Regenwürmer
Regenwürmer | ||||||||
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Systematik | ||||||||
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Die Regenwürmer (Lumbricidae) sind im Erdboden lebende, gegliederte Würmer aus der Klasse (oder Unterklasse) der Wenigborster (Oligochaeta). Sie gehören innerhalb der Überklasse (bzw. Klasse) Clitellata zum Stamm der Ringelwürmer (Annelida). Von den weltweit rund 3500 Arten von Wenigborstern gehören 10 Gattungen mit etwa 220 Arten zur Familie der Lumbricidae, also zu den eigentlichen Regenwürmern. Davon leben in Deutschland immerhin 39 Arten.
2004 wurde der Regenwurm zum "Wirbellosen Tier des Jahres" erklärt. Der 9 bis 30 cm lange Tauwurm oder gemeine Regenwurm (Lumbricus terrestris) ist die bekannteste einheimische Art, welche man prototypisch meist als "den" Regenwurm bezeichnet, neben dem 6 bis 13 cm langen Kompost- oder auch Mistwurm (Eisenia foetida). Doch handelt es sich bei ihnen keineswegs um die längsten Wenigborster. Die in Australien beheimateten Riesenregenwürmer ("giant earthworms") der Gattung Megascolides werden bei einem Durchmesser von 8 mm bis zu 3 m lang.
Der Name "Regenwurm" geht offenbar auf den althochdeutschen Begriff "regnwurm" zurück, der sich auf das Verhalten der Würmer bezieht, bei starken Regenfällen die unterirdische Wohnröhre zu verlassen und auf dem Erdboden umherzukriechen. Treffender, weil auf den eigentlichen Aufenthaltsort des Wurms bezogen, ist die englische Bezeichnung "earthworm" oder der französische Begriff "ver de terre". Nach anderer Ansicht rührt der deutsche Name nicht von der Eigenart der Würmer her, bei Regen in großen Scharen an die Erdoberfläche zu kommen, sondern von ihrer steten Aktivität. Im 16. Jahrhundert soll es entsprechend noch die Bezeichnung "reger Wurm" gegeben haben.
Man nimmt oft an, dass die Regenwürmer nicht an die Erdoberfläche kriechen, weil sie den Regen lieben, sondern weil sie bei Regen in ihren Gängen im Erdboden ertrinken würden, da der im Wasser gelöste Sauerstoff nicht ausreiche, um den Wurm über die Hautatmung mit genügend Atemgas zu versehen. 1978 veröffentlichten jedoch B. Gruner und E. Zebe eine Studie, aus der hervorging, dass unter anaeroben Bedingungen unter Wasser gehaltene Regenwürmer erst nach 35 Stunden zugrunde gingen. Wie sich weiter herausstellte, schalten die Würmer unter diesen extremen Bedingungen auf einen glykolytischen Stoffwechsel ohne Sauerstoffverbrauch um. Was der eigentliche Anlass für die Regenwürmer ist, bei Regen ihre Wohnröhren zu verlassen, scheint also unbekannt zu sein.
Der Körper des Regenwurms besteht aus zahlreichen zylindrischen Gliedern (Segmenten), welche an ihren Seiten die kaum aus der Haut hervorragenden Borsten tragen. Die Borsten, von denen Regenwürmer pro Segment 4 Paar oder 8 Stück, besitzen, bestehen aus Chitin und Proteinen und können mit Hilfe besonderer Muskeln bewegt werden. Die Anzahl der Segmente nimmt mit dem Alter des Wurms zu. Eine spezielle Wachstumszone in der Nähe des Hinterendes produziert neue Glieder.
Nach außen hin ist der gesamte Körper des Wurms und damit auch jedes seiner Segmente durch einen Hautmuskelschlauch abgegrenzt. Auf eine einschichtige Epidermis, die einige Drüsen- und Sinneszellen enthält und nach außen eine Cuticula abscheidet, folgt eine Ringmuskelschicht und weiter innen die dicke Längsmuskelschicht.
Eine Art Oberlippe, der Kopflappen (Prostomium), überwölbt am Kopfende den Mund. Die Mundöffnung führt in den Darm, der den ganzen Regenwurm von vorne bis hinten durchzieht. Der Darm beginnt mit einem muskulösen Pharynx, auf den die Speiseröhre (Oesophagus) mit ihren Kalksäckchen sowie ein muskulöser Kropf und Muskelmagen folgen. In letzterem wird (ähnlich wie bei Hühnern) die pflanzliche Nahrung durch aufgenommene kleine Steinchen (hier: Sandkörner) gleichmäßig zerrieben. Es folgt der lange Mitteldarm, der auf der Rückenseite in seiner gesamten Länge eine Einstülpung (Typhlosolis) aufweist, die die innere Darmoberfläche vergrößern hilft. Am Hinterende des Wurms befindet sich der After.
Als Ausscheidungsorgane liegen in jedem Segment (mit Ausnahme der ersten 3 Glieder und des letzten Segments) links und rechts vom Darm zwei so genannte Nephridien, die aus einem langen, in Schleifen gewundenen, im Endabschnitt sich zur Harnblase erweiternden Exkretionskanal bestehen. Ein Wimpertrichter, der in das davor liegende Segment ragt, fängt die auszuscheidenden Substanzen auf. Jedes Nephridium ist von Blutgefäßen umsponnen, die der Sauerstoffversorgung des Ausscheidungsorgans dienen. Die Versorgung der Zellen mit Sauerstoff ist nötig, weil an den Schleifen des Nephridiums aktive Transportvorgänge zur Ausscheidung von Harnsäure, Harnstoff, Ammonium und Salzen sowie zur Rückresorption von Wasser, Ionen und organischen Verbindungen ablaufen.
Zwischen Darm und Hautmuskelschlauch liegt in jedem Segment die Leibeshöhle (das Coelom). Diese ist durch zarte Querwände (Dissepimente) von der Leibeshöhle des Nachbarsegments abgegrenzt und prall mit Flüssigkeit gefüllt. Diese Flüssigkeit, die von innen gegen den Hautmuskelschlauch drückt, wirkt als ein hydrostatisches Skelett und hilft mit, dem Wurm beim Kriechen und beim Einbohren in den Erdboden Stabilität zu verleihen.
Das Nervensystem ist hoch entwickelt. Es ist in das Gehirn oder Oberschlundganglion, das Bauchmark und die Segmentalnerven untergliedert. Das aus zwei Cerebralganglien bestehende Gehirn liegt im dritten Segment kurz vor dem Beginn des Pharynx dorsal dem Darm auf. Von ihm ziehen zahlreiche Nerven nach vorn in Richtung Prostomium. Schlundkonnektive verbinden das Oberschlundganglion auf beiden Seiten des Vorderdarms mit dem zu Beginn des vierten Segments ventral vom Darm gelegenen Unterschlundganglion. Es folgt der Hauptstrang des Nervensystems, der auf der Bauchseite den Wurm von vorn bis hinten durchzieht. Er wird daher als Bauchmark bezeichnet. Dieses liegt in Form eines paarig angelegten Strickleiternervensystems vor, was aber am aufpräparierten Wurm nur schwer zu erkennen ist. Innerhalb jedes Segments erkennt man nur je eine Anschwellung, von der Nerven zum Hautmuskelschlauch abzweigen. Augen fehlen zwar, doch ist der Regenwurm vor allem am Vorder- und Hinterende lichtempfindlich und reagiert auch auf Erschütterungen des Bodens.
Besondere Atmungsorgane besitzt der Regenwurm nicht, aber ein vielfach verzweigtes, geschlossenes Blutgefäßsystem, das den über die Haut aufgenommenen Sauerstoff und die aus dem Darm aufgenommenen Nährstoffe im ganzen Körper verteilt. Es besteht aus einem Rückengefäß, das das Blut von hinten nach vorn treibt, und einem Bauchgefäß. Innerhalb jedes Segments verbinden Gefäßschlingen diese zwei Hauptkanäle. Um die Speiseröhre herum sind diese seitlich liegenden Verbindungsgefäße so dick und muskulös, dass man sie Lateralherzen nennt. Das Blut selbst ist durch den roten Blutfarbstoff Hämoglobin, der im Blutplasma gelöst ist, rot gefärbt. Es enthält auch farblose Blutkörperchen, die Amoebocyten, die jedoch meistens den Gefäßwänden anliegen. Das Hämoglobin des Regenwurms besteht nicht wie das des Menschen aus nur 4, sondern aus 24 Untereinheiten. Entsprechend hoch ist sein Molekulargewicht von 3.840.000 u.
Die Regenwürmer sind nachtaktive Tiere. Sie sind überwiegend Substrat- und Pflanzenfresser, d.h. sie füllen ihren Darm mit humusreicher Erde und vermodertem Pflanzenmaterial. Sie ziehen nachts z.B. Keimlinge und Blätter in die Erde, um sie dort verrotten zu lassen und später als Nahrung zu verwerten. Um die Blätter festzuhalten, können die Regenwürmer ihr Vorderende knopfartig aufblähen, so dass ihr Mund wie von einer Saugscheibe umgeben ist. Diese wird an das Blatt oder den Blattstiel gepresst, und mit Hilfe des muskulösen Pharynx saugt sich der Wurm so sehr fest, dass er in der Lage ist, das angesaugte Blatt rückwärts kriechend in seinen Gang zu ziehen, wo es verrotten kann. Sekrete aus den Pharynxdrüsen fördern den Zersetzungsprozess. Zum Teil fressen sich die Regenwürmer auch durch die Humuserde, in der sie leben. Die aufgenommene Erde enthält Detritus-Bestandteile, Bakterien, Pilzsporen und Einzeller, die verdaut und als Nahrung genutzt werden können. Manche Regenwürmer fressen auch Fleisch.
Mit Hilfe der Ring- und Längsmuskulatur seines Hautmuskelschlauchs bewegt sich der Regenwurm kriechend fort. In der vorderen Region kontrahieren sich z.B. die Ringmuskeln, was bewirkt, dass die dortigen Segmente dünner und länger werden und sich nach vorne schieben. Die schräg nach hinten gerichteten Borsten verankern zusätzlich die vorgestreckten Segmente an der erreichten Stelle im Boden. Nun folgt eine von vorn nach hinten verlaufende Kontraktion der Längsmuskeln, wodurch die Segmente schmaler und dicker werden, was den Wurmkörper nach vorne zieht.
Die Regenwürmer sind Zwitter und befruchten sich wechselseitig. Eine bestimmte Reihe ihrer Körpersegmente, die den so genannten Gürtel (das Clitellum, eine Art sattelförmige Verdickung) bilden, enthalten mächtige Drüsen, welche bei der Begattung ein Sekret ausscheiden, das die beiden Geschlechtspartner manschettenartig aneinanderheftet. Während der Begattung legen sich zwei Würmer mit der Bauchseite aneinander, und zwar so, dass sie über ihre Geschlechtsöffnungen Spermien austauschen und in die Receptacula seminis (kugelförmige Einstülpungen zur Sperma-Aufbewahrung) des Geschlechtspartners einführen können. Die jeweils dort gespeicherten fremden Spermien dienen später zur Befruchtung der eigenen Eizellen. Die Eier werden wie bei den Blutegeln in Kokons abgelegt. Das Sekret der Clitellum-Drüsen dient zur Bildung dieses Ei-Kokons. Die Embryonen ernähren sich von dem Eiweiß, von dem sie umgeben sind, und machen nur eine geringe Metamorphose zum Wurm durch.
Den Winter verbringen die Würmer zusammengeballt in größerer Tiefe liegend in einer Kältestarre.
Bei ihren Wanderungen im Boden bilden Regenwürmer Röhren, die sie mit ihren Exkrementen füllen. Dadurch liefern sie den Pflanzen Dünger. Die lufthaltigen Gänge sorgen auch dafür, dass aerobe Bakterien mit genügend Sauerstoff versorgt werden und abgestorbene Pflanzenteile besser zersetzen können. In den senkrechten Gängen können aber auch Pflanzenwurzeln schneller in die Tiefe wachsen. Von besonderer Bedeutung sind die Regenwürmer, wie bereits Charles Darwin beobachtete, dadurch, dass sie beständig die aus den tieferen Schichten des Bodens stammende Erde durch ihren Darm hindurch und an die Erdoberfläche befördern und dadurch erheblich zur Auflockerung des Bodens beitragen. Den Kot setzen die Regenwürmer in Form von Kotballen überwiegend an der Mündung ihrer Gänge ab. Nach Darwins Berechnung befördern die Regenwürmer in vielen Teilen Englands jährlich auf jedem 6 Hektar großen Landstück ein Gewicht von mehr als 25000 kg Erde an die Oberfläche und bewirken dadurch eine ganz erhebliche Durchmischung der Bodenschichten, wobei der Untergrund mit Humusstoffen angereichert wird.
Die natürlichen Feinde der Regenwürmer sind Amseln, Maulwürfe, Igel, Spitzmäuse, Kröten, Frösche, Tausendfüßler und Laufkäfer. Der Maulwurf beißt den Regenwürmern sogar ins Vorderende, um sie am Davonkriechen zu hindern und sich so einen Wintervorrat an halblebendigen Würmern anzulegen. Der Mensch benutzt sie als Köder beim Angeln.
Regenwürmer besitzen ein beachtliches Regenerationsvermögen, vor allem am Hinterende, weniger am Vorderende. Sie sind auch in der Lage, sich selbst zu verstümmeln (Autotomie), wenn sie ein Fressfeind gepackt hat. Dann schnürt der Wurm am Hinterende eine Reihe von Segmenten ab, um sie dem Räuber zu überlassen, und bringt sich mit dem restlichen Körper durch eine schnelle Fluchtbewegung in Sicherheit. Das weitverbreitete Gerücht, dass zwei lebende Würmer entstehen, wenn man einen Wurm in der Mitte trennt, stimmt nicht, weil das Regenerationsvermögen gerade in der Körpermitte kaum ausgeprägt ist. Am Vorderende können 4 Segmente abgetrennt werden, die alle wieder komplett ersetzt werden. Trennt man vorne mehr Segmente ab, werden nicht mehr alle regeneriert. Bei mehr als 15 entfernten Segmenten kommt es meist zu gar keiner Regeneration.
Name
Körperbau
Segmentierung
Hautmuskelschlauch
Verdauungsorgane
Exkretionsorgane
Coelom
Nervensystem
Blutgefäßsystem
Lebensweise
Ernährung
Fortbewegung
Fortpflanzung
Überleben im Winter
Bedeutung für die Bodenverbesserung
Fressfeinde
Regenerationsvermögen und Selbstverstümmelung
Literatur
Weblinks