Saarstatut
Das erste Saarstatut trat am 10. Januar 1920 als 49. Artikel der Versailler Friedensverträge in Kraft.Es sprach für 15 Jahre Frankreich die Eigentumsrechte an den saarländischen Kohlengruben und an den Eisenbahnen westlich der Saar, das Saarbecken-Gebiet zu. In dieser Zeit verwaltete eine vom Völkerbund eingesetzte Regierungskommission das Gebiet. 1922 wurde mit dem sogenannten Landesrat eine politische Mitbestimmung der Saarländer geschaffen - eine gewählte parlamentarische Vertretung fast ohne demokratische Befugnis.
Wirtschaflich bedeutete das Saarstatut einen erheblichen Einschnitt, denn durch die Verlegung der Zollgrenzen erfolgte eine Umorientierung der saarländischen Wirtschaft vom deutschen zum französischen Markt. Wegen der Einführung des französischen Franc als Währung am 1. Juni 1923 blieb der saarländischen Bevölkerung die Hyperinflation von Deutschland und deren verheerende soziale Auswirkungen erspart.
Der politische, wirtschaftliche und kulturelle Einfluss Frankreichs, die militärische Besetzung und die neue politische Grenze waren für die überwiegende Mehrheit der Saarländer eine ständige Provokation, und nur ein verschwindend geringer Teil sympathisierte offen mit Frankreich. Deshalb gab es schon lange vor der Saarabstimmung 1935 keine Alternative zur Bekenntnis zu Deutschland: die nationale Identität, die sich in Auseinandersetzung mit der französischen Identität herausgebildet hatte, ließ nur einen Weg zu, den Anschluss an Deutschland.
Auf Grund einer Volksabstimmung kehrte das Saarland im Februar 1935 in das deutsche Zollgebiet zurück. Wieder gab es große Umstellungsprobleme - diesmal umgekehrt.
Das zweite Saarstatut wurde als Teil der Pariser Verträge 1954 zwischen dem französischen Ministerpräsidenten Pierre Mendès-France und Bundeskanzler Konrad Adenauer ausgehandelt und am 23. Oktober unterzeichnet.
Frankreich wollte - nach der Ablösung der Amerikaner am 10. Juli 1945 - das Industrierevier an der Saar stärker an sich binden, so wie nach dem ersten Weltkrieg. Wegen des Widerstands der Alliierten gab es diesen Wunsch zugunsten einer Wirtschaftsunion und einer begrenzten Autonomie auf.
Am 8. Oktober 1946 bildete sich eine Verwaltungskommission und am 22. Dezember 1946 schloss Frankreich die Grenze des Saarlandes zum übrigen Deutschland und trieb damit die Entwicklung im französischen Sinne voran - etwa durch die Einführung des französischen Franc als Währung am 20. November 1947.
Ab 1950 begann der ungelöste Status des Saargebiets die westeuropäische und atlantische Zusammenarbeit zu behindern. Frankreichs Außenminister Robert Schuman hatte, um die unter dem Zankapfel Saarland leidende deutsch-französische Verständigung in Gang zu bringen, 1952 eine Europäisierung der Saar ins Gespräch gebracht.
Das 1954 zwischen Pierre Mendès-France und Konrad Adenauer ausgehandelte Saarstatut sah bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland die Unterstellung des Saarlandes unter einen Kommissar der Westeuropäischen Union vor. Aber in der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 bekundeten 67,7% der abstimmenden saarländischen Bürger - bei einer Beteiligung von 96,6% - mit der Ablehnung des Saarstatuts ihren Willen zur erneuten Rückkehr nach Deutschland und zur Angliederung an die Bundesrepublik Deutschland.
Da der deutsch-französische Vertrag von 1954 keine Regelungen für den Fall einer Ablehnung des Saarstatuts enthielt, musste erneut verhandelt werden. Diese Verhandlungen führten zum Luxemburger Vertrag vom 27. Oktober 1956, in dem Frankreich der Rückgliederung des Saarlandes unter deutsche Hoheit zum 1. Januar 1957 zustimmte. Am 14. Dezember 1956 erklärte der saarländische Landtag den förmlichen Beitritt zum Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes. Durch das Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 wurde das Saarland am 1. Januar 1957 als elftes Bundesland in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. Erst mit dem wirtschaftlichen Anschluss am 6. Juli 1959 war die Kleine Wiedervereinigung vollständig, und so endete nach 14 Jahren der zweite saarländische Sonderweg.