Russellsche Antinomie
Die Russellsche Antinomie ist ein von Bertrand Russell formuliertes Paradoxon auf der Grundlage der naiven Mengenlehre. Die Menge M ist definiert als die "Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten". Diese Definition führt zu einem Widerspruch, da sich demzufolge M sowohl selbst enthält als auch nicht selbst enthält.Es gibt zahlreiche populäre Formulierungen der Russellschen Antinomie. Bekannt ist der Barbier, der alle Männer im Ort rasiert, die sich nicht selbst rasieren. Die Frage, ob sich der Barbier selbst rasiert oder nicht, führt ebenfalls zu einem Widerspruch.
Ein älteres Exemplar: Epimenides, der Kreter behauptete: Alle Kreter lügen.
Durch den axiomatischen Aufbau der Mengenlehre lassen sich Antinomien vermeiden. Er zeigt, dass die Zusammenfassung aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten, keine Menge sein kann, sondern eine Klasse bildet - eben weil das sonst zu einem Widerspruch führt. Die Klassendefinition dieser Mengenzusammenfassung ist jedoch in sich widerspruchsfrei und bildet die leere Klasse.
Geschichte
Es ist nicht klar, wann Russell sein Paradoxon entdeckte, es wird jedoch vermutet, dass es im Frühjahr des Jahres 1901 war, als er an seinen Grundlagen der Mathematik arbeitete. 1902 schrieb Russell an Gottlob Frege. Frege hatte ein mengentheoretisches Axiomensystem für die Logik aufgebaut. Die Russellsche Antinomie zeigte, dass dieses Axiomensystem nicht widerspruchsfrei war. Frege erkannte sofort die von Russell aufgezeigten Schwierigkeiten. Er ergänzte die 2. Auflage seines gerade in Druck befindlichen Buches Grundgesetze der Arithmetik durch einen Anhang. Es wird vermutet, dass Frege schließlich seine Arbeiten auf dem Gebiet der axiomatischen Logik aufgrund der Entdeckung des Paradoxons aufgab.
Russell selbst versuchte das Paradoxon durch seine Typentheorie zu lösen. Nach dieser Theorie gibt es einfache Mengen, die nur einfache Elemente, jedoch keine Mengen als Elemente enthalten können. Mengen, die einfache Mengen und Elemente enthalten, gehören zum zweiten Typ, Mengen, die Mengen des zweiten Typs enthalten können, zum dritten Typ usw. In diesem System ist die Darstellung der Menge aller sich nicht selbst enthaltenden Mengen schon aus syntaktischen Gründen nicht möglich. Er legte eine einfache Version dieser Theorie im Jahre 1903 (im Anhang seiner Principles of Mathematics) und eine erweiterte Version im Jahre 1908 (dargelegt in Mathematical Logic as based on the Theory of Types) vor, die Eingang in das berühmte Werk Principia Mathematica fand, welches er nach beinahe zehnjähriger Vorbereitungszeit zusammen mit Alfred North Whitehead ab 1910 veröffentlichte.
Die frühe Version der Typentheorie (seit Ramsey Simplified Theory of Types (STT) genannt) ist ausreichend zur Lösung bzw. Vermeidung der logischen bzw. mengentheoretischen Paradoxien wie der Russellschen Antinomie, ist aber nicht hinreichend für die Lösung der semantischen Paradoxien; dies vermag erst seine signifikant kompliziertere von 1908 stammende Version der Typentheorie, die Ramified Theory of Types (RTT).
1908 veröffentlichte Ernst Zermelo ein axiomatisches System der Mengenlehre, das Abraham Fraenkel 1922 erweiterte, die Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre. Dieses System vermeidet das Russellsche Paradoxon, es ist jedoch unbewiesen, ob es widerspruchsfrei ist.
Der Mathematiker David Hilbert schlug vor, nur endliche, exakt definierte und konstruierbare Objekte in mathematischen Theorien zuzulassen. In den 1930er Jahren bewiesen Kurt Gödel und Alan Turing die Unvollständigkeit solcher Theorien.