Potentielle Literatur
Potentielle Literatur ist die Kunst, epische oder lyrische Werke unter Einhaltung von bestimmten selbstgewählten Regeln zu erstellen.Der Satz "Kein Spiel funktioniert ohne Regeln" wird von den Vertretern potentieller Literatur auf das literarische Schaffen angewendet: Zunächst wird eine Regel vorgegeben (die eine sprachliche oder auch eine mathematische Vorgabe sein kann). Dann wird darauf aufbauend das Gedicht oder der Essay erstellt. Folgende Werke können dafür beispielhaft genannt werden:
- Georges Perec: La disparition (deutsch: Das Verschwinden) - Roman
- verwendete Regel: Es kommt kein einziges Wort vor, welches den Buchstaben "e" enthält
- Klaus Ferentschik: Schwelle und Schwall, Haffmans, Zürich 2000, ISBN 3-251-00485-9
- Regeln: Der erste Teil enthält nur weibliche Substantiva, der zweite Teil ausschließlich männliche.
- Gerhard Rühm: Die Österreichische Bundeshymne, um einen Schritt weiter (1986)
- Regel: Jedes Wort des Originaltextes wird durch das nachfolgende Wort im Österreichischen Wörterbuch ersetzt.
1960 gründeten französische Literaten (unter ihnen Raymond Queneau und Eugène Ionesco) in Paris die Werkstatt für potentielle Literatur (Ouvroir de littérature potentielle, abgekürzt OuLiPo) als eine lose Vereinigung. Hier treffen sich Vertreter potentieller Literatur zu Gedankenaustausch und veranstalten Lesungen (vor ausverkauftem Haus) im "Auditorium du Forum des Images". Mitglieder sind bzw. waren unter anderem Francois Le Lionnais, Claude Berge, Hervé Le Tellier, Jacques Roubaud, Marcel Bénabou, Italo Calvino, Raymond Queneau und Oskar Pastior als einziges deutschsprachiges Mitglied.
Grundgedanke der OuLiPo-Literatur ist es, der zufälligen Welt eine Dichtung entgegenzustellen, die Logik und Ordnung verspricht.
Prototyp für diese Art von Literatur sind die Cent mille milliards de poèmes von Raymond Queneau: 1014 Sonette, in denen alle Verse miteinander kombiniert werden können. Die Lektüre aller möglichen Varianten würde mehr als 190 Millionen Jahre in Anspruch nehmen.
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