Reykjavík
Reykjavik ist die Hauptstadt Islands und die am nördlichsten gelegene Hauptstadt der Welt (Breitengrad 64° 08' N, nicht weit vom Nördlichen Polarkreis, der bei 66° 33' N liegt). Die isländische Bezeichnung Rauchende Bucht (= Reykjavík) rührt vermutlich von den Dämpfen der heißen Quellen in der Umgebung her und wird einem Missverständnis des ersten Siedlers Ingólfur Arnarson zugeschrieben.Reykjavik ist mit 113.387 Einwohnern die größte Stadt Islands, es leben dort ca. 40 % der Gesamtbevölkerung Islands. Die Stadt liegt am Atlantik, genauer gesagt an der Faxaflói-Bucht.
Hier befinden sich die meisten Fakultäten der Universität des Landes und verschiedene andere Hochschulen, Theater, Museen und Kultureinrichtungen sowie ein Hochseehafen.
Mitten in der Stadt liegt ein kleiner See, der Tjörnin.
Reykjavik liegt im Südwesten der Insel auf der Halbinsel Reykjanes. Die Zone der plattentektonischen Verschiebung, die Island von Südwesten nach Nordosten quert, führt auch über diese Halbinsel. Daher gibt es häufiger Erdbeben, die allerdings meist glimpflich verlaufen.
Bis ins 18. Jahrhundert bestand der Ort nur aus einigen Höfen und war von geringer Bedeutung.
Der heute als "Vater der Stadt" geltende Skúli Magnusson, der ab 1749 als Landvogt mit Sitz Bessastaðir wirkte, zeichnet für den Aufschwung des Ortes verantwortlich. Er sorgte für die Ansiedlung erster Industriebetriebe (hauptsächlich Wollverarbeitung), sehr zum Verdruss der dänischen Monopolisten. Lockerungen der restriktiven Handels- und Industriepolitik der Dänen gab es erst nach der Laki-Katastrophe von 1783. Es siedelten sich zunächst vor allem fischverarbeitende Betriebe und Werften an.
1786 wurde dem inzwischen ca. 200 Einwohner zählenden Ort das Stadtrecht verliehen. Aus der Bezeichnung Kaupstaður geht hervor, dass das Schwergewicht auf dem Handel lag. Folgerichtig war die Stadt einer der sechs Orte, die nach der teilweisen Aufhebung des dänischen Handelsmonopols im selben Jahr besondere Handelsrechte erhielten.
Die zunehmende Bedeutung der Stadt geht allerdings auch aus anderen Fakten hervor: Ende des 18. Jahrhunderts wurden der Bischofssitz und die bedeutende Lateinschule von Skálholt nach Reykjavík verlegt.
Reisende Isländer brachten in der ersten Hälfte des Jahrhunderts die in Festlandseuropa zu dieser Zeit sehr verbreiteten Ideen zur nationalen Identität und Unabhängigkeit mit nach Island, die dort schnell Fuß fassten. Reykjavík wurde zum intellektuellen Zentrum des Landes und so verband sich der Aufstieg Islands als unabhängige Nation mit dem Aufstieg der Stadt. 1845 übersiedelte das Parlament, der Alþingi nach Reykjavík. Allerdings hatte es zu der Zeit noch keinerlei wirkliche politische Macht, sondern nur beratende Funktion gegenüber dem dänischen Thron. Trotzdem galt von nun an Reykjavík als Hauptstadt des Landes. Erst 1874 erhielt der Alþingi begrenzte legislative Rechte. Das Land hatte nun zwar eine eigene Verfassung, war aber nach wie vor von Dänemark abhängig.
Schritt für Schritt konnte sich Island bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als eigenständige Nation etablieren: Im Jahre 1904 wurde ein Großteil der Exekutive unter einem Minister für Island nach Reykjavík transferiert. Ab dem 1. Dezember 1918 wurde Island zum Königreich Island erklärt, das aber immer noch der dänischen Krone unterstand. Reykjavík galt nun offiziell als Hauptstadt des Landes. Auch die Einwohnerzahl hatte inzwischen entsprechend zugenommen (vgl.: Demographische Entwicklung).
In den 1920er und 1930er Jahren prosperierte die Stadt zunächst aufgrund der profitablen Produktion von Stockfisch und des Fischexports allgemein. Später litt allerdings auch sie unter der wirtschaftlichen Depression (vgl. z.B. Halldór Laxness' Romane). Der Aufschwung kam mit dem Zweiten Weltkrieg und der Besetzung zunächst durch die Engländer, dann durch die Amerikaner (vgl. etwa die Romane von Einar Kárason).
Die Amerikaner halfen, den großen Zivilflughafen in Keflavík zu bauen und erhielten im Gegenzug das Recht, in der Nähe dauerhaft ihre Truppen zu stationieren. Außerdem schufen sie viele Arbeitsplätze. Dies löste die bis heute anhaltende Landflucht und einen massiven Zuzug in die Hauptstadtregion aus.
Im Jahre 1944 wurde am 17. Juni in Þingvellir die Republik Island ausgerufen. Reykjavík wurde die Hauptstadt des unabhängigen Landes. Der Sitz des isländischen Premierministers befindet sich hier, der des Präsidenten, der ähnlich wie in Deutschland repräsentative Funktion hat, im Reykjavíker Vorort Bessastaðir. Dieses Amt wurde von 1980 bis 1996 zum ersten Mal von einer Frau ausgeübt, Vigdís Finnbogadóttir.
Ab den 50er Jahren kann man geradezu von einem Boom in der Hauptstadt sprechen. Die Lebensbedingungen verbesserten sich rasant. Der Zuzug hielt unvermindert an, während sich immer mehr Industrien in Reykjavík niederließen und andererseits auf dem Lande aufgrund verbesserter Agrartechnologie der Bedarf an Arbeitskräften sank.
Reykjavík wurde auch immer mehr in der Welt bekannt, nachdem im Jahre 1972 dort die Schachweltmeisterschaft zwischen Bobby Fischer und Boris Spasski entschieden worden war. Ebenso nahm sein Gewicht in der Weltpolitik zu, als sich z.B. 1986 Ronald Reagan und Michail Gorbatschow zu einem Gipfeltreffen dort einfanden.
Außerdem spielt seit den 1990er Jahren Reykjavík auf dem Technologiesektor eine bedeutende Rolle, da es gelang, rechtzeitig und massiv in den High-Tech-Sektor einzusteigen.
Heutzutage kann man Reykjavík immer noch als eine aufstrebende und auch im künstlerischen Bereich weiterhin aufblühende Stadt bezeichnen. Dies zeigt sich einerseits am weiterhin anhaltenden Bauboom, der zahlreiche interessante, wenn auch nicht immer ästhetisch befriedigende Gebäude hervorbringt und die Stadtsilhouette ständig verändert. Andererseits aber auch an der sehr lebendigen Kunst- und Musikszene. Haben sich zu Beginn und in der Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem Schriftsteller und bildende Künstler wie z.B. Einar Jónsson oder Ásmundur Sveinsson international einen Namen gemacht, so sind es heutzutage mehr die Popmusiker Björk oder die Mitglieder der Band Sigur Rós, die allgemeinen Bekanntheitsgrad erlangten.Geographie
Geschichte
Erste Ansiedlung (ab 870)
Dem Landnámabók nach wurde Reykjavík von Ingólfur Arnarson, einem der ersten Siedler Islands, gegründet. Wie bei den Wikingern üblich hatte er sich da niedergelassen, wo die ins Meer geworfenen Stützen seines Hochsitzes angeschwemmt worden waren. Archäologische Ausgrabungen haben inzwischen bewiesen, dass sich im 9. Jahrhundert (erste Spuren verweisen auf das Jahr 870) Wikinger aus Norwegen und keltische Immigranten in dieser Gegend ansiedelten. 18. Jahrhundert
19. Jahrhundert
20. Jahrhundert und Gegenwart
801 | 600 |
1860 | 1 450 |
1901 | 6 321 |
1910 | 11 449 |
1920 | 17 450 |
1930 | 28 052 |
1940 | 38 308 |
1950 | 55 980 |
1960 | 72 407 |
1970 | 81 693 |
1980 | 83 766 |
1985 | 89 868 |
1990 | 97 569 |
1995 | 104 258 |
2003 | 113 387 |
An den Zahlen lässt sich das rasche Anwachsen der Bevölkerung deutlich ablesen.
Reykjavik ist Sitz des isländischen Staatspräsidenten, des Parlamentes (Alþingshusið) und der Regierung. Hier haben auch die Botschaften ihren Sitz.
Als größte Sehenswürdigkeit der Stadt darf vermutlich ihre landschaftliche Lage gelten.
Die Stadt hat aber auch etliche gute Museen vorzuweisen.
Es existiert seit 1863, seit 1955 im jetzigen Gebäude. Gezeigt werden wertvolle Kunstwerke und Sammelobjekte der isländischen Kultur wie Schmuck, Waffen, Kirchenkunst und Alltagsgegenstände. Besonders hervorzuheben sind eine Bronzestatuette des Gottes Þór, ein silberner Thorshammer (Þórshamar) sowie die reich mit Schnitzereien verzierte Kirchentür aus ValÞófsstaður.
Allerdings ist das Museum schon seit einiger Zeit wegen Renovierungsarbeiten geschlossen.
Die Architektur des am Tjörnin gelegenen Gebäudes verdient eigene Erwähnung. Der ältere Teil wurde 1916/17 als Eishaus erbaut, um dort Fisch zu konservieren. Der moderne Neubau wurde 1980-88 erstellt.
Die Galerie zeigt in etwa halbjährlichem Wechsel Ausschnitte aus ihrer ca. 5000 Kunstwerke umfassenden Sammlung mit dem Schwerpunkt auf isländischen Künstlern (z.B. zahlreiche Werke der herausragenden Maler Ásgrímur Jónsson und Jóhannes Sveinsson Kjarval). Außerdem gibt es thematisch orientierte Ausstellungen in schnellerem Wechsel.
Das Museum in der Flókagata widmet sich hauptsächlich, wie der Name sagt, dem Werk des Malers Jóhannes Sveinsson Kjarval (1885 - 1972). Allerdings finden in Nebenräumen auch wechselnde Ausstellungen etwa moderner Installationskünstler statt.
Das Museum im Laugardalur befasst sich hauptsächlich mit dem Werk des Bildhauers Ásmundur Sveinsson (1893-1982). Sowohl die lichtdurchfluteten Räume mit den klaren Linien als auch die oft abstrakten Skulpturen des Bildhauers überzeugen mit Detailtreue und herber Schönheit. Vor dem Haus befindet sich ein Skulpturengarten.
Direkt vor der Hallgrimskirkja liegt das Museum des isländischen Bildhauers Einar Jónsson. Das Gebäude erinnert stark an die 30er Jahre. Dem Museum ist ebenfalls ein Skulpturengarten angeschlossen, in dem sich die mystisch angehauchten Figuren hinter Blumen und Sträuchern verbergen.
Der Gelehrte Árni-Magnússon (vgl. auch den Roman Islandglocke von Halldór Laxness) hatte im 17. Jahrhundert Tausende von alten Urkunden, mittelalterlichen Manuskripten und anderen historischen Texten gesammelt und nach Dänemark gebracht. Nach jahrelangem Streit gaben die Dänen diese Zeugnisse altisländischer Kultur 1971 zurück. Sie sind in dieser Sammlung aufbewahrt und einige von ihnen werden in einem kleinen Ausstellungsraum der Öffentlichkeit präsentiert. Zu den Kostbarkeiten der Sammlung gehören das Flateyjarbók (vgl. Breiðafjörður) und der Codex Regius.
Im Stadtteil Árbær, etwas außerhalb des Zentrums, befindet sich das große Freilichtmuseum. In diesem sind ca. 30 Bürgerhäuser und Torfhütten aus dem 19. Jahrhundert mitsamt passender Innenausstattung zu besichtigen. Die Museumswärter tragen passenderweise die Tracht der damaligen Zeit. Manchmal kann man auch Handwerkern bei der Arbeit zusehen.
Eines der ältesten Gebäude in der Stadt ist der Dom (Domkirkjan). Er befindet sich in der Nähe des Hotel Borg im Stadtzentrum.
Die Kirche wurde Ende des 18. Jahrhunderts erbaut anlässlich der Verlegung des Bischofssitzes von Skálholt nach Reykjavík. Bei ihrer Einweihung 1796 passten noch alle Einwohner der Stadt in die eigentlich eher kleine Kirche. Nach dem Umbau von 1847, der der Kirche ihr heutiges Aussehen gab, installierte man darin u.a. ein Taufbecken des dänischen Bildhauers Albert Thorvaldsen.
Sehenswert ist außerdem noch das Universitätsgebäude der Háskoli Islands.
Neben diesen älteren Gebäuden in Reykavik finden sich auch zahlreiche interessante Gebäude der moderneren Architektur. Auffallend sind hier vor allem die modernen Kirchengebäude der Stadt. Die Hallgrímskirkja ist dabei zugleich eins der höchsten Gebäude des Landes.Von ihrer Stellung auf einem Hügel überragt sie die Innenstadt.
Die Hallgrímskirkja mit ihrem auffallenden Turm kann also getrost als Wahrzeichen der Stadt betrachtet werden. Auf den 73 m hohen Turm führt ein Lift und neben dem Öskjuhið bietet sich von hier aus die beste Aussicht über die Stadt und oft bis hin zum Snæfellsjökull. Sie wurde nach dem Dichter Hallgrímur Pétursson benannt. Entworfen wurde das Gebäude von dem isländischen Architekten Guðjón Samuélsson, der auch für den Bau der Kathedrale von Akureyri veranwortlich zeichnet. Es dauerte über 40 Jahre (ab 1943), bis die Kirche 1986 eingeweiht wurde.
Auffallend ist das Motiv der Lavasäulen, die von den grauen Betonstiften dargestellt werden. Das sehr helle Innere der Kirche erinnert an die Gotik. Durch die Kirchenfenster aus durchsichtigem Glas hinter dem Hauptaltar kann man ungewöhnlicherweise Himmel und Wolken sehen.
Ein besonders auffallendes Gebäude ist Perlan im Stadtteil Öskjuhlið. Unter einer Glaskuppel auf den riesigen Heißwasserspeichern der Stadt befinden sich ein kleines Sagamuseum, ein Restaurant und Geschäfte. Die Tanks versorgen zum einem die Stadt mit Warmwasser, zum anderen ersetzen sie in weiten Teilen der Stadt den Winterdienst, da von hier aus die Straßen und Gehwege beheizt werden.
In Reykjavik befinden sich v.a. Dienstleistungsunternehmen, Fischerei- und High Tech-Industrie, u.a. gentechnische und biotechnische Labors.
Die Stadt verfügt inzwischen über einige moderne bis zu sechsspurige Stadtautobahnen. Die Ringstraße Nr.1 führt durch die Außenbezirke der Stadt hindurch. Sie erstreckt sich nach Osten weiter über die Hellisheiði Richtung Selfoss und nach Nordwesten Richtung Akranes und Borgarnes, wobei sie das Reykjavík überragende Bergmassiv der Esja umrundet. Derzeit wird die Staatsstraße zum internationalen Flughafen in Keflavík vierspurig ausgebaut.
Außerdem hat Reykjavík ein ausgesprochen effizientes öffentliches Verkehrssystem aufzuweisen: Busse mit 5 dezentralen Busbahnhöfen und einem zentralen Busbahnhof, dem BSI, sowie einen Inlandsflughafen in der Nähe des Tjörnin. In der Diskussion ist die Verwendung der - in Island viel billigeren - Energiequelle Strom für den öffentlichen Nahverkehr. Vom Einsatz von Straßenbahnen ist man wegen der Erdbebengefahr abgekommen und wird sich vermutlich letztendlich für ein Bussystem mit elektischen Oberleitungen entscheiden. Inzwischen wird auch Wasserstoff als Antriebsquelle für Busse ausgetestet.
Siehe auch: Liste der Städte in Island
Politik
Sehenswürdigkeiten
Museen in Reykjavík
Das Nationalmuseum (Þjóðminjasafn)
Die Nationalgalerie (Listasafn)
Kjarvalsstaðir
Ásmundarsafn
Einar-Jónsson-Museum
Handschriftensammlung Árni-Magnússon
Das Freilichtmuseum Árbæjarsafn
Weitere Museen etc.
Interessante Bauwerke
Domkirche und Universität
Die Hallgrímskirkja
Interessante Gebäude
Wirtschaft und Verkehr
Weblinks