Rhetorische Figuren
Eine rhetorische Figur oder Stilfigur ist eine sprachliche Darstellungsform, die lexisch oder syntaktisch von der üblichen Sprechweise abweicht. Sie wird vom Autor meist gezielt eingesetzt, um eine bestimmte Wirkung beim Leser hervorzurufen.
Table of contents |
2 Einsatz 3 Klassifizierung rhetorischer Figuren 4 Tabelle rhetorischer Figuren 5 Weiterführende Informationen im Internet 6 Literatur |
Herkunft
Die in der Rhetoriktheorie, Poetik und Sprachwissenschaft geläufigen Stilfiguren stammen ursprünglich v.a. aus der altgriechischen und lateinischen Dichtung und Rhetorik; die ersten Versuche zur Unterscheidung, Benennung und Systematisierung der Figuren wurden ebenfalls in der antiken Rhetoriktheorie gemacht.
Die Bezeichnungen selbst stammen meist aus dem Griechischen oder Lateinischen, in Ausnahmefällen aus dem Französischen (zum Beispiel Enjambement) oder anderen neuzeitlichen Sprachen. Teils sind auch deutsche Namen geläufig. Die Benennung der Figuren ist nicht einheitlich: teils trägt dieselbe Figur mehrere Namen (zum Beispiel Pleonasmus und Tautologie), teils bezeichnet ein Name mehrere Figuren (zum Beispiel Katachrese). Auch die Abgrenzung ähnlicher Figuren ist oft sehr schwierig (zum Beispiel bei Metapher, Metonymie und Synekdoche) und variiert je nach benutztem Buch (zum Beispiel Hypallage, Enallage und Zeugma).
Nicht alle Figuren sind auf alle Sprachen übertragbar. Im Altgriechischen und im Deutschen ist zum Beispiel eine fast beliebige Möglichkeit zur Bildung neuer Wörter durch Zusammensetzung gegeben (vgl. Neologismus); im Altgriechischen, Lateinischen und (etwas eingeschränkt) auch im Deutschen ist die Wortstellung besonders in poetischer Sprache sehr frei, was eine Vielzahl von Wortstellungsfiguren (zum Beispiel Hyperbaton, Anapher, Epipher etc.) erlaubte. In anderen Sprachen sind entsprechende Figuren nur teilweise möglich.
Seit der Antike gibt es mehrere, einander tlw. ausschließende Klassifikationen rhetorischer Figuren, die heute zu einer kaum noch überschaubaren Vielzahl von Einteilungen geführt hat.
Eine der ältesten und weitestverbreiteten ist die grundlegende Zweiteilung:
Einsatz
Die Wirkung der Stilmittel ist meistens eine besondere Betonung, die der Leser oder Zuhörer unbewusst aufnimmt. Während die meisten Stilmittel absichtlich in Reden oder Schriftwerke eingebaut werden, sind einige alltäglich, zum Beispiel die Ellipse, eine Auslassung von Wörtern:
Du kannst gut singen, ich nicht müsste eigentlich Du kannst gut singen, ich kann nicht gut singen heißen.Klassifizierung rhetorischer Figuren
Ebenfalls aus der Antike stammt die in der Rhetorik übliche Einteilung nach den vier Änderungskategorien, die v.a. auf die Sprachfiguren (s.o.) zutrifft. Sie geht mit der Devianztheorie von einem zugrunde liegenden 'einfachen' oder 'direkten' Ausdruck aus, dem verbum proprium (eigentlichen Wort), das in der Formulierung nun nach einer der Kategorien variiert wird:
Neuere Einteilungen unterscheiden oft detaillierter:
Tabelle rhetorischer Figuren
Bezeichnung | Beschreibung oder deutsche Bezeichnung | Beispiel |
---|---|---|
Adynaton | Betonung durch Vergleich mit Unmöglichem | Eher geht die Welt unter, als dass ... |
Akkumulation | Anhäufung | Feld, Wald und Wiesen |
Allegorie | Verbildlichung, ausgeführte Metapher | Auf dem Theater der Welt sind alle Menschen Spieler: mancher bekommt die Rolle eines Königs, mancher die eines Bettlers ... usw. |
Alliteration | Stabreim (Anfangsbuchstabe wiederholt) | Kind und Kind und Kegel |
Anadiplose | Wiederholung eines satz/versschließenden Wortes am Beginn des nächsten Satzes/Verses (Schema: ... x / x ...) | Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen, Wind und Wellen spielen nicht mit seinem Herzen. (Johann Wolfgang von Goethe) |
Anakoluth | Satzbruch | Er sagte, dass das so ... |
Anapher | Wiederholung am Satz/Versanfang (Schema: x ... / x ...) | Ich fordere Moral. Ich fordere Verständnis. |
Antithese | Polarität (Gedanklicher Gegensatz) | Er konnte alles, aber er konnte dies nicht |
Antonomasie | Eigenname als Gattungsbegriff (oder umgekehrt) | Herkules als Bezeichnung für einen starken Menschen, Kritikerpapst für Marcel Reich-Ranicki |
Aposiopese | Gedankenabbruch | Er kam, sah und ... |
Assonanz | Gleichlautung, Gleichklang | Ottos mops trotzt (Ernst Jandl) |
Asyndeton | Unverbundene Reihung gleichwertiger Elemente. | Wasser, Feuer, Erde, Luft – ewig werden sie bestehen. |
Bathos | Gegenüberstellung eines höheren Wertes mit einem niedrigeren | Die Explosion zerstörte alle Häuser auf der anderen Straßenseite und meinen Briefkasten |
Brachylogie | (griech.: Schnelle) Kürze | |
Chiasmus | Kreuzstellung | Ich bin groß, klein bist du |
Contradictio in adjecto (Spezialfall des Oxymoron) | lat. "Widerspruch im Beiwort" | fünfeckiger Kreis, unbefleckte Empfängnis |
Correctio | lat. Verbesserung | Es war ein Erfolg, was sage ich, ein Triumph. |
Ellipse | Auslassung (von Satzteilen) | Na und? / Wer? Ich! Aber auch: Ich kann dies, du nicht |
Emphase | Hervorhebung | |
Enallage | Verwechslung, Vertauschung | Dunkel gingen sie durch die schweigende Nacht (Vergil) |
Enjambement | Satzumbruch am Versende | Die Wellen schaukeln Den lustigen Kahn (Heinrich Heine) |
Epipher | Wiederholung am Satz/Versende (Schema: ... x/ ... x) | Ich fordere Moral, ich lebe Moral. |
Epitheton | stehendes Beiwort | der listenreiche Odysseus |
Euphemismus | beschönigende Umschreibung | kräftig (anstelle von dick) |
Etymologische Figur | Substantiv + Verbalisierung | |
Geminatio | Verdoppelung (Schema: ... x x ...) | Diese, diese Unverschämtheit! |
Gleichnis(auch: "Vergleich") | Veranschaulichung | Schlau wie ein Fuchs |
Hendiadyoin | Verdopplung: zwei Wörter für eine Bedeutung | nett und freundlich |
Homoioteleuton | Endungsgleichheit, (End-)Reim | Viel Rabatz in diesem Satz! |
Hypallage | Verwechslung, Vertauschung | |
Hyperbaton | Abweichung, Sperrung, Umstellung | "Hier", rief er, "bin ich." |
Hyperbel | Übertreibung | todmüde; fuchsteufelswild |
Hysteron-Proteron | Nachholtechnik | Pompeji ging unter, der Vesuv brach aus. |
Inversion | Umkehrung der normalen Wortstellung im Satz | "Ein Dieb ist er!" (anstelle "Er ist ein Dieb!") |
Ironie | Umkehrung | Schöne Bescherung! |
Isolog | Gedankenparallelität | |
Katachrese (1.) | Metapher/Metonymie als Ersatz für fehlendes Wort | ''der Arm' eines Flusses, eines Gerätes usw. |
Katachrese (2.) | Bildbruch, Bildmissbrauch, | Das schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht |
Kenning | ||
Klimax | Stufenweise Steigerung | Sie arbeiten zehn, zwölf, ja vierzehn Stunden täglich am Erfolg... |
Konzinnität | Ebenmäßigkeit | |
Kyklos | Wiederholung des Satz/Versanfangs am Ende (Schema: x ... x) | Entbehren sollst du, sollst entbehren. (Friedrich Schiller) |
Lithismus | à la Gertrude Stein | A rose is a rose is a rose. |
Litotes | doppelte Verneinung | nicht falsch für richtig |
Metapher | Ersatz durch bildlichen Ausdruck | Löwe für tapfere Kämpfer |
Metonymie | übertragener Ersatz | |
Neologismus | Wortneuschöpfung | Riester-Rente |
Onomatopoesie | Lautmalerei | quak!, Kuckuck, muh!, bumm! |
Oxymoron | Innerer Widerspruch | alter Knabe, weißer Rabe, schwarze Milch der Frühe (Paul Celan) |
Parabel | Beispiel | Ringparabel: "Nathan der Weise" (von Lessing) |
Paradoxon | scheinbare Widersprüchlichkeit | Geiz ist geil |
Parallelismus | Gleichlauf | Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Mensch läuft. (Emil Zátopek) |
Paraphrase | erklärende Umschreibung (als Zusatz) | Fische, die stummen Meeresbewohner |
Parenthese | Einschub | Das ist - wie gesagt - unwichtig. |
Paronomasie | Gleichgestaltigkeit | Wer rastet, der rostet |
pars pro toto | Spezialfall der Synekdoche: etwas wird durch einen Teil benannt | Köpfe für Personen |
Personifikation | Vermenschlichung | Der Krieg ist der Vater aller Dinge |
Periphrase | Umschreibung | Der den Tod auf Hiroschima warf |
Pleonasmus | Sinnhäufung, "doppelt gemoppelt" | weißer Schimmel |
Pointe | Zuspitzung | |
Polyptoton | Vervielfachung | |
Polysyndeton | Mehrfach verbundene Reihung. | Einigkeit und Recht und Freiheit. |
Praeteritio | Vorgebliche (!) Übergehung/Auslassung | Ganz zu schweigen davon, dass Caesar auch in Gallien ... |
Prolepsis | Vorwegnahme | |
Repetitio | Wortwiederholung | |
Rhetorische Frage | Frage, die keine Antwort erwartet | Was ist schon normal?! |
Symbol | feststehendes Bild, dass auf eine abstrakte Vorsellung verweist | weiße Taube (Frieden) |
Synästhesie | Verbindung von verschiedenen Sinneindrücken | Das nasse Gras klang wie ein Liebeslied / süßer die Glocken nie klingen |
Synekdoche | Ersetzung durch numerisch verwandten Begriff: Teil/Ganzes, Gattung/Art, Singular/Plural, früheres/späteres | Dach (für Haus), Kopf (für Mensch); die Deutschen (für: viele Deutsche) usw. |
Synonymie | Bedeutungsgleichheit | |
Tautologie | Häufung | in Reih und Glied |
Trikolon | dreigliedriger Ausdruck | veni, vidi, vici |
Variation | Gleichklangs/Wiederholungsvermeidung | |
Zeugma | Verbindung nicht zusammengehöriger Satzglieder | Er hob den Blick und ein Bein gen Himmel. |
Siehe auch: Rhetorik, Kommunikation,Versfuß
Weiterführende Informationen im Internet
Literatur