Schachweltmeister
Wilhelm Steinitz gilt durch seinen Sieg über Johannes Zukertort im Wettkampf von 1886 allgemein als der 1. Schachweltmeister. Freilich gab es auch zuvor eine Reihe von Spielern, die von dem schachinteressierten Publikum als weltbeste Spieler akzeptiert wurden, so etwa André Danican Philidor, Adolf Anderssen oder Paul Morphy, als solche bezeichnete - und mit einem entsprechenden Einsatz versehene - Weltmeisterschaftskämpfe fanden jedoch nicht statt.
Nach dem Sieg von Steinitz über Zukertort fanden sich etliche Herausforderer, die mit Steinitz um die Weltmeisterschaft spielen wollten. Als Titelanwärter galten insbesondere der spätere Weltmeister Emanuel Lasker, der russische Meister Michail Tschigorin und der deutsche Schachmeister Siegbert Tarrasch. Es war jedoch bis 1948 allein Sache des jeweils amtierenden Weltmeisters, wessen Herausforderung er annahm, und wem er einen Weltmeisterschaftskampf verweigerte, weswegen letztlich auch nur der amtierende Weltmeister die Bedingungen und das Preisgeld diktieren konnte.
Steinitz war eine Kämpfernatur und zudem Berufsschachspieler. Er war deswegen relativ leicht zu bewegen, seinen Weltmeistertitel gegen etwaige Herausforderer zu verteidigen.
Lasker war insgesamt 27 Jahre von 1894 bis 1921 Weltmeister. Seine überragende Stellung in der Schachwelt jener Zeit ist unbestritten. Allerdings war seine Weltmeisterschaft auch dadurch geprägt, dass er Zweikämpfen ungewissen Ausganges durch das Aufstellen nur schwer zu erfüllender Bedingungen aus dem Weg zu gehen wusste. So kam es zu einem von der Schachwelt gewünschten Wettkampf mit dem polnischen Meister Akiba Rubinstein nicht und zu einem Kräftemessen mit dem späteren WeltmeisterJosé Raúl Capablanca erst 1921.
Im einzelnen spielte Lasker nach seinem Sieg über Steinitz 1894 noch folgende Weltmeisterschaftskämpfe:
Capablanca dominierte die Schachturniere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und war vor allem für sein tiefes positionelles Verständnis berühmt. Um die Weltmeisterschaft spielte er erst 1927 wieder, wobei er sich Alexander Aljechin geschlagen geben musste. In der Folgezeit versuchte er vergebens, Aljechin zu einem Revanchekampf zu bewegen.
Durch seinen spektakulären Sieg über Capablanca bestieg Aljechin 1927 den Schachthron. Durch geschicktes Taktieren wusste er einem Revanchekampf gegen Capablanca ebenso auszuweichen, wie einem Weltmeisterschaftskampf gegen Aaron Nimzowitsch, dessen Ausgang höchst ungewiss gewesen wäre. Statt dessen spielte er folgende Wettkämpfe:
Der wissenschaftlich spielende Niederländer Machgielis (Max) Euwe konnte durch seinen Sieg über Aljechin zwei Jahre lang den Weltmeistertitel für sich beanspruchen.
Hierdurch war er auch als einer der Kandidaten für das Weltmeisterschaftsturnier von 1948 prädestiniert, bei dem er sich jedoch nicht durchzusetzen vermochte.
Durch den Tod Alexander Aljechins wurde der Weg frei für die Übernahme der Weltmeisterschaftskämpfe durch den Weltschachverband (FIDE). Der erste FIDE-Weltmeister wurde in einem Weltmeisterschaftsturnier ermittelt, das 1948 Michail Botwinnik für sich entscheiden konnte.
An dem Turnier nahmen neben Michail Botwinnik noch Paul Keres, Wassili Smyslow, Samuel Reshevsky und Max Euwe teil. Der usprünglich gleichfalls als Teilnehmer vorgesehene amerikanische Meister Reuben Fine verzichtete.
Das neue Weltmeisterschaftsregelment sah vor, dass der Weltmeister seinen Titel alle drei Jahre verteidigen musste. Der jeweilige Herausforderer wurde durch Zonen-, Interzonen- und Kandidatenturniere ermittelt.
Bis 1963 galt zudem die Regel, dass dem Weltmeister im Falle eines Titelverlustes ein Revancherecht ein Jahr später zustehen sollte.
Nach dem FIDE-Reglement spielte Botwinnik folgende Titelkämpfe:
Der Zweitplazierte des Weltmeisterschaftsturniers von 1948 konnte Botwinnik 1957 im Weltmeisterschaftskampf bezwingen, unterlag dem alten Weltmeister jedoch ein Jahr später bei dem von den Statuten vorgesehenen Revanchekampf.
Der junge Michail Tal galt als "Feuerkopf" unter den Schachmeistern seiner Zeit. 1960 setzte er sich gegen Weltmeister Botwinnik durch. Zur allgemeinen Überraschung gelang dem weitaus älteren Botwinnik aber dank seiner präzisen Wettkampfvorbereitung erneut die Revanche.
1963 gelang es Petrosjan, einem der besten Defensivspieler der Schachgeschichte, Botwinnik zu schlagen. Danach spielte Petrosjan folgende Wettkämpfe:
Spasskys Weltmeisterschaft dauerte drei Jahre bis zu dem vielbeachteten Wettkampf mit dem amerikanischen Schachgenie Robert James "Bobby" Fischer.
Allerdings erwies sich Fischers Herrschaft auf dem Schachthron als die kläglichste der Geschichte: Der Amerikaner zog sich vom Schach zurück und verteidigte seinen Titel insbesondere im Jahr 1975 nicht gegen den von der FIDE ermittelten Herausforderer Anatoli Karpow.
Nachdem Fischer zu dem Weltmeisterschaftskampf 1975 nicht antrat, wurde Herausforderer Karpow von FIDE-Präsident Euwe kampflos zum Weltmeister proklamiert. Als Weltmeister spielte Karpow folgende Wettkämpfe:
Unter der Leitung der FIDE spielte Kasparow zunächst folgende Wettkämpfe:
1993 kam es dann zum Bruch zwischen Kasparow und der Weltschachorganisation. Kasparow weigerte sich, unter den Bedingungen der FIDE erneut um die Weltmeisterschaft zu spielen und war maßgeblich an der Gründung eines eigenen Schachverbandes beteiligt. Seither wurden in beiden Verbänden rivalisierende Weltmeister ermittelt.Die Zeit der Weltmeisterschaftskämpfe
1. Weltmeister: Wilhelm Steinitz (1886 - 1894)
2. Weltmeister: Emanuel Lasker (1894 - 1921)
3. Weltmeister: Jose Raul Capablanca (1921 - 1927)
4. Weltmeister: Alexander Aljechin (1927 - 1935 / 1937 - 1946)
Zu weiteren Wettkämpfen kam es während des Zweiten Weltkrieges nicht. 1946 beging Aljechin, der Kollaboration mit den Deutschen und des Antisemitismus bezichtigt, Selbstmord.5. Weltmeister: Max Euwe (1935 - 1937)
Das Weltmeisterschaftsturnier von 1948
Die Weltmeisterschaften der FIDE
6. Weltmeister: Michail Botwinnik (1948 - 1957, 1958 - 1960, 1961 - 1963)
7. Weltmeister: Wassili Smyslow (1957 - 1958)
8. Weltmeister: Michail Tal (1960 - 1961)
9. Weltmeister: Tigran Petrosjan (1963 - 1966)
10. Weltmeister: Boris Spasski (1969 - 1972)
11. Weltmeister: Robert James (Bobby) Fischer (1972 - 1975)
Die Weltmeisterschaft Fischers wurde im Westen stark bejubelt. Zu der Faszination, die das Schachgenie Fischer ausstrahlte gesellte sich die Genugtuung darüber, dass es einem Amerikaner gelungen war, in die Domäne der Sowjetischen Schachschule einzudringen.12. Weltmeister: Anatoli Karpow (1975 - 1985)
13. Weltmeister: Garri Kasparow (1985-1993)
Name | von-bis | Land |
Wilhelm Steinitz | 1886-1894 | Österreich |
Emanuel Lasker | 1894-1921 | Deutschland |
José Raúl Capablanca | 1921-1927 | Kuba |
Alexander Aljechin | 1927-1935/1937-1946 | Russland/Frankreich |
Max Euwe | 1935-1937 | Niederlande |
Michail Botwinnik | 1948-1957/1958-1960/1961-1963 | UdSSR |
Wassili Smyslow | 1957-1958 | UdSSR |
Michail Tal | 1960-1961 | UdSSR |
Tigran Petrosjan | 1963-1969 | UdSSR |
Boris Spasski | 1969-1972 | UdSSR |
Bobby Fischer | 1972-1975 | USA |
Anatoli Karpow | 1975-1985 | UdSSR |
Garri Kasparow | 1985-1993 | UdSSR/Russland |
Schachweltmeister PCA/Braingames ab 1993
Garri Kasparow | 1993-2000 | Russland |
Wladimir Kramnik | seit 2000 | Russland |
Schachweltmeister FIDE ab 1993
Anatoli Karpow | 1993-1999 | Russland |
Alexander Khalifman | 1999-2000 | Russland |
Viswanathan Anand | 2000-2002 | Indien |
Ruslan Ponomariov | 2002-2004 | Ukraine |
Rustam Kasimdschanow | seit 2004 | Usbekistan |
Name | von-bis | Land |
Vera Menchik | 1927-1944 | CSSR/Großbritannien |
Ludmilla Rudenko | 1950-1953 | UdSSR |
Elisabeth Bykova | 1953-1956/1958-1962 | UdSSR |
Olga Rubzowa | 1956-1958 | UdSSR |
Nona Gaprindaschwili | 1962-1978 | UdSSR (Georgien) |
Maja Tschiburdanidse | 1978-1991 | UdSSR (Georgien) |
Xie Jun | 1991-1996/1999-2001 | China |
Zsuzsa Polgar | 1996-1999 | Ungarn |
Zhu Chen | 2001-2004 | China |
Antoaneta Stefanova | seit 2004 | Bulgarien |
Siehe auch: Schach, Brettspiel, Sport, Weltmeister