Pseudogruppenehe
Pseudogruppenehe ist ein in der Ethnologie und Anthropologie verwendeter Begriff für eine bestimmte Form der Ehe. Im Gegensatz zur Gruppenehe sind bei der Pseudogruppenehe nicht alle Ehepartnerinnen und Ehepartner gleichzeitig alle miteinander verheiratet. Somit sind auch nicht alle Frauen legitime Sexualpartnerinnen für alle Männer und nicht alle Männer legitime Sexualpartner für alle Frauen.Pseudogruppenehen entstehen aufgrund polygyner und/oder polyandrischer Verbindungen, bei denen nur gewisse Ehepartner einer Gruppe mit gewissen anderen verheiratet sind und so legitime sexuelle Beziehungen miteinander haben. Viele der ursprünglich als Gruppenehe interpretierten ethnologischen Fallbeispiele haben sich bei näherer Betrachtung als Pseudogruppenehen herausgestellt.
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Eine Frau A ist mit den Männern 1 und 2 verheiratet. Mann 1 hingegen mit Frau A und Frau B. Mann 2 ist verheiratet mit Frau A und Frau C. Hier handelt es sich eindeutig nicht um eine Gruppenehe, da Frau C nicht mit Mann 1 verheiratet ist und auch keine sexuellen Beziehungen unterhält. Die Ehegemeinschaft ist streng strukturiert und es wird zwischen Haupt- und Nebengatten unterschieden, zwischen denen eine strikte Rangfolge besteht.
Laut Kathleen Gough praktizieren die Nayar in Zentralkerala (Indien) eine Kombination von nonsoraler Polygynie und nonfraternaler Polyandrie. Daraus resultiert eine Form der Gruppenehe, bei der eine Frau mit einem Mann aus der höheren Kaste der Nambudiri-Brahmanen eine rituelle Ehe eingeht (siehe Sambandham), danach jedoch mit einem oder mehreren Männern aus ihrer eigenen Kaste sexuelle Beziehungen eingeht und rechtmäßige Nachkommen zeugt.
Für lange Zeit galten die Bewohnerinnen und Bewohner der Marquesas-Inseln als klassisches Beispiel für die Gruppenehe. Weitere Forschungen haben aber ergeben, dass sich in vorkolonialen Zeiten durch die Verkettung von Polygynie und Polyandrie zwar komplexe polygame Verbindungen ergaben, die jedoch keine echte Gruppenehe darstellten.
Eine Frau konnte beispielsweise mit zwei oder mehr Männern zur selben Zeit verheiratet sein, sowie jeder ihrer Männer mit zwei oder mehr Frauen. Auch in diesem Fall waren jedoch nicht alle Frauen gleichzeitig mit allen Männern legitim verheiratet und unterhielten auch nicht alle sexuelle Beziehungen untereinander. Somit handelte es sich nicht um eine echte Form der Gruppenehe.Beispiele für Kulturen mit Pseudogruppenehe
Aché in Ostparaguay
Lukas und Schindler beschrieben die Pseudogruppenehe der Aché in Paraguay, bei denen aus der Kombination von polygyner und polyandrischer Familienstrukturen ein komplexes Beziehungsgeflecht entsteht.Nayar (Indien)
Marquesas