Richtlinie (Europäische Union)
Im Zusammenhang mit der Rechtsetzung auf der Ebene der europäischen Union bezeichnet Richtlinie eine Vorschrift der europäischen Gemeinschaft, die die Mitgliedstaaten zur Verwirklichung eines bestimmten Ziels verpflichtet. Die Wahl der Methode dafür ist grundsätzlich dem einzelnen Mitgliedstaat überlassen. Wenn die Richtlinie allerdings die Einführung konkreter Berechtigungen oder Verpflichtungen verlangt, muss das innerstaatliche Recht, das ihrer Umsetzung dient, entsprechend konkrete Berechtigungen oder Verpflichtungen begründen. Nach deutschem Recht ist deswegen zur Umsetzung in der Regel ein förmliches Gesetz oder eine Rechtsverordnung erforderlich.Richtlinien setzen regelmäßig eine Frist, innerhalb derer sie in innerstaatliches Recht umgesetzt werden müssen. Danach sind alle staatlichen Körperschaften, auch wenn sie im Rahmen privatrechtlicher Verträge handeln (also etwa als Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten) unmittelbar durch diese Richtlinien gebunden.
Sie schaffen aber keine Berechtigungen oder Verpflichtungen, die im Verhältnis Privater untereinander unmittelbar für oder gegen den Einzelnen wirken. Ausnahmsweise können Bürger sich aber trotzdem unmittelbar auf eine Richtlinie berufen, nämlich dann, wenn ein Mitgliedstaat die Richtlinie nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt hat und die Richtlinie Bestimmungen enthält, die so konkret formuliert sind, dass sich daraus Berechtigungen des Einzelnen eindeutig ableiten lassen. Fehlt es an einer solchen Konkretisierung und erleidet ein Einzelner nach Ablauf der Umsetzungsfrist in Folge der fehlenden oder mangelhaften Umsetzung einen Nachteil, kann er unter Umständen die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Staatshaftung wegen Schadensersatz in Anspruch nehmen.
Bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist haben aber EU-Richtlinien insoweit Rechtswirkungen, als die nationalen Rechtsnormen im Wege einer "europarechtskonformen Auslegung" soweit möglich unter Beachtung der Vorgaben der Richtlinie zu interpretieren sind, um Kollisionen zwischen europarechtlichen Vorgaben und innerstaatlichem Recht zu vermeiden (vergleiche Kollisionsregeln).
Die Richtlinie ist die häufigste Form, in der europäisches Recht gesetzt wird; die andere Möglichkeit, die Verordnung, besitzt dagegen unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten auch in privatrechtlich geregelten Rechtsbeziehungen. Sie lässt den Mitgliedstaaten im Unterschied zur Richtlinie keine Gestaltungsmöglichkeiten. Deswegen wird davon nur zurückhaltend Gebrauch gemacht.
Rechtsgrundlage für den Erlass von Richtlinien ist Artikel 249 des EG-Vertrages. Aus diesem Grund ist die korrekte Bezeichnung auch EG-Richtlinie und nicht EU-Richtlinie, obwohl ihr Geltungsbereich die gesamte EU umfasst und die Veröffentlichung im Amtsblatt der europäischen Union erfolgt.
Siehe auch: Europäische Gemeinschaft
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