Qumran-Sekte
Die Qumran-Sekte wird im Unterschied zu den sonstigen antiken Gruppen und Gemeinschaften Palästinas, etwa den Essenern, Pharisäern oder Sadduzäern - weder im Neuen Testament, noch in den erhaltenen Schriften der zeitgenössischen Autoren, etwa bei Josephus Flavius oder Philo von Alexandria, erwähnt.Erst seit den Funden bei Khirbet Qumran (ab 1947) in den Höhlen am Westufer des Toten Meeres ist von dieser Sekte mehr bekannt geworden. Die Funde sind meist in klassischem Hebräisch, aber auch in Aramäisch oder Griechisch verfasste Bibelhandschriften bzw. nicht-kanonische jüdische Texte. Wegen des großen Umfangs der bisher untersuchten Schriften - sie werden auf die Zeit zwischen dem 2. Jahrhundert v. Chr bis 60 n. Chr datiert - werden im folgenden als Beleg für einzelne Feststellungen jeweils nur kurze Ausschnitte zitiert, meistens gibt es viele ähnliche Stellen, die mit derselben oder größerer Berechtigung ebenfalls zitiert werden könnten.
Wegen der vielen Gemeinsamkeiten dieser Sekte mit jener der Essener erscheint es wahrscheinlich, dass es sich in beiden Fällen um dieselbe Sekte handelt oder die Qumran-Sekte zumindest ein Untergruppe der Essener war. Nach einem geographischen Bericht Plinius dem Älteren lebten die Essener ebenfalls am Westufer des Toten Meeres. Da der Name Essener jedoch in den gefunden Dokumenten kein einzigesmal auftaucht, ist die Identität der beiden Sekten zur Zeit nicht gesichert. Die Bedeutung der Dokumente zum Verständnis des Neuen Testaments ist möglichweise oft überschätzt worden, zum Verständnis der damaligen Zeit sind sie aber trotzdem sehr wertvoll.
Nach bisherigen Erkenntnissen ist die Sekte wahrscheinlich um die Jahrhundertwende zwischen dem 2.- und 1. Jahrhundert v. Chr von einem mysteriösen, unbekannten '\'Lehrer der Gerechtigkeit'' gegründet worden bzw. hat sie sich um diese Zeit nach Qumran zurückgezogen. Diese Gegend war zur damaligen Zeit dem Verwaltungsbezirk Damaskus zugeordnet. Die Gründe, die zu diesem Ereignis geführt haben, könnten sowohl im, in den Augen der Sekte korrupten Beamtenapparat in Jerusalem bzw. im Tempel, als auch in einer Verfolgung der Gruppe durch die Behörden liegen.
Die Aufnahme in die Sekte war nicht leicht und die Probezeit hart. Aus den Gemeinderegeln ist zu erkennen, dass die Leitung der Sekte autoritär und die Disziplin streng war. Ungehorsam und sonstige Vergehen wurden hart bestraft. Das Ziel der Sekte war ein Leben in vollkommener Reinheit.
Doch nicht nur deshalb erlangte die Auslegung des Alten Testaments für sie einen enormen Stellenwert. Auch die Notwendigkeit des Nachweises ihrer, durch die Propheten angekündigten, Rolle als Auserwählte machte diese Arbeit notwendig. Manche Gedanken ihrer Regeln erinnern sehr stark an Paulus.
Den Glauben der Sektenmitglieder an eine Auferstehung der Toten belegt das folgende Zitat aus der Hymnenrolle 1QH (XI 12):
3 Ich preise dich, mein Gott! ...
...
8 ... Durch deinen Zorn kommen alle Plagegerichte
9 und durch deine Güte die Fülle der Vergebungen, und dein Erbarmen gilt allen Söhnen deines Wohlgefallens. Denn du hast sie belehrt im Rat deiner Wahrheit,
10 und in deinen wunderbaren Geheimnissen hast du sie unterwiesen. Um deiner Ehre willen hast du den Menschen von Sünde gereinigt, daß er sich heilige
11 für dich von allen unreinen Greueln und von schuldhafter Untat; daß er vereint sei [mit] den Söhnen deiner Wahrheit und im Los mit
12 deinen Heiligen; um aus dem Staub zu erhöhen den Wurm der Toten zu [ewigem] Rat und vom verkehrten Geist zu [deiner] Einsicht,
13 daß er hintrete an den Standort vor dir mit dem ewigen Heer und den Geistern [des Wissens], um sich zu erneuern mit allem,
14 was ist, und mit den Wissenden in gemeinsamem Jubel.
(zitiert nach Lohse, Die Texte aus Qumran, Hymnenrolle (1QH) XI 3-14)
Der Krieg der Söhne des Lichts gegen die Söhne der Finsternis nimmt in den gefundenen Dokumenten eine bedeutende Stellung ein, ob damit allerdings wirklich ein regulärer Krieg gegen die Feinde der Sekte gemeint ist, kann nicht mit Sicherheit bejaht werden:
1 Für den Ein[sichtigen: Bestimmung] des Krieges. der Anfang ist, wenn die Söhne des Lichtes Hand anlegen, gegen das Heer Belials, gegen die Schar von Edom und Moab und der Söhne Ammons
2 und das Hee[r...] der Philister und gegen die Scharen der Kittäer von Assur, und mit ihnen sind zur Unterstützung die Frevler am Bunde. Die Söhne Levis und die Söhne Judas und die Söhne Benjamins, die Verbannten der Wüste, kämpfen gegen sie
3 [...] mit all ihren Scharen, wenn die Verbannten der Söhne des Lichtes aus der Wüste der Völker zurückkehren, um in der Wüste von Jerusalem zu lagern. Und nach dem Krieg ziehen sie von dort
4 ge[gen alle Scharen] der Kittäer in Ägypten. Und zu seiner Zeit zieht er aus mit großem Grimm, um zu kämpfen gegen die Könige des Nordens, und sein Zorn (sucht) zu vernichten und auszurotten das Horn
5 [Belials. Das] ist die Zeit des Heils für das Volk Gottes und die Zeit der Herrschaft für alle Männer seines Loses, aber ewige Vernichtung für das ganze Los Belials. Und es wird g(roße) Bestürzung sein
6 [bei] den Söhnen Japhets. Es fällt Assur, aber keiner ist da, der ihm hilft. Die Herrschaft der Kittäer weicht, damit Gottlosigkeit gedemütigt werde ohne Rest und es Rettung nicht gebe
7 [für alle Söh]ne der Finsternis.
8 [Erkenntnis und Gerechtig]keit werden alle Enden des Erdkreises erleuchten in immer hellerem Licht, bis alle Zeiten der Finsternis zu Ende sind. Aber zur Zeit Gottes wird seine erhabene Größe leuchten für alle Zeiten
9 [der Ewigkeiten] zu Frieden und Segen, Ehre und Freude und Länge der Tage für alle Söhne des lichts. Aber an dem Tage, an dem die Kittäer fallen, gibt es Kampf und gewaltige Gemetzel vor dem Gott
10 Israels; denn dies ist der Tag, der von ihm seit ehedem bestimmt wurde für den Vernichtungskrieg gegen die Söhne der Finsternis. An ihm kämpfen zu einem großen Gemetzel die Gemeinde der Göttlichen und die Versammlung
11 der Menschen. Die Söhne des Lichtes und das Los der Finsternis kämpfen miteinander für (den Erweis der) Stärke Gottes beim Lärm einer großen Menge und dem Geschrei der Göttlichen und Menschen am Tage des Verderbens. Und dies ist die Zeit
12 der Drangsal für [das ganze] Volk der Erlösung Gottes.
(zitiert nach Lohse, Die Texte aus Qumran, Kriegsrolle (1QM) I 1-12)