesellschaft führen sollte. Der Klassenkampf wurde von nahezu allen Kommunistischen Führern, auch von Marx, als Grundlage der Revolution definiert, um die Gesellschaft umzustrukutieren. So sagte u.a. Mao Tse Tung am 14. August 1949 in "Weg mit den Illusionen, zum Kampf bereit sein!": Im Klassenkampf siegen gewisse Klassen, während andere vernichtet werden. Das ist der Lauf der Geschichte, das ist die Geschichte der Zivilisation seit Tausenden von Jahren. Erklärt man die Geschichte von diesem Standpunkt aus, so heißt das historischer Materialismus; nimmt man den entgegengesetzten Standpunkt ein, so ist das historischer Idealismus. Mao hat diese Sichtweise von Marx übernommen, der den Klassenkampf als eine - wie er selbst bezeichnete - globale Theorie zu Erklärung des menschlichen Zusammenlebens deklarierte. Dieser Standpunkt über das Dasein der menschlichen Zivilisation sei z.B. von Adolf Hitler ähnlich aufgefasst worden, allerdings war für ihn nicht die Einteilung der Menschheit in Klassen maßgebend, sondern die Einteilung in qualitativ unterschiedliche Rassen. Ob nun die Gleichheit innerhalb einer Gesellschaft anhand der Vernichtung von Rassen oder anhand der Vernichtung von Klassen erreicht werde, spiele aus der Opferperspektive jedoch keine Rolle. So sagte der Autor Walter Jens Wer einen Menschen tötet, verteidigt keine Lehre sondern tötet einen Menschen. Ebenso Stephane Courtois über die Einordnung der Verbrechen: Es kann keine Hierarchie des Unmenschlichen geben. Desweiteren wurden auch durch die herrschenden Parteien oder Machthaber angestrebt, all diejenigen zu vernichten, die als konterrevolutionäre "Elemente" galten, und somit wurde die Vernichtung - wie letzten Endes auch im Faschismus - mit einer ideologischen Basis begründet, deren Wirkungsgrad oft über die ürsprünglichen Zielgruppen (im Kommunismus Grundbesitzer und andere Klassen, im Nationalsozialismus Juden etc.) hinweg ging. Das Anstreben der klassenlosen Gesellschaft schließe deswegen Gewaltanwendungen nicht aus. Der letzte Abschnitt im Kommunistischen Manifest zum gewaltsamen Klassenkampf, sowie die Formulierung "Diktatur des Proletariats" als Vorstufe zum Kommunismus lasse deswegen implizit auf Gewaltanwendungen schließen, die in vielen kommunistischen Ländern auch realisiert wurden.
Nahezu unbestritten unter Historikern bleibt aber, dass das Kommunistische Manifest und die Äußerungen von Marx und Engels viele Möglichkeiten für einen großen Interpretationsspielraum bieten, in dem Ein-Pateienherrschaft, Gewalt und Mord an großen Teilen der Bevölkerung nicht zwangsläufig vorhanden sein müssen, aber durchaus ihren Platz einnehmen können.
Literatur