Rio Reiser
Rio Reiser, eigentlich Ralph Christian Möbius, (* 9. Januar 1950 in Berlin, † 20. August 1996 in Fresenhagen, Nordfriesland nach einem Kreislaufzusammenbruch) war ein politisch interessierter deutscher Rockmusiker, nach einem seiner Songs manchmal auch "König von Deutschland" genannt.
Rio Reiser war Frontmann der Band Ton Steine Scherben. Später setzte er seine musikalische Karriere solo fort. Er war aktiv in der Hausbesetzer-Szene in Berlin. Reiser machte deutschsprachige Rockmusik & Balladen. Es sind auch einige englisch- und italienischsprachige Stücke bekannt. Seit Juni 1975 lebte er auf einem Bauernhof in Fresenhagen.
Nach Meinung einiger Kritiker erschuf Rio Reiser ein neues Bild eines deutschen Volksmusiksängers; er wurde sogar als Schlagersänger bezeichnet. Für andere war er schlicht der Sänger in einer Rockbandband. Reiser akzeptierte es, als Volksmusiker bezeichnet zu werden, da er sich selber als Musiker, der Musik für das Volk macht, verstand.
Sein Vater war Ingenieur bei der Siemens AG, so dass die Familie mehrmals wegen seiner Arbeit umzog. Sie lebten in Berlin, Oberbayern, Nürnberg, Mannheim und Stuttgart. Reiser war nicht in der Lage, sich an irgendeinem dieser Orte zu Hause zu fühlen. Viele seiner Freunde sagten in einem Interview, das 1998 auf dem TV-Sender arte ausgestrahlt wurde, dass er mit dem Musik machen anfing, um sich einen Platz zu schaffen, an dem er sich heimisch fühlte.
Reiser war seinen Freunden als jemand mit einem eigenen Kopf bekannt. Beispielsweise überredete er seine Mutter Erika Möbius dazu, die Schule beenden und eine Ausbildung in einem Fotographiestudio anfangen zu dürfen. Sie glaubte, er sei ein Autodidakt; er lernte niemals etwas, was ihm von anderen beigebracht wurde. Also brachte er sich selbst das Spielen auf dem Cello, der Gitarre, dem Klavier und anderen Instrumenten bei.
Er entschied sich, seinen Namen wegen des "psychologischen" Romans Anton Reiser vom Autor Karl Philip Moritz von Ralph Möbius in Rio Reiser zu ändern. Während seiner Jugendjahre war Rio Reiser ein großer Fan der Beatles und später der Rolling Stones.
Nachdem er die Schule verlassen hatte, wurde Reiser Sänger der Rockband The Beat Kings, wo er seinen guten Freund R.P.S. Lanrue traf. Später brach er seine Ausbildung im Fotostudio ab und verließ die Beat Kings, um nach Berlin gehen zu können. In Berlin komponierte er die erste Beat-Oper, die jedoch nicht erfolgreich war.
Im Jahr 1970 nahm Reiser die erste Platte mit seiner Band Ton Steine Scherben auf. Deren Name leitete sich angeblich aus dem Zitat "Was ich fand, waren Ton, Steine, Scherben" des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann ab. Das war zumindest die Version, die der fantasiereiche Rio Reiser gerne Journalisten erzählte. Im Buch "Keine Macht für Niemand" erzählt der Bassist Kai Sichtermann, dass sich der Name bei einem Brainstorming aus dem Namen "VEB Ton Steine Scherben" entwickelte. Das war an die Industrie-Gewerkschaft "Bau Steine Erden" angelehnt, aber auch eine Hommage an die Rolling Stones ("Steine"). Zudem weist der Name Ähnlichkeiten mit den "Roten Steinen" auf, einer politisch motivierten Strassentheatergruppe aus Berlin. Im selben Jahr gab die Gruppe den ersten Liveauftritt auf dem von Beate Uhse gesponserten Festival der Liebe. Ton Steine Scherben waren musikalisch erfolgreich, allerdings nicht im kommerziellen Sinne.
Im Jahr 1985 trennten sich Reiser und die Band aus finanziellen Gründen. Die Band und Rio Reiser hatte hohe Schulden (ca. 200.000 DM), aber Rios Solo-Karriere verlief so erfolgreich, dass er binnen kurzer Zeit schuldenfrei war. Annette Humpe, die gemeinsam mit Udo Arndt Reisers erstes Soloalbum Rio I produzierte, stellte Kontakt zu George Glueck her. Sein erstes selbst aufgenommenes Album war König von Deutschland. Viele seiner Freunde aus den Tagen von Ton, Steine, Scherben mochten es nicht, dass Reiser plötzlich ein kommerziell erfolgreicher Musiker wurde.
Am 01. und 02.10.1988 gab Reiser zwei Konzerte in Ostberlin, zu denen die FDJ eingeladen hatte.
Reisers sechste und letzte Soloplatte hieß Himmel und Hölle. Reiser schrieb und führte die meisten seiner Lieder allein auf, auch wenn er manchmal von seinem alten Freund R.P.S. Lanrue unterstützt wurde.
Seine bekanntesten Werke als Einzelinterpret: König von Deutschland, Junimond welche allerdings beide noch zu Ton Steine Scherben Zeiten komponiert wurden.
Reiser war auch parteipolitisch aktiv. Während er 1983/1984 noch für die Grünen in den Wahlkampf zog, trat er nach der Wende 1990 der PDS bei, wodurch sich manche Radiostationen und auch der Musiksender VIVA weigerten, seine Musik zu spielen bzw. seine Videos zu zeigen.
1995 spielte Reiser in einem "Tatort" des Bayerischen Rundfunks mit, in welchem er einen ehemaligen Hausbesetzer spielt, der nach elf Jahren aus der Haft entlassen wird und sich in einer für ihn fremd gewordenen Welt zurecht finden muß. Für den Film komponierte er auch den Titelsong ("Träume").
Am 20. August 1996 stirbt Rio Reiser nach einem Herz-Kreislauf-Kollaps in Verbindung mit inneren Blutungen. Die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis verfügte persönlich, dass Rio Reiser auf seinem Privatgrundstück in Fresenhagen beigesetzt werden durfte.
Das Grab in Fresenhagen ist seitdem eine Pilgerstätte, sein Haus heißt heute Rio-Reiser-Haus und dient als Tagungsort und Studio für Kulturschaffende.
Siehe auch: Liste bekannter Rockmusiker