Radiotheorie
Als Radiotheorie bezeichnet man eine auf das Medium Rundfunk, insbesondere den Hörfunk, spezialisierte Medientheorie. Bekannte Radiotheorien wurden verfasst von Bertolt Brecht, Rudolf Arnheim, Walter Benjamin, Gerd Eckert und Eugen Kurt Fischer.
Table of contents |
2 Kernaussagen 3 Rezeption und Wirkung 4 Literatur |
Eine der ersten Radiotheorien entwickelte Bertolt Brecht; es handelt sich dabei im engeren Sinne nicht um eine geschlossene Theorie, sondern eher um einen Versuch, die in Brechts Radiopraxis intendierten Vorstellungen theoretisch zu begründen. Systematisch im Spektrum der vorhandenen Medientheorien betrachtet, ist Brechts Ansatz vortheoretisch und erhebt nicht den Anspruch einer vollständigen Theorie des Mediums; sie ist daher den Ansätzen der rationalisierten Praxis zuzuordnen.
Die Radiotheorie entwickelte Brecht zwischen 1927 und 1932; Brechts Texte zum Thema finden sich folglich nicht in einer einzigen Arbeit, sondern über verschiedene Texte verstreut:
Brecht sieht das Grundproblem des Hörfunks darin, dass er erfunden wurde, ohne dass es ein gesellschaftliches Bedürfnis danach gegeben habe: "Nicht die Öffentlichkeit hatte auf den Rundfunk gewartet, sondern der Rundfunk wartete auf die Öffentlichkeit". Ironisch merkt er an: "Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. [...] Ein Mann, der was zu sagen hat, und keine Zuhörer findet, ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer dran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat." Dies sei auch der tiefere Grund, so mutmaßt Brecht, dass im Hörfunk nichts Neues übertragen, sondern nur Vorhandenes imitiert werde.
Basierend auf dieser Analyse überlegt Brecht, wie das vorhandene Medium nutzbringend eingesetzt werden könnte: "Um nun positiv zu werden: d.h., um das Positive am Rundfunk aufzustöbern; ein Vorschlag zur Umfunktionierung des Rundfunks: Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln." Der Hörfunk könne den Austausch ermöglichen und zu Gesprächen, Debatten und Disputen genutzt werden.
In dem Rundfunkexperiment, von dem drei Fassungen gesendet wurden, versucht Brecht, die theoretische Erkenntnis in praktisches Handeln umzusetzen; die Entwicklung des Experiments spiegelt gleichzeitig den Wandel in Brechts Vorstellungen wider:
Über die Realisierbarkeit seiner Vorstellungen machte sich Brecht allerdings keine Illusionen: "Undurchführbar in dieser Gesellschaftsordnung, durchführbar in einer anderen, dienen die Vorschläge, welche doch nur eine natürliche Konsequenz der technischen Entwicklung bilden, der Propagierung und Form dieser anderen Ordnung. [...] Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist."
Hans Magnus Enzensberger greift in seiner emanzipatorischen Medientheorie des Medienbaukastens (1970) Brechts Ansätze wieder auf und erweitert sie; der Medienbaukasten steht in direkter Folge von Brechts Radiotheorie.
Jean Baudrillard setzt sich in Requiem für die Medien (1972) ebenfalls mit den beiden emanzipatorischen Ansätzen auseinander, kritisiert diese jedoch scharf.
Neuere Medientheoretiker aus den 1980er und 90er Jahren wie Friedrich Kittler und Norbert Bolz greifen teilweise ebenfalls auf die Radiotheorie zurück, stehen jedoch nicht in deren direkter Denktradition wie Enzensberger.
Zu Brechts Radiotheorie:
Brechts Radiotheorie
Kernaussagen
Brecht wünschte sich: "Hörer sollen zum Mitspieler werden", und: "Das Radio wird zum Sprecher und Medium in einem: es kommuniziert mit den Hörern ("die Lindberghs")". Sein Ziel war es, Höreraktivität zu erreichen und so den Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Die Hörfunksendung fasste er als Radiolehrstück zur Einübung in eine neue Gesellschaftsform auf. Brecht war also überzeugt davon, dass Medien positive gesellschaftliche Veränderungen hervorrufen können.Rezeption und Wirkung
Literatur
Andere Radiotheorien: