Reich Gottes
Das Reich Gottes oder die Königsherrschaft Gottes (griech basileia tou theou) ist im Judentum die sichtbare Herrschaftsaufrichtung JHWH's in Israel mit dem Ende von Exil und Fremdherrschaft und im Christentum der Zustand der endgültigen Erlösung der Menschheit. Oft ist auch vom Himmelreich (griech. basileia tôn ouranôn) die Rede -- dies ist zu verstehen als Herrschaft des Himmels, nicht etwa als Ein Land im Himmel.
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2 Im Christentum 3 Christliche Identität |
Der Begriff stammt aus der spät-alttestamentlichen Apokalyptik und stellt ursprünglich den Fremdherrschaften im Land Israel (Babylonier, Perser, Römer), aber auch der Gottvergessenheit Israels selbst die kommende sichtbare Herrschaftsaufrichtung JHWH's entgegen. Diese wird als umfassendes Gottesgericht hereinbrechen. Die Übertreter des Gesetzes und die Heidenn werden bestraft und verworfen werden, die Gerechten erhalten den Zugang zum Gottesreich. Umkehrpredigt und Bußtaufe Johannes des Täufers sind noch ganz von diesem Hintergrund bestimmt.
Auch Jesus spricht in diesem Sinn vom kommenden Gottes- oder Himmelreich. Charakteristisch für ihn ist jedoch, dass die Perspektive sich umkehrt. Der göttliche Zorn tritt zurück hinter einer göttlichen Liebeszuwendung zu den Armen, Machtlosen, Ausgeschlossenen, Kranken, Sündern, Kindern und sogar Heiden (vgl. Matth 15,21-28). Diejenigen, die nach allgemeinem Maßstab und eigener Einschätzung als wertlos und verworfen galten, sind bei ihm die, die zuerst zum Gottesreich eingeladen sind: Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten die Ersten (Matth. 20,16).
Außerdem behauptet Jesus, dass die Gottesherrschaft in seinem Wirken bereits anfängt (z.B. Luk. 11,20), und verschiebt den Akzent von der Zukunft auf die Gegenwart: Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es!, oder: Dort ist es! Denn: Das Reich Gottes ist (schon) mitten unter euch. (Evangelium des Lukas 17,20-21).
Die nachösterliche christliche Verkündigung knüpfte hier an. Durch Tod und Auferstehung Christi ist der glaubende Mensch bereits erlöst und befindet sich im Zustand der Naherwartung des Reiches Gottes (Parusie). Der gekreuzigte und auferstandene Herr ist die "Gottesherrschaft in Person". Der Mensch, der sich ihm öffnet und sein Kreuz teilt, ist eins mit Gott und der Liebe und verändert seine Maßstäbe (s. Bergpredigt). Das Kommen des Reiches Gottes und die, die daran mitwirken, besiegen Sorgen und Leid, Krieg und Hass schon jetzt und vollkommen am Ende aller Tage.
In der Kirchengeschichte ist von diesem Impuls vieles wirksam geworden, teils durch bekannte und unbekannte Christen (Heilige), teils in säkularisierter Gestalt und auch gegen die etablierten Kirchen gewendet. Der Graben zwischen "real existierenden Kirchen" und Reich-Gottes-Glauben bleibt aber unübersehbar. Das war auch das Schicksal aller neuen Glaubensgemeinschaften, die das Gottesreich reiner darstellen wollten. Diese Spannung auszuhalten und möglichst zu verringern, kann geradezu als Definition christlicher Existenz gelten.
Siehe auch: TheokratieUrsprung
Im Christentum
Christliche Identität