Reaktion (Politik)
Reaktion war im 19. Jahrhundert Sammelbegriff für diejenigen Kräfte, die sich der Fortführung der Französischen Revolution und der Übernahme ihrer Ideen (Bürgerliches Gesetzbuch, Parlamentarismus, Grundrechte und Verfassung, Republik usw.) in anderen Ländern widersetzten. Seitdem ist Reaktion Bezeichnung für antidemokratische und gegen den gesellschaftlichen Fortschritt eingestellte Kräfte. Was Letzterer ist, ist natürlich im politischen Leben strittig, und insofern ist der Begriff natürlich ein subjektiver. Aber wahrscheinlich können sich die meisten darauf einigen, dass derjenige, der hinter die Prinzipien der Französischen Revolution Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit (Egalité, Liberté, Fraternité) zurückgehen will, reaktionär ist. Unter Reaktion versteht man also in der Politik Gruppen von Menschen bzw. eine Haltung, die rückwärtsgewandt ist. Reaktionär ist ein Angehöriger der Reaktion.Die Benutzung des Wortes Rückwärtsgewandtheit setzt gedanklich eine lineare Geschichtsbetrachtung (vorwärts - rückwärts) voraus. Dies ist unter dem Stichwort Fortschritt näher beschrieben.
Es gibt erheblich mehr politisch aktive Persönlichkeiten, die von ihren Gegnern als Reaktionäre bezeichnet werden als solche, die sich selbst so sehen. Das liegt zum einen daran, dass Fortschritts- und Neuerungsdenken weit verbreitet ist und daher bereits Konservative gelegentlich als Reaktionäre bezeichnet werden, die sich gegen diese Etikettierung wehren. Zum anderen gibt es Denker, denen das lineare Fortschrittsdenken fremd ist und die sich daher weder als reaktionär noch als progessiv bezeichnen wollen.
Zu den wenigen Schriftstellern, die sich selbst als "Reaktionär" bezeichnen, gehört der ehemalige Wiener APO-Führer Günter Maschke, der inzwischen eine "Bibliothek der Reaktion" herausgibt.
Auch der dem Faschismus verbundene Kulturphilosoph Julius Evola konnte dem Begriff "Reaktion" positive Seiten abgewinnen: "Nach unserer Überzeugung ist eine wahre Reaktion gegen den liberalistisch-demokratischen Verfall nur auf der Grundlage der traditionellen Grundsätze von Hierarchie, Aristokratie und Königtum möglich." (Evola: Faschismus und aristokratischer Gedanke im heutigen Italien, 1932)
Im Nationalsozialismus dagegen wurde das Gedenken an die getöteten "Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschlugen", im Horst-Wessel-Lied geradezu zum Kult erhoben. Auch der Kommunismus sah sich im Kampf gegen die Reaktion stehend.
Siehe auch: Restauration, Traditionalismus