Samo
Das Reich des Samo stellt die erste bekannte Reichsgründung der Westslawen in der Mitte des 7. Jahrhunderts dar. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Eliten, der sich zunächst für den gemeinsamen Aufstand gegen die awarische Herrschaft gebildet hatte und sich später gegen die expansive Politik des fränkischen Reiches wandte. Das Zentrum des Reiches lag wahrscheinlich in Südmähren, es umfaßte jedoch auch Böhmen und wohl ebenso Niederösterreich und die Südwestslowakei, das sicher den Ausgangspunkt des Aufstandes gegen die Awaren bildete. Sein Begründer war der fränkische Kaufmann und Diplomat Samo (*? - wohl 658), der 623/624, während der Regierungszeit des fränkischen Königs Chlothar II mit seinen Gefährten eine Handelsreise zu den ostmitteleuropäischen Slawen unternahm.Den Angaben in der sogenannten Chronik des Fredegar zufolge war er ein "Mann mit Namen Samo, fränkischen Herkunft, aus dem Gau von Sens" (homo nomen Samo, natione Francos, de pago Senonago). Dieser Satz kann jedoch unterschiedlich übersetzt und gedeutet werden. Nach der wahrscheinlichsten Hypothese ist der Name Samo keltischen Ursprungs, sein Träger könnte Galloromane gewesen sein, ein romanisierter Bewohner der ehemaligen römischen Provinz Gallien, die im 7. Jahrhundert den Kern des fränkischen Königreiches bildete. Seine Familie dürfte aus dem Umkreis der heutigen französischen Stadt Sens südöstlich von Paris stammen.
Nach seiner Ankunft bei den Slawen wurde er zum Anführer eines erfolgreichen Aufstandes gegen die Awaren und zum "König" gewählt. Es existieren jedoch noch weitere mehr oder weniger wahrscheinliche Hypothesen über Samos Herkunft und die Umstände seiner Königserhebung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Samo von Dagobert I, dem Sohn Chlothars, selbst zu den Slawen ausgesandt wurde, der zu dieser Zeit von seinem Vater als Unterkönig im austrasischen Reichsteil eingesetzt worden war.
Nachdem weitere fränkische Kaufleute nach Ostmitteleuropa gezogen waren und im Reich des Samo beraubt und getötet wurden, gelangte eine zweite fränkische Gesandtschaft in das Gebiet. Die diplomatischen Verhandlungen, die Sicharius im Auftrage König Dagoberts zum Schutz der fränkischen Untertanen auch innerhalb eines fremden Machtbereichs führte, blieben erfolglos, da Samo jegliche Genugtuung oder Sühneleistung verweigerte. Daraufhin wurde im Jahr 631/632 ein großangelegter Feldzug gegen Samo geführt. Dagobert zog mit seinem austrasischen Heer gegen Samo, wobei er von den Alamannen unter Herzog Chrodobert unterstützt wurde. Außerdem konnte er die Langobarden als Bundesgenossen gewinnen, die wohl im Süden des Samo-Reiches operierten. Den einzelnen Heeren gelang es jedoch nicht, sich zu verbinden. Während die Teilheere Erfolge erzielten, wurde das austrasische Hauptheer bei der Wogastisburg geschlagen. Der Versuch, Samo zu unterwerfen, war damit gescheitert. Daraufhin fiel auch der Dervanus, der Fürst (dux) der im Elb-Saale-Gebiet ansässigen Sorben, von den Franken ab, ging zu Samo über und unternahm mit seinen slawischen Heerscharen mehrfach Einfälle in Thüringen.
Samo paßte sich dem neuen kulturellen Umfeld, das sich von dem fränkischen Reich deutlich unterschied, rasch an. Fredegar erwähnt, dass er 12 slawische Frauen und mit ihnen 22 Söhne und 15 Töchter gehabt habe. Aus den Angaben über die Dauer seiner Herrschaft läßt sich erschließen, dass er um das Jahr 658 verstarb. Mit seinem Tod zerfiel das Reich. Es ist jedoch nicht sicher, ob mit seiner Herrschaft alle Zusammenschlüsse untergingen oder ob nicht einige politische Strukturen Bestand hatten. Zuweilen wird angenommen, dass eine Tradition zu dem Großmährischen Reich führte. Schriftliche Quellen, die darüber Auskunft geben könnten, fehlen für das Gebiet der heutigen Tschechischen Republik und der Slowakei in den folgenden 150 Jahren und setzen erst um 800 n. Chr. wieder allmählich ein.
Literatur
Weblinks